„Ich bin schon wieder auf 180!“ – auf Dauer sind Wutausbrüche nicht gesund fürs Herz-Kreislauf-System. Warum sie sogar schädlicher als Angst und Traurigkeit sein können, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Negative Emotionen können unser Herz und unsere Blutgefäße belasten. Das zeigt eine aktuelle Studie des Columbia University Irving Medical Center in New York. Die Forscher haben Hinweise drauf gefunden, dass Gefühle wie Wut einen negativen Effekt auf das kardiovaskuläre Risikoprofil haben können. Die Ergebnisse der PUME-Studie („Putative Mechanisms Underlying Myocardial Infarction Onset and Emotions“) – eine randomisierte kontrollierte Erhebung – wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of the American Heart Association publiziert.
Um die Folgen negativer Emotionen zu untersuchen, verwendeten Shimbo et al. Ein Gerät namens EndoPAT2000. Das misst den peripheren arteriellen Tonus und den Blutfluss in den Fingern, um den reaktiven Hyperämie-Index (RHI) als Marker für die endotheliale Funktion zu detektieren. In der Summe wurden 280 jüngere und gesunde Teilnehmer, davon 145 weiblich, zufällig einer von vier Bedingungen zugeteilt: Wut (n = 72), Angst (n = 70), Traurigkeit (n = 69) oder einer neutralen Bedingung (n = 69), die als Kontrolle diente. Die Teilnehmer wurden instruiert, 8 Minuten lang starke Gefühle wie Wut, Angst oder Traurigkeit zu empfinden, während der RHI-Wert engmaschig überprüft wurde. Gemessen wurde der Anfangswert, nach 3 Minuten, nach 40 Minuten, nach 70 Minuten und nach 100 Minuten. In der neutralen Bedingung wurden die Teilnehmer angewiesen, laut von 1 bis 100 zu zählen, bis 8 Minuten vergangen waren. Das Tempo des Zählens bestimmten sie selbst.
Nach jeder Intervention zur Induktion negativer Emotionen wurde der stärkste Anstieg in der entsprechenden selbstbewerteten negativen Emotion beobachtet. Dieser wurde durch eine visuelle Analogskala (VAS) ermittelt. Die VAS-Werte bestätigten das Empfinden der Teilnehmer.
Wut führte im Vergleich zur neutralen Bedingung innerhalb von 0 bis 40 Minuten nach der Induktion zu einer signifikanten Verschlechterung des RHI-Werts (p= 0,007). Diese Verschlechterung war jedoch nach 40 Minuten nicht mehr nachweisbar. Das legt nahe, dass das Auslösen von Wut nur kurzfristige Auswirkungen auf den RHI-Wert hat. Im Vergleich zur neutralen Bedingung gab es keine statistisch signifikanten Veränderungen im RHI-Wert beim Auslösen von Angst- und Traurigkeitsgefühlen. Die mittlere Standardabweichung des reaktiven Hyperämie Index lag bei 0,20 ± 0,67 bei der Wut-Gruppe und bei 0,50 ± 0,60 unter neutralen Bedingungen. Die VAS-Bewertungen zeigen, dass die Wirkung der Wut auf den RHI-Wert nicht durch unspezifische Zunahmen von Angst und Traurigkeit beeinflusst wurden. Es gab außerdem keine Veränderungen bei zirkulierenden Endothelzellen aufgrund der Induktionsaufgaben.
Laut den Forschern legen die Ergebnisse nahe, dass negative Emotionen, insbesondere Wut, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen können, indem sie das Endothel schädigen. Dr. Daichi Shimbo, Professor für Medizin in der Abteilung für Kardiologie an der Columbia University in New York City betont, dass wiederholte Wutausbrüche möglicherweise langfristige Schäden an den Blutgefäßen verursachen könnten. „Wir vermuten, dass jemand, der häufig wütend wird, seine Blutgefäße chronisch schädigt“, sagt er und betont gleichzeitig, dass sie das zwar nicht untersucht haben, aber trotzdem die Theorie aufstellen, dass kontinuierliche Wuteinflüsse anhaltende negative Effekte auf die Blutgefäße haben könnten.
Limitierend ist zu beachten, dass die Teilnehmerzahl von 280 Personen eher klein ist. Außerdem weisen einige Studien darauf hin, dass die Endo-PAT-Technik zur non-invasiven Bestimmung der Endothelfunktion durch den RHI hauptsächlich Informationen über die Funktion der Widerstandsgefäße liefert – nicht der konduktiven Gefäße, wie es bei der FMD der Fall ist, die eher die Funktion der Koronararterien reflektiert. Darüber hinaus ist die Aussagekraft der Endo-PAT-Technik bei bestimmten Populationen eingeschränkt und es gibt keine einheitlichen Vorgaben für die Durchführung der Messung und Interpretation der RHI-Werte. Kritisiert wurde auch, dass ausschließlich jüngere und gesunde Teilnehmer in die Studie eingeschlossen wurden.
Obwohl noch einige Fragen offenbleiben, liefert die Studie wichtige Hinweise auf die möglichen pathophysiologischen Folgen negativer Emotionen auf das Herz-Kreislauf-System – vor allem hinsichtlich Wut. Die Regulation von Emotionen scheint demnach nicht nur für die psychische Gesundheit, sondern auch für die körperliche Gesundheit von Bedeutung zu sein. Das wiederum unterstreicht, wie wichtig Strategien zur Stressbewältigung und Emotionsregulation – auch mit Hinblick auf die Herzgesundheit – sind.
Shimbo D, Cohen MT, McGoldrick M, et al. Translational Research of the Acute Effects of Negative Emotions on Vascular Endothelial Health: Findings From a Randomized Controlled Study. J Am Heart Assoc. May 1, 2024. doi:10.1161/JAHA.123.032698.
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Bildquelle: Ante Samarzija, Unsplash