An viralen Hepatitiden sterben jährlich immer noch genauso viele Menschen wie an Tuberkulose. Und das, obwohl es nicht nur eine effektive Impfung, sondern auch Therapieoptionen gibt. Was läuft schief?
Für Eilige gibt es am Ende des Textes eine kurze Zusammenfassung.
Kürzlich hat die WHO ihren globalen Bericht über virale Hepatitiden veröffentlicht, der alarmierende Ergebnisse präsentiert: Die Todesfälle aufgrund dieser Infektionen nehmen weltweit zu. Im Jahr 2022 starben über 1,3 Millionen Menschen an viralen Hepatitiden, was der Anzahl der Todesfälle durch Tuberkulose entspricht. Nach Covid-19 waren Tuberkulose und virale Hepatitiden die häufigsten Todesursachen bei übertragbaren Krankheiten.
Eine genauere Betrachtung der Daten zeigt, dass etwa 254 Millionen Menschen weltweit mit dem Hepatitis-B-Virus und 50 Millionen mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert sind. Täglich sterben etwa 3.500 Menschen an den Folgen dieser beiden Viren, während geschätzt 6.000 Menschen pro Tag neu infiziert werden. Diese Zahlen sind entmutigend, insbesondere wenn man bedenkt, dass effektive Impfstoffe gegen Hepatitis A und B vorhanden sind und die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Hepatitis C als Erfolgsgeschichte gilt. Mittlerweile stehen pangenotypische Therapien für die Hepatitis C mit zwei direkt antiviral wirkenden Arzneimitteln (DAAs) zur Verfügung.
Die Epidemiologie der viralen Hepatitiden und ihrer Folgen variiert regional stark.
In Ländern mit hohem Einkommen treten die Neuinfektionen mit Hepatitis C hauptsächlich bei intravenösen Drogenkonsumenten auf. Angesichts dieser regionalen Unterschiede stehen die Länder vor unterschiedlichsten Herausforderungen im Umgang mit der Krankheitslast durch virale Hepatitiden.
Der WHO-Bericht enthält keine Daten zur Epidemiologie von Hepatitis D. Diese Form der Hepatitis nimmt eine besondere Stellung ein, da sie ausschließlich als Ko- oder Superinfektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) auftritt. Das Hepatitis-D-Virus (HDV) benötigt das HBV-Hüllprotein, um sich zu verbreiten. Es wird angenommen, dass weltweit zwischen 4,5 und 15 % der HBV-Patienten mit HDV koinfiziert sind. Eine Koinfektion von HBV und HDV birgt ein deutlich höheres Risiko für Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom als eine Monoinfektion mit HBV.
Bis in die 1990er Jahre wurde chronische Hepatitis D mit Interferon-α behandelt. Bei über 50 % der Patienten, die ein virologisches Ansprechen zeigten, trat jedoch 24 Wochen nach Absetzen des Medikaments ein Rückfall auf. Im Jahr 2020 wurde das neue Medikament Bulevirtid zur Behandlung chronischer Hepatitis-D-Infektionen zugelassen. Bulevirtid blockiert den HBV/HDV-Rezeptor Natriumtaurocholat-Co-Transportierendes Polypeptid (NTCP) und verhindert so den Eintritt der Viren in die Leberzellen. Die genauen molekularen Mechanismen dieser Wirkung wurden erst kürzlich in Nature Communications veröffentlicht (DocCheck berichtete).
Die Therapie mit Bulevirtid ist bereits in den klinischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der chronischen Hepatitis D der European Association for the Study of the Liver (EASL) verankert. Alle Patienten mit chronischer Hepatitis D und kompensierter Lebererkrankung sollten für eine Behandlung mit Bulevirtid in Betracht gezogen werden, möglicherweise in Kombination mit pegIFN-α, sofern keine Intoleranz oder Kontraindikationen vorliegen. Die optimale Dosierung und Dauer der Therapie mit Bulevirtid sind noch nicht festgelegt. Die Therapie einer chronischen Hepatitis D sollte von einem erfahrenen Arzt durchgeführt werden, der mit der Behandlung dieser Erkrankung vertraut ist.
Mit der Einführung des Medikaments Bulevirtid wird ein weiterer wichtiger Schritt im globalen Kampf gegen virale Hepatitiden unternommen. Im Fokus der Bemühungen zur Eliminierung dieser Krankheiten stehen die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Programme zur Prävention, Diagnose und Therapie. Auch Ärzte in Deutschland sollten bei Personen aus Hochendemiegebieten für virale Hepatitiden an eine Diagnostik denken. Es ist erfreulich, dass seit dem 1. Oktober 2021 Versicherte im Rahmen von Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen, den sogenannten Check-ups, einmalig auf Hepatitis B und C untersucht werden können, und dass die entstehenden Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.
Alarmierende Zahlen aus neuem WHO-Bericht: Trotz verfügbarer Impfungen und Therapien nahmen die Todesfälle durch Hepatitis-B und -C weltweit zu. Täglich sterben etwa 3.500 Menschen an diesen Viren, und es gibt 6.000 Neuinfektionen.
Die Regionale Verteilung variiert. In Afrika treten 63 % der neu diagnostizierten Hepatitis-B-Infektionen auf, nur 18 % der Neugeborenen werden hier geimpft. Im Westpazifik entfallen 47 % der Todesfälle auf Hepatitis B, medikamentöse Therapien sind selten. In Ländern mit hohem Einkommen sind Hepatitis-C-Neuinfektionen häufig bei Drogenkonsumenten.
Eine Ko-Infektion mit Hepatitis D birgt ein höheres Risiko für Leberzirrhose und Leberkrebs. Die Behandlung wurde durch das Medikament Bulevirtid verbessert, das seit 2020 zugelassen ist.
Die Bekämpfung viraler Hepatitiden erfordert nachhaltige Programme zur Prävention, Diagnose und Therapie. In Deutschland werden seit Oktober 2021 im Rahmen von Check-ups auch Tests auf Hepatitis B und C von den Krankenkassen übernommen. Ärzte sollten besonders bei Personen aus Hochrisikogebieten an eine entsprechende Diagnostik denken.
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