Manche Patienten futtern PPI wie Bonbons – dabei kann die Langzeitanwendung ernsthafte Risiken mit sich bringen. Die Säureblocker stehen unter anderem im Verdacht, anfälliger für Migräne zu machen. Was ist dran?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Protonenpumpeninhibitoren (PPI) wie Pantoprazol oder Omeprazol gehören zu den am häufigsten eingenommenen Medikamentenklassen überhaupt. Nur Blutdrucksenker werden noch häufiger verschrieben. Das liegt wohl auch an ihrer guten Wirksamkeit und Verträglichkeit. Dabei setzen Ärzte PPI aber immer wieder bei Erkrankungen oder Situationen ein, für die es keinen eindeutigen Nutzennachweis gibt. So wurde z. B. bei der Einnahme von Schmerzmitteln (NSAR) zum Teil routinemäßig zusätzlich ein PPI als Magenschutz verordnet. Ohne weitere Risikofaktoren für die Entstehung eines Magengeschwürs gibt es dafür jedoch keine Indikation. Zudem wird häufig eine Langzeittherapie über mehrere Jahre durchgeführt, obwohl eigentlich nur eine Indikation für eine Kurzzeittherapie von einigen Wochen bis Monaten besteht – das Absetzen wird vermutlich oft vergessen.
Parallel zum Siegeszug der PPI traten trotz ihrer sehr guten Verträglichkeit und spezifischen Wirkweise zunehmend Bedenken hinsichtlich ihres langfristigen Sicherheitsprofils auf. So wurde die Langzeiteinnahme von PPI mit einem erhöhten Risiko für Nierenerkrankungen, Knochenbrüche oder Herzinfarkte in Verbindung gebracht. Auch das Demenzrisiko soll bei langfristiger Einnahme erhöht sein. Diese Zusammenhänge wurden allerdings nur in Beobachtungsstudien gefunden. Zudem waren die Effektstärken meist gering. In randomisierten kontrollierten Studien konnten diese Nebenwirkungen dagegen nicht nachgewiesen werden. Einzige Ausnahme ist ein erhöhtes Risiko für Magen-Darm-Infektionen wie Clostridium-difficile-Enteritis.
In einer aktuellen Studie wurde untersucht, inwieweit die Einnahme von PPI mit einem erhöhten Risiko für Migräne oder starke Kopfschmerzen verbunden ist. In früheren Studien hatte es bereits Hinweise darauf gegeben. Für die neue Untersuchung wurden bereits vorhandene Daten einer großen, regelmäßig in den USA durchgeführten Befragung zu Ernährung und Gesundheit (National Health and Nutrition Examination Survey) genutzt. Insgesamt wurden die Antworten von gut 11.000 Teilnehmern ausgewertet. Dabei wurden die Teilnehmer, die Magensäure-senkende Medikamente (PPI, H2-Blocker, Antazida) einnahmen, mit den übrigen Teilnehmern hinsichtlich des Auftretens von starken Kopfschmerzen oder Migräne verglichen. Von den 11.000 Teilnehmern nahmen 2.340 Personen Säureblocker ein. Dies unterstreicht noch einmal den sehr häufigen Gebrauch dieser Medikamente.
Die Forscher werteten die Antworten auf verschiedene Fragen des ausführlichen Fragebogens aus. So wurden die Teilnehmer gefragt, welche verschreibungspflichtigen Medikamente sie in den letzten 30 Tagen eingenommen haben. Eine weitere Frage lautete: „Hatten Sie in den letzten 3 Monaten starke Kopfschmerzen oder einen Migräneanfall?“. Die Daten wurden dann für verschiedene Parameter wie Alter, Geschlecht und ethnische Zugehörigkeit adjustiert. Im Vergleich zeigte sich ein signifikant häufigeres Auftreten von schweren Kopfschmerzen und Migräneattacken bei Personen, die in den letzten 30 Tagen Säureblocker eingenommen hatten. Rechnerisch war das Risiko bei Einnahme von PPI um 70 % und bei Einnahme von H2-Blockern um 40 % erhöht.
Als mögliche Ursache für diesen Zusammenhang wurde eine Beeinflussung des Magnesiumstoffwechsels durch die PPI-Einnahme postuliert. Daher wurde zusätzlich untersucht, ob eine hohe Magnesiumzufuhr die negativen Effekte der PPI-Einnahme möglicherweise aufhebt. In der verwendeten Befragung wurden die Teilnehmer detailliert befragt, welche Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sie in den letzten 24 Stunden zu sich genommen hatten. Daraus wurde der Magnesiumgehalt der verzehrten Lebensmittel berechnet. Bei den Teilnehmern, die PPI einnahmen und zusätzlich eine hohe Magnesiumzufuhr hatten, zeigte sich jedoch kein Unterschied in der Kopfschmerzhäufigkeit im Vergleich zu den Teilnehmern mit niedriger Magnesiumzufuhr. Der postulierte Mechanismus, dass Säureblocker über eine Hemmung der Magnesiumaufnahme zu vermehrten Kopfschmerzen führen, konnte in dieser Studie somit nicht bestätigt werden.
Verursacht also eine Säureblockade mit PPI oder anderen Medikamenten Kopfschmerzen oder gar Migräne? Das lässt sich aus der Studie nicht ableiten. Genauso gut könnte es einen anderen Faktor geben, der sowohl die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass eine Person einen PPI einnimmt, als auch, dass sie Kopfschmerzen bekommt. So wäre es denkbar, dass gastrointestinale Erkrankungen zu einem erhöhten Risiko für Migräne führen. Frühere Studien zeigten bereits einen Zusammenhang zwischen einer Infektion mit Helicobacter pylori und Migräne. Diese Infektion führt natürlich auch zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, einen PPI verschrieben zu bekommen.
Wie bei anderen statistischen Zusammenhängen auch, sollten diese nicht überbewertet werden und nicht dazu führen, von bestehenden Therapieempfehlungen abzuweichen. Beobachtungsstudien können lediglich Hinweise für nachfolgende prospektive Studien liefern. Und so kommen die Autoren wie so oft zu dem Schluss, dass weitere Forschung notwendig ist, um tatsächlich zu klinisch verwertbaren Erkenntnissen zu kommen.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Beliebte Pillen für den Magen: PPI wie Pantoprazol und Omeprazol sind echte Verkaufsschlager, weil sie so gut wirken und verträglich sind. Ärzte verschreiben sie gerne auch mal ohne klare Notwendigkeit, zum Beispiel als Magenschutz bei Schmerzmitteln oder als Langzeittherapie, die eigentlich gar nicht nötig wäre.
Risiken trotz guter Verträglichkeit: Auch wenn PPI im Allgemeinen gut vertragen werden, gibt es Sorgen über langfristige Nebenwirkungen. Studien haben sie mit Nierenproblemen, Knochenbrüchen, Herzinfarkten und sogar Demenz in Verbindung gebracht – auch wenn das nicht in allen Studien bestätigt werden konnte.
Kopfschmerzen durch PPI? Eine neue Studie hat untersucht, ob PPI zu mehr Migräne führen. Das Ergebnis: PPI-Nutzer haben ein 70 % höheres Risiko für starke Kopfschmerzen oder Migräne. Möglicherweise liegt das beeinflussten Magnesiumstoffwechsel, aber eine hohe Magnesiumzufuhr änderte nichts. Weitere Forschung ist nötig, um einen möglichen Zusammenhang aufzuklären.
Quelle:
Slavin M et al. Use of Acid-Suppression Therapy and Odds of Migraine and Severe Headache in the National Health and Nutrition Examination Survey. Neurol Clin Pract. 2024 Jun. doi: 10.1212/CPJ.0000000000200302.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney