Sporttherapie bei Depression sollte eigentlich Teil der Regelversorgung werden. Nun macht der G-BA aber einen Rückzieher – und nimmt seine Empfehlung zurück. Ein Schritt gegen alle bisherigen Erkenntnisse?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine Kurzzusammenfassung.
Viele Depressionsbehandlungen setzen mittlerweile auch auf Sport. In der Regelversorgung landet die Sporttherapie bei Depressionen allerdings vorerst trotzdem nicht: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im März 2024 einen Beschluss vom September 2023 zurückgenommen, „der einen unmittelbaren Transfer der Sporttherapie in der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung vorsah.” Widerspricht das nicht allen bisherigen Erkenntnissen?
Vorausgegangen waren die Ergebnisse einer viermonatigen Sporttherapie bei leichter und mittelschwerer Depression hinsichtlich der Wirksamkeit im Vergleich zur Psychotherapie im Projekt STEP.De. Trotz überzeugender erster Ergebnisse mit positiven Tendenzen fehlte sechs Monate nach Interventionsende der Nachweis für eine Überlegenheit der begleiteten Sporttherapie. Weitere Forschung soll klären, ob eine psychotherapeutisch begleitete Sporttherapie eine alleinige Psychotherapie teilweise ersetzen kann.
Derweil bestätigt eine aktuelle Studie den positiven Einfluss von Sport auf die psychische Gesundheit: In JAMA Pediatrics wurde kürzlich eine Studie veröffentlicht, bei der in Taiwan die Fitness von Kindern und Jugendlichen mittels 800-Meter-Lauf, Sit-ups/Rumpfbeugen und Standweitsprung untersucht wurde. Das Ergebnis war eindeutig: Geringere sportliche Betätigung führt zu vermehrtem Auftreten von depressiven Symptomen, Angststörungen und ADHS. Oder andersherum: Je besser der Fitnesszustand, desto geringer das Risiko für viele psychische Krankheiten.
Aus medizinischer Perspektive ist es schwer nachvollziehbar, dass der Sportunterricht an vielen Schulen immer mehr vernachlässigt wird. Die Bedeutung des Schulsports wird von der Politik unterschätzt. Die Versäumnisse in jungen Jahren durch Reduzierung der wöchentlichen Schulsportstunden, Bereitstellung von Sporthallen für Unterkunftzwecke und Einschränkungen des Vereinssports durch Ganztagsunterricht werden unserer Gesellschaft in Zeiten vermehrter Bewegungsarmut durch Handy-, Laptop- und PC-Nutzung in Zukunft zunehmend Probleme bereiten, die von Ärzten und Psychologen aufgefangen werden sollen.
Die S3-Leitlinie für die Behandlung von Depression empfiehlt, wie auch die WHO, wöchentlich 150 Minuten moderat intensives oder mindestens 75 Minuten intensives Training oder die Kombination von beidem. Zu bevorzugen ist Ausdauertraining, das bisher am häufigsten wissenschaftlich untersucht wurde. Hier eignen sich z.B. Nordic Walking, Joggen, Radfahren und Schwimmen im aeroben Bereich. Auch Krafttraining hat sich als förderlich erwiesen, das an mindestens zwei Tagen in der Woche absolviert werden sollte. Hilfsmittel wie eine Smartwatch oder ein Fitnessarmband unterstützen die Trainingskontrolle, dürfen aber nicht zum Diktat von Trainingsleistungen werden und Stress verursachen.
Wichtig ist es Erkrankte auf ihrem individuellen Level abzuholen: Eine Überforderung gleich zu Beginn wäre bereits das Ende der Sporttherapie. Motivierend sind Aktivitäten zusammen mit einem Freund oder einer Freundin, Bewegung draußen bei Tageslicht in ruhiger Umgebung wie in einem Park und nach absolvierter Bewegungseinheit eine kleine Belohnung, zum Beispiel mit einem Lieblingsgetränk oder -gericht. Bereits eine kurze Bewegungseinheit wie ein Spaziergang kann die Stimmung bessern. Längerfristige Effekte können nur durch regelmäßige und planmäßige körperliche Aktivitäten erreicht werden.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Training bei Depression: Die S3-Leitlinie empfiehlt wöchentlich 150 Minuten moderates oder 75 Minuten intensives Training. Ausdauertraining, wie Nordic Walking, Joggen, Radfahren und Schwimmen, wird bevorzugt, aber auch Krafttraining ist nützlich.
Bildquelle: Steven Lelham, Unsplash