Einfach und ohne Wartezeit mit dem Smartphone gutartige Läsionen oder Nävi von malignen Veränderungen unterscheiden – das wünschen sich viele Patienten. Ärzte stehen dem kritisch gegenüber. Was leisten Apps wirklich?
Online-Tools oder Apps zur Haut-Diagnostik arbeiten anhand zweier ganz unterschiedlicher Prinzipien. Manche nutzen künstliche Intelligenz (KI), um Fotos zu bewerten. Andere sind streng genommen der Telemedizin zuzuordnen; die eigentliche Diagnostik liegt in ärztlicher Hand. Wir haben uns ein paar Beispiele aus dem umfangreichen Angebot genauer angesehen.
Hinter AppDoc, einer App für Android- und Apple-Smartphones, stehen unter anderem das Deutsche Krebsforschungszentrum sowie das Universitätsklinikum bzw. das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg. Sowohl in der App als auch in der Web-Version laden Benutzer eine Übersichts- und eine Nahaufnahme der betroffenen Hautregion hoch. Sie beantworten Fragen – etwa zu ihren Beschwerden und den betroffenen Hautstellen – und geben weitere Informationen zu sich selbst.
Nachdem 24,95 Euro bezahlt werden, begutachten Hautärzte am Heidelberger Standort des Unternehmens die Aufnahmen. Innerhalb von 60 Minuten nach dem Einsenden folgt die professionelle Einschätzung inklusive Handlungsempfehlung. Laut Pressemeldung ist dies „der einzige durch eine Ärztekammer geprüfte und zugelassene Online-Hautarzt-Dienst in Deutschland“.
AppDoc wurde anhand von 1.364 Datensätzen wissenschaftlich evaluiert. In 90,3 % der Fälle war eine Ferndiagnose möglich. Meist handelte es sich bei den Hautanomalien um Ekzeme (n = 270) oder Nävi (n = 163). 100 Fälle wurden erneut begutachtet. In 97 % stimmten Diagnosen überein, auch unter Berücksichtigung von Differenzialdiagnosen.
Hinter der App Dermanostic stehen die Hautärzte Dr. Estefanía Lang, Dr. Alice Martin, Patrick Lang und Dr. Ole Martin. Sitz des Unternehmens, das sich selbst als „Europas führende Online-Hautarztpraxis“ bezeichnet, ist Düsseldorf. Per App übermitteln User drei Bilder – aus 30 Zentimetern Entfernung, aus 10 Zentimetern Entfernung und aus einem anderen Winkel. Dazu gibt es ähnlich wie bei AppDoc einen Fragebogen. Nach der Bezahlung von aktuell 25 Euro erhalten Patienten innerhalb von 24 Stunden eine Diagnose. 92 % benötigen danach keinen Hautarztbesuch mehr – ein Privatrezept, soweit nötig, kommt per Post.
Dermatologen begutachten die Aufnahmen; Patienten erhalten einen ausführlichen Arztbrief. Dermanostic bietet außerdem ein Konsilprogramm für Krankenhäuser und Kliniken an. Die Firma kooperiert mit der Universitätsmedizin Göttingen und mit rund 300 niedergelassenen Ärzten in ganz Deutschland.
In einer älteren Bewertung der Stiftung Warentest bekam die App nur ein „Befriedigend“ im Gesamtergebnis. Laut Tester habe ein „schwerer Fehler“ zur Abwertung geführt; Bilder von schwarzem Hautkrebs seien nicht korrekt erkannt worden. Der eigene Test mit einer erwiesenermaßen harmlosen Läsion offenbart keine Schwächen.
First Derm ist eine schwedisch-amerikanische Kooperation. Alexander Börve, der Gründer, hat bereits im Jahr 2008 Ergebnisse einer Pilotstudie veröffentlicht. Sie zeigen – zum damaligen Zeitpunkt eine Novität –, dass Hausärzte anhand von Bildern ihrer Patienten Hautläsionen beurteilen. Seitdem sind technisch gesehen Lichtjahre vergangen.
Patienten laden zwei Bilder hoch und entrichten eine Gebühr (aktuell ab 15 Euro). Anschließend erfolgt eine Begutachtung durch ein Team von Hautärzten innerhalb von 24 Stunden, die eine qualifizierte Einschätzung abgeben. Das Unternehmen denkt allerdings weiter. So gibt es in der App und in der Web-Version auch die Möglichkeit, eine KI Bilder begutachten zu lassen. Auch bietet First Derm ein mit dem Smartphone koppelbares, hier aber nicht selbst getestetes Dermatoskop namens HÜD für den professionellen telemedizinischen Einsatz an.
Rein auf eine Auswertung von Bildern per KI setzt Model Dermatology. Die kostenfreie App, deren Algorithmus frei für Forschungszwecke im Web verfügbar ist, basiert auf den Arbeiten des südkoreanischen Dermatologen und KI-Forschers Han Seung Seog von der 1. Dermatologischen Klinik in Seoul. Er setzt auf Deep Learning zur Bildanalyse. „In einer experimentellen Umgebung, in der die Diagnose ausschließlich anhand klinischer Fotos gestellt wurde, war die Leistung des Algorithmus mit der von Dermatologen vergleichbar“, schreibt der Anbieter. Auch wurde das Tool in verschiedenen Arbeiten weltweit validiert.
Speziell für maligne Melanome, Basalzell- und Plattenepithelkarzinome haben Forscher SkinVision entwickelt. Die App gibt anhand eines Algorithmus Auskunft über ein niedriges, mittleres oder hohes Hautkrebs-Risiko. Doch was sagt die Wissenschaft? Eine retrospektive Studie hat ergeben, dass der Algorithmus eine Sensitivität von 95,1 % zur Erkennung (prä)maligner Anomalien (93 % für das maligne Melanom und 97 % für Keratinozytenkarzinome oder -vorstufen) erreicht. Als Spezifität geben die Autoren 78,3 % an.
Alles in allem waren die hier vorgestellten Tools anwenderfreundlich und haben ihre Aufgaben, wie auf den jeweiligen Websites versprochen, erfüllt.
Unter Laborbedingungen schneiden KI-Algorithmen zur Klassifizierung dermatoskopischer Melanombilder oft besser ab als Ärzte. Die Kombination menschlicher und künstlicher Intelligenz führt oft zu den besten Resultaten. Dem stehen als Einschränkungen gegenüber, dass jede KI nur so gut wie ihr Trainingsdatensatz ist. Dr. Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) weist auf Probleme hin, sollte die Kamera unterschiedlich zoomen oder sollten sich neben der verdächtigen Hautstelle andere Strukturen befinden.
Unabhängig von der Technologie bleibt als Problem, dass Anwender nur Hautstellen fotografieren können, die sie auch sehen. Gerade der Rücken, in den Achseln oder unter den Füßen wird das schwierig.
Bildquelle: Nick Fancher, Unsplash