Oft wird zur Abklärung eines TB-Verdachts zu Interferon-gamma-release-assays gegriffen. Doch ist das überhaupt sinnvoll? Die Leitlinie sagt: Nein. Wann sich der IGRA trotzdem lohnt, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Die Tuberkulose ist in Deutschland eine seltene Erkrankung. Im Jahr 2022 wurde eine leicht steigende Inzidenz der Tuberkulose (TB) von 4,9 Fällen pro 100.000 Einwohner verzeichnet. Dieser Anstieg hängt unter anderem mit globalen Krisen und der Migration aus Hochinzidenzländern für TB zusammen. Mittlerweile sind über 75 % der TB-Fälle in Deutschland auf Patienten zurückzuführen , die im Ausland geboren wurden.
Für die medizinische Versorgung bedeutet das, dass Ärzte differentialdiagnostisch an die TB denken müssen und spezifische Diagnostik einleiten sollten, um eine TB zu sichern. Bei der Verdachtsdiagnose einer TB wird nach dem Röntgen der Lunge im klinischen Alltag häufig nach dem Interferon-gamma-release-assays (IGRA) (QuantiFERON-TB®, T SPOT.TB®) gegriffen. Doch ist das korrekt?
Die Antwort lautet: Nein. Gemäß der S2k-Leitlinie: Bei Tuberkulose im Erwachsenenalter sollte die Diagnose durch den direkten Nachweis von Tuberkuloseerregern mithilfe mikroskopischer, kultureller und molekularbiologischer Verfahren erfolgen. Ein IGRA allein ist nicht ausreichend, um TB sicher nachzuweisen, sondern kann allenfalls als ergänzende Maßnahme in der Diagnostik dienen.
Ein positives Ergebnis im IGRA deutet darauf hin, dass das Immunsystem Kontakt mit dem M. tuberculosis-Komplex hatte. Der Test kann jedoch nicht zwischen einer durchgemachten, latenten oder aktiven Tuberkuloseerkrankung unterscheiden – und sogar bei aktiver TB falsch negativ ausfallen. Eine systematische Überprüfung und Metaanalyse ergab eine kombinierte Sensitivität von 81 % bis 92 % für kulturell bestätigte aktive Lungentuberkulose. Das bedeutet, dass etwa 8 % bis 19 % der Patienten mit aktiver Tuberkulose ein negatives IGRA-Ergebnis aufweisen können.
In einer kürzlich durchgeführten internationalen, multizentrischen, retrospektiven Studie der Tuberculosis Network European Trial Group (TBNET) wurde nach Risikofaktoren gesucht, die mit einem negativen IGRA bei aktiver TB in Verbindung stehen. Die Studie umfasste Patienten aus 25 Zentren, von denen für die finale Analyse 221 Tuberkulosepatienten mit negativem IGRA und 442 Kontrollen mit positivem IGRA eingeschlossen wurden. Dabei wurden der QuantiFERON-TB® und der T SPOT.TB® getrennt betrachtet.
Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen, bei denen Immundefizienz, disseminierte TB, extrapulmonale TB, bestehende Tuberkulosetherapie und inhalativer Tabakkonsum als Risikofaktoren für einen falsch negativen IGRA bei aktiver TB identifiziert wurden, konnte in der vorliegenden Studie lediglich ein höheres Alter als signifikanter Risikofaktor festgestellt werden, und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit dem QuantiFERON-TB® und nicht mit dem T SPOT.TB®. Es sei darauf hingewiesen, dass Kinder nicht in diese Studie eingeschlossen wurden.
Bisher bleibt unklar, warum einige Personen mit aktiver TB ein negatives IGRA-Ergebnis aufweisen und es bedarf weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen. Für den klinischen Alltag ist es wichtig zu beachten, dass ein negativer IGRA eine aktive TB nicht ausschließen kann.
Der Stellenwert der IGRA in der Diagnostik der latenten Tuberkulose ist derzeit hoch. Bei der latenten Tuberkulose tragen Patienten lebensfähige Tuberkulosebakterien in sich, doch aufgrund eines intakten Immunsystems kommt es nicht zu einer aktiven Erkrankung. Diese latente Phase kann über Jahre hinweg bestehen bleiben. Die latente Tuberkulose (LTBI) wird durch ein positives Ergebnis eines IGRA oder des Tuberkulin-Hauttests definiert.
Doch wer sollte nun auf eine LTBI getestet werden? Gemäß den Leitlinien wird empfohlen, Kontaktpersonen von ansteckenden Lungentuberkulosefällen zu testen, ebenso wie Personen mit HIV-Infektion und zusätzlichen Risikofaktoren, sowie Personen, die sich einer Therapie mit TNF-Inhibitoren oder anderen Biologika und JAK-Inhibitoren unterziehen sollen. Des Weiteren sollten Personen mit schweren Grunderkrankungen, die eine intrinsische und iatrogene Immunsuppression verursachen (beispielsweise hämatologische Systemerkrankungen wie Lymphome und Leukämien), Personen vor einer geplanten oder nach einer Organ- oder hämatologischen Transplantation und Personen aus Ländern mit hoher Tuberkuloseprävalenz bei nachgewiesener LTBI eine präemptive Therapie erhalten. Es ist jedoch wichtig, vor Beginn einer präemptiven Therapie immer eine aktive TB auszuschließen.
Durch globale Krisen und die daraus resultierende fortgesetzte Migration sowie den zunehmenden Einsatz von immunsuppressiven Medikamenten in Deutschland wird die latente Tuberkulose auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von großer Bedeutung sein. In diesem Zusammenhang hat der IGRA einen erheblichen Nutzen.
Bildquelle: Getty Images, Unsplash