Die Darm-Haut-Achse wurde bisher kaum beachtet. Dabei könnten in Probiotika neue Therapien für Hautkrankheiten schlummern. Was dahinter steckt, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Wenn der Darm gesund ist, wirkt sich das positiv auf den gesamten Organismus aus. Bereits im frühen 20. Jahrhundert haben Forscher herausgefunden, dass der Darm sogar die Haut beeinflusst. Während die Verbindung zwischen Darm- und Gehirn in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten hat, stand die Darm-Haut-Achse bisher eher weniger im Fokus.
Doch die Darm-Haut-Achse könnte zukünftig eine Rolle bei der Behandlung von Hauterkrankungen spielen. So wird das Darmmikrobiom mit häufigen Hauterkrankungen wie Ekzemen, Neurodermitis, Rosazea, Psoriasis und Akne in Verbindung gebracht. Der Zusammenhang zwischen Akne und den in und auf dem Menschen lebenden Bakterien ist besonders gut untersucht. Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen der psychischen Gesundheit, dem Darm und der Hautgesundheit, der als Darm-Haut-Gehirn-Achse bekannt ist. Psychische Gesundheitsprobleme wie Angstzustände und Depressionen treten häufig neben chronischen Hauterkrankungen wie Akne auf und Stress ist ein wichtiger Auslöser von Akne. Bei der Stressreaktion wird Cortisol in den Blutkreislauf ausgeschüttet. Es kann sich an Rezeptoren in der Haut binden, was zu einer erhöhten Talgproduktion und Entzündungen führt. Stress kann auch indirekt Hauterkrankungen auslösen, indem er eine Dysbiose im Darm verursacht. Diese Störung des Darmmikrobioms kann die Darmpermeabilität erhöhen und den Darm durchlässiger machen. Wie eine Dysbiose soll auch der „Leaky Gut“ zur Entstehung von dermatologischen Krankheiten beitragen können. Probiotika könnten dem entgegenwirken.
Akne ist eine häufige Hauterkrankung, die Teenager und Erwachsene betrifft. Cutibacterium acnes (C. acnes, früher Propionibacterium acnes) gilt als Schlüsselfaktor bei der Entstehung von Akne und reguliert Entzündungs- und Immunprozesse. Eine Dysbiose des Hautmikrobioms könnte eine Rolle bei der Entstehung von Akne spielen. Antibiotika können bei Akne vulgaris zwar helfen und C. acnes zurückdrängen, allerdings gibt es zunehmend resistente Stämme und zudem sind die Nebenwirkungen der Arzneimittel zu bedenken. Probiotika könnten der Besiedelung mit schädlichen Bakterien entgegenwirken und die Hautflora wieder ins Gleichgewicht bringen. Für orale Probiotika wie Lactobacillus, Bifidobacterium, Lactococcus und die Hefeart Saccharomyces boulardii liegt allerdings nur eine geringe Anzahl an Studien vor. Die überschaubare Zahl eingeschlossener Patienten mit Akne, die mit oralen Probiotika behandelt wurden, lässt derzeit keine belastbaren Schlussfolgerungen über deren Wirksamkeit bei Akne zu.
Dennoch sind einige Ergebnisse interessant. So können orale Probiotika im Experiment die Freisetzung entzündlicher Zytokine in der Haut regulieren. Hier gibt es insbesondere Hinweise, dass Lactobacillus- und Bifidobacterium-Stämme entzündungsfördernde Zytokine verringern und entzündungshemmende Zytokine erhöhen (hier und hier).
Dass orale Probiotika gegen Akne wirken können, ist keine neue Erkenntnis. Bereits 2010 zeigten Wissenschaftler zum Beispiel in einer Studie mit 56 Akne-Patienten, dass der Konsum eines mit Lactobacillus fermentierten Milchgetränks die klinischen Aspekte der Akne über einen Zeitraum von 12 Wochen verbesserte. Insbesondere führte der Konsum probiotischer Getränke zu einer deutlichen Verringerung der Gesamtzahl der Läsionen in Verbindung mit einer deutlichen Verringerung der Talgproduktion. Da die lokale Belastung durch Lipidperoxidation bei Akne hoch ist und daher offenbar ein großer Bedarf an Antioxidantien besteht, könnte die Fähigkeit oraler Probiotika, systemischen oxidativen Stress zu begrenzen, ebenfalls ein therapeutischer Wirkmechanismus sein.
Da bei Krankheiten wie Akne augenscheinlich auch das Hautmikrobiom aus dem Gleichgewicht geraten ist, ist der Gedanke naheliegend, die Dysbiose gleich lokal mit topischen Probiotika zu beseitigen. Obwohl es bisher nicht viele klinische Studien zu topischen Probiotika gibt, deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass sie das Hautbild bessern und schädliche Bakterien wie C. acnes zurückdrängen können.
Der vermutlich erste Bericht zu einer topischen Bakteriotherapie (durch lokale Anwendung von Lactobacillus bulgaricus) bei Akne und Seborrhoe wurde 1912 veröffentlicht. Konkretere Ergebnisse gab es erst Ende des letzten Jahrtausends. Damals zeigten Forscher zum Beispiel, dass das Milchsäurebakterium Streptococcus thermophilus – eine Art, die in den meisten Joghurts vorkommt – die Ceramidproduktion steigern kann, wenn es sieben Tage lang als Creme auf die Haut aufgetragen wird.
Eine Studie aus 2022 ergab, dass eine topische Anwendung bestimmter Laktobazillenstämme das Hautmikrobiom positiv verändert und Akneläsionen bei Menschen mit leichter bis mittelschwerer Akne reduziert. Die Teilnehmer verwendeten 8 Wochen lang täglich eine topische Anwendung von Lacticaseibacillus rhamnosus GG, Lactobacillus plantarum WCFS1 und Lactiplantibacillus pentosus KCA1, mikroverkapselt in einer Creme. Die Forscher berichteten am Ende der Studie über eine signifikante Verringerung der entzündlichen Akneläsionen.
Bei aller Euphorie ist es wichtig zu bedenken, dass die Wirksamkeit probiotischer Hautpflege wissenschaftlich noch nicht belegt ist. Einige Studien zeigen positive Effekte, andere nicht. Die individuelle Reaktion kann variieren. Möglicherweise kann anstelle zukünftiger teurer innovativer Hautpflegeprodukte auch eine simple Joghurt-Gesichtsmaske helfen. Wird diese mit Naturjoghurt, der lebende Mikroorganismen enthält, angefertigt, könnten enthaltene probiotische Lactobacilli-Bakterien das Hautmikrobiom auf natürlichem und preisgünstigem Weg unterstützen.
Bildquelle: Isabell Winter, Unsplash