Zugsalben sind der Kassenschlager in Apotheken, um Wunden von Eiter zu befreien. Verantwortlich für den guten Ruf: Filaggrin und Laminin. Was die beiden Proteine können, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Zugsalben, auch als Ziehsalben bekannt, haben in der Behandlung von Abszessen und entzündlichen Hauterkrankungen eine lange Tradition und werden in der Apotheke immer wieder verlangt, wenn es um die Behandlung kleinerer Eiteransammlungen geht, die unter der Hautoberfläche liegen.
Doch neben ihrer entzündungshemmenden und antibakteriellen Wirkung – wie genau schaffen es diese Salben, den Eiter „herauszuziehen“ und an die Oberfläche zu befördern? Diese Frage wird ab und an in der Offizin von Kunden gestellt und ich erkläre es immer gerne, denn ich musste ebenfalls zuerst einmal recherchieren. Die Antwort auf diese Frage liegt in der speziellen Zusammensetzung und Wirkungsweise der Inhaltsstoffe.
Zugsalben enthalten häufig den Wirkstoff Ammoniumbituminosulfonat (ABS), welcher der Salbe die charakteristische Schwarze Farbe und den charakteristischen Geruch verleiht. Dieser Wirkstoff wird aus Ölschiefer gewonnen, ist reich an organischen Schwefelverbindungen und hat eine Reihe medizinisch wertvoller Eigenschaften: er wirkt durchblutungsfördernd, entzündungshemmend, schmerzlindernd und antibakteriell.
Ihre Wirkung, den Eiter „herauszuziehen“, basiert auf einer komplexen Interaktion zwischen Wirkstoff und Hautstruktur. Besonders interessant ist die Art und Weise, wie schwarze Zugsalben die Hautstruktur auflockern und so den Abfluss von Eiter ermöglichen. Neueste Untersuchungen an 3D-Hautmodellen bieten dazu aufschlussreiche Einblicke. 3D-Hautmodelle bestehen aus einer Kollagenmatrix mit eingebetteten Fibroblasten als Dermis und darüberliegend eine vollständig differenzierte Epidermis, die alle wesentlichen Hautschichten (Stratum basale, Stratum spinosum, Stratum granulosum und Stratum corneum) umfasst. Im folgenden Hautmodell wurde die Kollagenmatrix dabei von Fibroblasten selbst produziert. Diese Modelle sind besonders wertvoll für die realistische Untersuchung der Hautreaktionen auf topische Behandlungen, da sie ohne zusätzliche externe Matrixquellen, wie sie beispielsweise aus Rattenschwänzen gewonnen werden, auskommen und somit näher an die menschliche Hautstruktur heranreichen. Zudem können 3D-Hautmodelle die Möglichkeit bieten, weitgehend in vivo Bedingungen ohne Tierversuche abzubilden.Credit: DocCheck
In der Untersuchung wurde die Wirkung von ABS auf die Hautstruktur getestet. Es zeigte sich, dass der Wirkstoff eine konzentrationsabhängige Auflockerung der Haut bewirkt, welche das Eindringen des Wirkstoffs in tiefere Hautschichten erleichtert. Das ist entscheidend für die Behandlung tiefer Entzündungen wie Abszesse und Furunkel. Die Epidermis wird durch verschiedene Strukturproteine wie Keratin, Filaggrin, Involucrin und Laminin zusammengehalten. Diese Proteine sorgen für Stabilität und Integrität der Haut. Die genannte Studie zeigte, dass die Behandlung mit ABS-Salben zu einer Reduktion von Strukturproteinen führt, was zur Auflockerung der Haut beiträgt.
Filaggrin ist wesentlich für die Struktur und Barrierefunktion der Epidermis. Die Behandlung mit ABS-Salben führte zu einer konzentrationsabhängigen Reduktion von Filaggrin. Dies führt zu weniger stark vernetzten Keratinfilamenten und erleichtert das Eindringen des Wirkstoffs. Das Protein Involucrin spielt eine Schlüsselrolle in der Differenzierung und Bildung der Zellhülle in der Epidermis. ABS-Salben reduzierten die Involucrin-Expression, was ebenfalls zur Auflockerung der Haut beitrug. Laminin ist ein wichtiges Glykoprotein der Basalmembran und für die Gewebeintegration und -stabilität verantwortlich. Die Studie zeigte, dass hohe Konzentrationen von ABS zu einer deutlichen Verringerung der Lamininexpression und zur Trennung der Dermis von der Epidermis führten.
Die erhöhte Hautpermeabilität nach der Behandlung mit ABS wurde durch die Anwendung des Fluoreszenzfarbstoffs Lucifer Yellow nachgewiesen. Während der Farbstoff bei unbehandelten Hautmodellen auf der Oberfläche verblieb, drang er bei mit ABS behandelten Modellen bis in tiefere Hautschichten ein. Dies zeigt, dass die Hautstruktur durch ABS aufgelockert wird, dass der Wirkstoff leichter und tiefer eindringen kann.
Die Fähigkeit von schwarzen Zugsalben, die Hautstruktur zu lockern und den Eiterfluss zu erleichtern, ist also auf eine Reihe komplexer biochemischer Interaktionen zurückzuführen. Die Auflockerung der Haut und die Reduktion von Strukturproteinen wie Filaggrin und Laminin sind wesentliche Mechanismen, die den Erfolg von Zugsalben bei der Behandlung tiefer Hautentzündungen ausmachen.
Für die praktische Anwendung bei der Beratung von Patienten bedeutet dies, dass Zugsalben in verschiedenen Konzentrationen zielgerichtet eingesetzt werden können:
Die Erkenntnisse aus den 3D-Hautmodellen bestätigen jedenfalls die klinische Beobachtung und die jahrelange Erfahrung der Patienten, dass Zugsalben durch die Lockerung der Hautstruktur und die Erhöhung der Permeabilität effektiv zur Heilung tiefer Hautentzündungen beitragen. Die Wirkweise der Zugsalbe basiert also auf einer Kombination aus auflockernder, durchblutungsfördernder, entzündungshemmender und antibakterieller Wirkung. Durch diese Mechanismen wird der Eiter schneller und effizienter an die Hautoberfläche befördert, was den Heilungsprozess bei Abszessen und anderen entzündlichen Hauterkrankungen unterstützt.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney