Reitpferd Eddie hat einen „Käsefuß“. Schnell ist der Tierärztin klar: Das ist Huf- bzw. Strahlkrebs. Wie man ihn behandelt und wie es mit Eddie weitergeht, lest ihr hier.
Eigentlich hätte Eddie, das neue Pferd von Familie E., nur geimpft werden sollen. Bei einem Impftermin zeigt die Besitzerin mir dann aber besorgt seinen Huf, und ich runzle die Stirn. Wie Eddies Huf aussieht und wie es zu dieser Entzündung der Lederhaut (Pododermatitis chronica verrucosa sive migrans) kommt, lest ihr in Teil eins. Nun widmen wir uns der Diagnosestellung, Therapie und Prognose. „Was machen wir denn jetzt?“, fragt mich Frau E., als ich ihr von der Erkrankung berichte.
Die beobachteten Veränderungen ließen keinen Zweifel zu, dass es sich bei den Veränderungen an Eddie’s Hufen um Strahlkrebs handelte. Der Nachweis von zugrundeliegenden Keimen oder Pilzen gelingt selten und ist für die Therapie unerheblich, da gleichwohl der Einsatz von Antibiotika nach wie vor umstritten ist.
Ich erkläre der Besitzerin, dass es viel wichtiger ist, das betroffene, veränderte Gewebe zu entfernen, gar rigoros abzutragen. Mitunter kann es hierbei zu starken Blutungen kommen. Das Abtragen kann in leichten Fällen zunächst mit einer Schälpaste (Novaderma®, WDT) oder – wenn dies nicht zum gewünschten Effekt führt – chirurgisch erfolgen. Eine Studie berichtet zudem über einen positiven Effekt für den begleitenden Einsatz medizinischer Maden. Für die chirurgische Intervention ist zumindest eine Palmarnervenanästhesie, wenn nicht gar das Ablegen des Pferdes unter Allgemeinanästhesie in einer Klinik erforderlich. Hinterher werden die betroffenen Stellen mit Salben bestehend aus Tannin, Bismut und Salicylsäure oder Iodoform, Zinkoxid und Eichenrinde aufgetragen und abgedeckt durch einen Druckverband auf der freigelegten Lederhaut unter einem Deckeleisen belassen.
Vorn links, gut nachgeschnittener Strahl mit enger mittlerer Strahlfurche und käsigen Auflagerungen. Credit: Susanne Pichon
Ist keine Lahmheit zu verzeichnen, sollte das Pferd gearbeitet werden, da hierdurch die Heilung gefördert wird. Der Verband muss regelmäßig in kurzen Abständen kontrolliert und erneuert werden. Gleichwohl muss das nachwachsende Gewebe gepflegt werden. Hierfür eignet sich das Auftragen von ätherischen Ölen. Die Aufstallung in eine saubere und trockene Umgebung versteht sich von selbst. Ein Nutzen durch die Verfütterung von Schwefel, Zink, Biotin, Vitamin K, Kupfer und Cystin ist wissenschaftlich nicht bestätigt. Da der Hufkrebserkrankung eine immunologische Komponente zugeschrieben wird und sie Auswirkungen einer Lederhautentzündung darstellt, kann die orale Gabe von Glukokortikoiden über drei Wochen (mit wöchentlich absteigender Dosierung) versucht werden. Über das Risiko für die Entstehung einer Hufrehe ist der Besitzer aufzuklären.
Bei Eddie haben wir uns letztlich aufgrund einer mittelgradigen Ausprägung der Symptome zunächst für eine konservativer Therapie entschieden. Die Besitzerin hat nach kurzer Einweisung täglich den Verband gewechselt und das veränderte Gewebe so gut es ging abgetragen. Hiernach trug sie eine ätzende Hufpaste aus Zinkoxid (50 Teile), Zinkchlorid (5 Teile) und Aqua dest. (45 Teile) auf und beließ diese für je 24 Stunden unter dem Verband.
Nach drei Wochen: Vorn links (links) und hinten rechts (rechts): es trocknet aus und heilt langsam. Credit: Susanne Pichon
Innerhalb von einem Monat haben wiederkehrende Verlaufskontrollen stattgefunden, in denen der weitere Fortgang besprochen wurde. In der ersten Zeit zeigte sich eine deutliche Verbesserung (siehe Bilder) bis der Erfolg aber letztlich nach etwa vier Wochen stagnierte. Nach wie vor waren immer wieder Inseln aus feuchten, käsigen Massen in der mittleren Strahlfurche auffällig.
Deshalb wurde vereinbart, einen Hufschmied hinzuziehen, der bei einem gemeinsamen Besuch eine radikale, chirurgische Abtragung des noch verbliebenen Horns nach vorheriger Leitungsanästhesie vornehmen soll. Die Hufe sollen hiernach weiterhin unter Druckverband bleiben und anschließend mit einem Deckeleisen versorgt werden. Sollte es durch diese Maßnahmen trotzdem nicht zu einer vollständigen Ausheilung kommen, hat die Besitzerin einer oralen Therapie mit Glukokortikoiden zugestimmt. Über mögliche Nebenwirkungen wurde sie informiert.
Hufkrebs ist eine schwere, fortschreitend-destruktive Erkrankung mit hoher Rezidivrate, die am besten zu heilen ist, wenn die Therapie in einem noch frühen Stadium einsetzt. Trotzdem zeigen gut ausgeheilte Pferde i.d.R. nach zweieinhalb Jahren ein Rezidiv. Eine Goldstandardtherapie für Hufkrebs gibt es nicht. Vielmehr muss auf Schwere und Ausprägung im individuellen Fall eingegangen und die Therapie entsprechend angepasst werden. Neben einer begleitenden oralen Gabe von Glukokortikoiden muss eine Optimierung der Haltungsbedingungen unbedingt erfolgen, ohne die eine Linderung ausgeschlossen ist. Über Art und Länge der Therapie sowie ihre hierdurch entstehenden hohen Kosten sind die Besitzer betroffener Pferde vor Beginn der Behandlung hinreichend aufzuklären.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Symptome bei Eddie nach dem gemeinsamen Besuch von Hufschmied und Tierarzt entwickeln und ob hierdurch letztlich eine Ausheilung erreicht werden kann. Fraglich in diesem Zusammenhang ist jedoch, wie ein Pferd mit diesen deutlichen, pathognomonischen Befunden eine Kaufuntersuchung ohne Beanstandung bestehen konnte. Das zeigt abermals überdeutlich, dass bei der Kaufuntersuchung auch die Überprüfung der Hufgesundheit in den Ablauf mit einzubeziehen ist – will sich der durchführende Tierarzt nicht Haftungsansprüchen gegenüber verantworten müssen.
Quellen:
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