Ansteckende Depression, Einfluss des BMI auf die Behandlungsresistenz und Antidepressiva-Entzugserscheinungen. Diese Themen gibt’s hier im Schnelldurchlauf.
Könnten sich psychische Krankheiten in engen Gemeinschaften wie Schulklassen ausbreiten? Eine finnische Kohortenstudie mit 713.809 Teilnehmern (mittleres Alter zu Beginn der Nachbeobachtung: 16,1 [IQR, 15,9–16,4] Jahre; 50,4 % waren männlich) hat jetzt untersucht, ob der Kontakt zu Mitschülern mit psychischen Erkrankungen bei Schülern der neunten Klasse das Risiko für spätere psychische Diagnosen beeinflusst. Die Ergebnisse zeigen, dass Schüler, die mindestens einen Klassenkameraden mit einer psychischen Erkrankung hatten, später häufiger selbst eine solche Diagnose erhielten. Besonders betroffen waren Krankheitsbilder wie Depression, Angstzustände und Essstörungen. Das erhöhte Risiko blieb auch nach Bereinigung um eine Reihe von Störfaktoren auf elterlicher, schulischer und regionaler Ebene bestehen.
Das Risiko war im ersten Jahr der Nachbeobachtung am höchsten, mit einem Anstieg von 9 % für einen diagnostizierten Klassenkameraden und einem Anstieg von 18 % für mehr als einen diagnostizierten Klassenkameraden. „Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass psychische Störungen innerhalb von Peer-Netzwerken von Jugendlichen übertragen werden können“, so die Wissenschaftler. Weitere Forschung ist jedenfalls notwendig, um die Mechanismen hinter dieser Übertragung besser zu verstehen und geeignete Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.
In Deutschland erkranken ca. 6 Millionen Menschen im Laufe eines Jahres an einer unipolaren oder anhaltenden depressiven Störung. Dabei sind Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Ungefähr ein Drittel aller Depressions-Patienten leidet an einer behandlungsresistenten Depression (treatment-resistant depression, TRD). Schon lange wird vermutet, dass Therapieresistenz vererbbar sein könnte. Jetzt hat eine Studie untersucht, welchen Einfluss genetische Faktoren auf TRD haben.
Mehr als 150.000 Patienten wurden in eine genomweite Assoziationsstudie einbezogen. Die Forscher konnten dabei signifikante genetische Überschneidungen zwischen TRD, ADHS und Schizophrenie feststellen. Außerdem interessant: Je niedriger der BMI, desto wahrscheinlicher war eine Therapieresistenz.
Entzugserscheinungen von Antidepressiva sind ein wichtiges Thema der Depressionsforschung – aber bisher gibt es keine verlässlichen Zahlen. Jetzt haben deutsche Forscher eine erste Meta-Analyse dazu in The Lancet Psychiatry veröffentlicht. Dabei wurden Daten von über 20.000 Probanden aus 79 Studien untersucht. 31 % der Studienteilnehmer berichteten von Symptome nach dem Absetzten von Antidepressiva, 2,8 % hatten schwere Symptome, im Vergleich zu 17 % und 0,6 % bei Placebo. Unterschiedliche Antidepressiva schnitten dabei unterschiedlich ab. Keinen Unterschied konnten die Forscher jedoch bei der Art der Absetzung (sukzessive oder abrupt) feststellen. Die Studie unterliegt allerdings einigen Einschränkungen und methodischen Ungereimtheiten.
„In dieser Meta-Analyse werden ganz unterschiedliche Studiendesigns in ganz unterschiedlichen Indikationen zusammengewürfelt. Zahlreiche Studien erhoben Entzugssymptome nicht einmal systematisch und die Dauer der Antidepressiva-Vergabe variierte zwischen 1 und 156 Wochen“, so Prof. Katharina Domschke, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg. Dennoch würden die Ergebnisse Großteiles den bisherigen klinischen Erfahrungen entsprechen – mit einer entscheidenden Ausnahme. „Es ist sehr überraschend, dass kein Unterschied bezüglich des Auftretens von Absetzsymptomen nach langsamer Dosisverminderung im Gegensatz zu abruptem Absetzen gefunden wurde. Dies wäre definitiv zu erwarten gewesen und widerspricht der gängigen klinischen Praxis und Leitlinienempfehlungen“, ergänzt Prof. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz.
Bildquelle: Yoal Desurmont, unsplash