Ein Protein, das die Entstehung von Krebs antreibt. Ein zweites Protein, das die schädliche Aktivität des ersten unterdrückt: Das könnte neue Wege für die Therapie eröffnen, wie eine Forschungsgruppe nun aufzeigt.
Krebserkrankungen entstehen durch Veränderungen im Erbgut, die letzten Endes ein unkontrolliertes Wachstum von Zellen auslösen. Bei einem Großteil aller Tumore des Menschen ist das MYC-Gen so verändert, dass es übermäßig aktiv ist. Als Folge davon produzieren die Tumorzellen viel zu viele Myc-Proteine. „Wir wissen aus zahlreichen Versuchen, dass erhöhte Mengen an Myc das Zellwachstum steigern, den Stoffwechsel verändern und ganz wesentlich zur Tumorentstehung beitragen“, sagt Professor Martin Eilers, Krebsforscher am Biozentrum der Universität Würzburg. Was genau bewirken die Myc-Proteine? Sie binden sich im Zellkern ans Erbgut und sorgen dafür, dass Gene aktiviert werden. Weil sie in Tumorzellen in einer „Überdosis“ vorliegen, regulieren sie dort aber ganz andere Gene als in normalen Zellen – mit fatalen Folgen. „Dieses Muster der Genaktivierung ist für einzelne Tumore sehr spezifisch. Es erlaubt sogar Aussagen darüber, wie aggressiv ein Tumor ist, und es ermöglicht Prognosen über den weiteren Verlauf der Krankheit“, sagt Eilers.
Insgesamt kennt man einige hundert Gene, die in Tumorzellen von Myc-Proteinen aktiviert werden. Tatsächlich aber binden die Myc-Proteine an Zehntausende von Genen. Warum setzen sie sich an so vielen Genen fest, aktivieren aber nur einige davon? Was genau macht den Unterschied zwischen Bindung und Aktivierung aus? Diese Frage konnte die Wissenschaft bisher nicht beantworten. Mehr Klarheit in dieser Frage bringen jetzt neue Forschungsergebnisse aus der Universität Würzburg. Eine Forschergruppe hat herausgefunden, dass die Myc-Proteine in Tumorzellen nicht immer alleine an die Gene binden. Meist stehen sie dabei in einer engen Verbindung mit einem Partnerprotein (Miz1). Wo Myc alleine ein Gen aktiviert, passiert bei den Proteinen im Doppelpack genau das Gegenteil: Die Genaktivierung wird unterdrückt.
Die Forscher interpretieren das als Abwehrreaktion: „Offensichtlich erkennen die Zellen, dass sie zu viel Myc herstellen, und versuchen, dem Stress, der aus diesem übermäßigen Wachstumssignal entsteht, entgegenzusteuern.“ Damit entstehe in Tumorzellen ein für jedes Gen leicht unterschiedliches Gleichgewicht aus Aktivierung und Unterdrückung. Daraus wiederum ergeben sich die charakteristischen Genaktivierungsmuster, die Tumorzellen von normalen Zellen unterscheiden. Zuviel Myc erzeugt Stress in Tumorzellen. Die Bilder zeigen Zellen des Pankreas. Links sind Kontrollen gezeigt, rechts Myc-exprimierende Zellen. Eine rote Färbung zeigt zellulären Stress an. © Daniel Murphy
Diese neue Erkenntnis ist laut Eilers nicht nur für die Grundlagenforschung interessant: „Wir können nun Gene identifizieren, die spezifisch nur in Tumoren, nicht aber in normalen Zellen, abgelesen werden“, erklärt der Professor. Das liefere neue Angriffspunkte für die Therapie. Originalpublikation: Activation and repression by oncogenic Myc shape tumour-specific gene expression profiles Susanne Walz et al.; Nature, doi: 10.1038/nature13473; 2014