Im Herbst gibt’s neue Corona-Impfstoffe. Doch dieses Jahr setzt sich die FDA erstmals über die Empfehlungen ihrer Berater hinweg. Was hat es damit auf sich?
Ein Text von Dr. Jens Bathmann
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Am Donnerstag, den 13.6., hat die FDA über die Zusammensetzung des Corona-Impfstoffs im Herbst entschieden. Die Entscheidung wird praktisch weltweit gelten, da die Produzenten einheitlich für den Weltmarkt produzieren und sich an der FDA-Empfehlung orientieren. Über die Entscheidung war lange gerungen worden. Die FDA setzte sich zum ersten Mal bei der Festlegung des Corona-Impfstoffs für die nächste Saison über die Empfehlung seines eigenen Beratungskomitees (VRBPAC) hinweg und revidierte zudem seine eigene Entscheidung vom 7.6..
Denn noch am Freitag, den 7.6., hatte die FDA nach 2 Tagen längerer Diskussion seines Beratungskomitees den Herstellern einheitlich einen monovalenten Impfstoff, der die Variante JN.1 enthält, empfohlen. Die Sitzung des Komitees war – um hierzu neueste Daten berücksichtigen zu können – bereits zuvor extra um 3 Wochen verschoben worden. In der aktualisierten Entscheidung empfiehlt man nun einen Impfstoff der Linie JN.1, der „wenn machbar“ die Variante KP.2 enthalten soll. Denn während die Variante JN.1 zunächst alle anderen Varianten verdrängt hatte, sind es mittlerweile neuere Abkömmlinge dieser Linie (wie KP.2 und vor allem KP.3), die gerade beginnen dominant zu werden (s. Abbildung)
Anteile der Corona-Varianten, die derzeit in den USA zirkulieren. Credit: CDC Covid Tracker
Hintergrund der Formulierung „Wenn machbar“ sind die unterschiedlichen Produktionsprozesse, die den Herstellern von mRNA-Vakzinen kürzere Vorlaufszeiten ermöglichen als den Herstellern herkömmlicher Impfstoffe – dies ist auch der Grund, warum über die Zusammensetzung der Corona-Impfstoffe später entschieden wird als über die der Influenza-Impfstoffe der kommenden Saison.
Mit der aktualisierten Empfehlung ist es einerseits dem einzigen Hersteller eines upgedateten Protein-Impfstoffs Novavax möglich, wie geplant im Herbst seinen JN.1-basierten Impfstoff auf den Markt zu bringen; der Zulassungsantrag wurde bereits letzten Freitag bei der FDA eingereicht. Andererseits können die Hersteller von mRNA-Impfstoffen wie Pfizer und Moderna im Herbst eine andere auf KP.2 basierende Version auf den Markt bringen. Laut Angaben der Hersteller und der FDA sei dies ohne wesentliche Verzögerung möglich.
Bemerkenswert hieran ist, dass die FDA mit dieser Entscheidung erstmals von der Empfehlung eines einheitlichen Antigens bei den SARS-CoV2-Impfstoffupdates abweicht. In den letzten beiden Jahren und bei der Begründung der nun revidierten Entscheidung vom 7.6. gab es noch das Argument, dass man die Verbraucher nicht verunsichern wolle. Für die Revision der eigenen Entscheidung spricht, dass damit eine schnellere Reaktion der mRNA-Vakzin-Hersteller auf die Variantenentwicklung möglich ist und gleichzeitig aktualisierte Nicht-mRNA-Impfstoffe erhältlich sein werden.
Die praktische Relevanz der Unterschiede in der Wahl des Antigens (ob JN.1 oder KP.2 ) dürfte in diesem Jahr gering sein. Denn wie bei der Diskussion im Rahmen der Tagung des Beratungskomitees festgestellt wurde:
Für Europa und Deutschland ist nach Anträgen bei und Zulassung durch die EMA zu erwarten, dass die JN.1 und KP.2-Impfstoffupdates voraussichtlich im September zur Verfügung stehen dürften. Zudem ist erstmals auch das Update eines Protein-Impfstoffs vor der Herbstsaison erwartbar – letztes Jahr war dieser in der EU erst im Dezember verfügbar. Dies ist nicht zuletzt für Ärzte von Risikopatienten, die eine Skepsis gegenüber mRNA-Impfstoffen oder diese schlecht vertragen haben, von Bedeutung.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
FDA im Alleingang: Die FDA hat erstmals die Empfehlungen ihres Beratergremiums ignoriert und selbst über die Zusammensetzung der neuen Corona-Impfstoffe entschieden.
Neue Varianten, neue Impfstoffe: Die aktualisierte Empfehlung umfasst Impfstoffe, die sowohl die Variante JN.1 als auch, wenn möglich, die aufkommende Variante KP.2 enthalten sollen.
Flexibilität bei den Herstellern: Während Novavax weiterhin auf JN.1 setzt, können mRNA-Impfstoffhersteller wie Pfizer und Moderna flexibel auf KP.2 umsteigen, um schneller auf neue Varianten zu reagieren.
Bildquelle: Steven Cornfield, Unsplash