Ob Knie, Nacken oder Rücken – ältere Menschen mit muskuloskelettalen Schmerzen haben ein höheres Risiko für kognitiven Verfall. Bringt’s also was, gezielt den Schmerz in Angriff zu nehmen?
Weltweit leiden etwa 1,7 Milliarden Menschen an Erkrankungen des Bewegungsapparats, schätzt die WHO. Schmerzen und verminderte Funktionalitäten schränken die Lebensqualität stark ein. Doch damit nicht genug: Ältere Erwachsene mit muskuloskelettalen Schmerzen haben auch einen schnelleren kognitiven Verfall und ein höheres Demenzrisiko als Kontrollen. Es gibt Hinweise, dass bei chronischen Schmerzen Gehirnstrukturen vorzeitig altern, etwa über eine Hirnatrophie oder über erhöhte Spiegel an Entzündungsmarkern. Veränderungen der Telomerlänge der Leukozyten wurden ebenfalls nachgewiesen.
Credit: Xie Rui
Schon im Jahr 2022 haben Forscher die Gehirnalterung bei orthopädischen Schmerzpatienten untersucht. Ihre Teilnehmer waren im Mittel knapp 58 Jahre alt. Sie litten an leichten (n=95) oder an starken Knieschmerzen (n=53). Hinzu kamen schmerzfreie Kontrollpersonen (n=26).
Die Probanden mussten Angaben zu ihren Schmerzen machen. Gehirn-MRTs und Blutuntersuchungen sollten weitere Einblicke liefern. Anhand von DNAmGrimAge, einem Biomarker-Tool, das mit DNA-Methylierungsmustern arbeitet, schätzten Wissenschaftler das biologische Alter von Teilnehmern im Vergleich zu ihrem chronologischen Alter ein. Sie fanden heraus, dass Schmerzen die biologische Gehirnalterung forcieren können.
Doch die Arbeit hat ihre Limitationen. Sie schließt nur wenige Personen mit spezifischen Schmerzmustern ein: Grund genug, das Thema in einer großen Kohorte zu untersuchen.
Anhand von MRT-Strukturdaten von mehr als 9.000 Personen haben Forscher jetzt ein Modell entwickelt, um das Hirnalter mit dem chronologischen Alter zu vergleichen. Eingeschlossen wurden Patienten mit Nackenschmerzen (n=528), Rückenschmerzen (n=591), Hüftschmerzen (n=326), Knieschmerzen (n=982), Gonarthrose (n=161) und gesunde Kontrollen (n=6.725).
Sie fanden heraus, dass Patienten mit Gonarthrose – und nur sie – eine schnellere Gehirnalterung aufweisen als gesunde Personen. Was für ihre Erkenntnis spricht, ist, dass der Zusammenhang sowohl in der UK Biobank, einer große Langzeit-Biobankstudie aus dem Vereinigten Königreich, als auch in einem weiteren Datensatz (133 Patienten, 59 Kontrollen) Bestand hatte. Typisch waren Veränderungen im Hippocampus als prognostische Marker für höhere Demenzrisiken im Alter.
Forscher haben anhand neuronaler MRT-Daten von mehr als 9.000 Personen gezeigt, dass Kniearthrose mit Demenz in Verbindung steht (Bild A-C; HC: gesunde Kontrollen; KOA: Kniearthrose). Sie fanden auch ein spezifisches Risikogen (Bild D). Credit: Yiheng Tu
Auch die Genetik war Thema der Studie. Als gemeinsame Verbindung zwischen Gonarthrose und der beschleunigten Hirnalterung konnten Wissenschaftler das Gen SLC39A8 identifizieren. Es zeigt eine Pleiotropie zwischen beschleunigter Hirnalterung und Gonarthrose. Pleiotropie bedeutet, dass ein Gen mehr als eine phenotypische Eigenschaft beeinflusst. Das betrifft hier Mikrogliazellen und Astrozyten einerseits und Nerven in der Gelenkkapsel andererseits.
„Wir haben nicht nur die Besonderheiten der beschleunigten Alterung des Gehirns bei Patienten mit Gonarthrose aufgedeckt“, sagt Yiheng Tu, korrespondierender Autor der Studie. Gleichzeitig sei es gelungen, einen Marker für die Alterung des Gehirns zu identifizieren, der künftigen Gedächtnisverlust und ein erhöhtes Demenzrisiko prognostizieren könne. Tu jedenfalls hofft auf neue Früherkennungs- und Interventionsstrategien zur Bekämpfung von Demenz: ein Thema für weitere Studien.
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