Erst Reflux, dann Krebs? Damit es nicht soweit kommt, sollte ein Barrett-Ösophagus optimal behandelt werden. Doch müssen Zellveränderungen immer sofort entfernt werden oder kann man auch abwarten?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Beim Barrett-Ösophagus treten Zellveränderungen der Speiseröhre auf, die Vorstufen für eine Krebserkrankung, das Ösophagus-Adenokarzinom sein können. Dabei haben sich die Zellen von normalen Plattenepithelzellen in abnormale Zylinderepithelzellen verändert. Diese können zu einer Dysplasie fortschreiten, aus der sich wiederum Krebszellen entwickeln können. Die Zellveränderungen führen zu keinen wahrnehmbaren Symptomen.
Die Diagnostik erfolgt mithilfe einer Endoskopie der Speiseröhre und einer Biopsie. Bei der Behandlung wird das veränderte Gewebe mit Methoden der endoskopischen Eradikationstherapie (EET), meist gefolgt von einer Ablation des übrigen Barett-Ösophagus-Gewebes, minimalinvasiv entfernt. Bei einer Ablation können die Radiofrequenzablation (RFA) oder die Kryoablation eingesetzt werden, bei denen das veränderte Gewebe mittels Hitze bzw. Kälte zerstört wird.
Ein Risikofaktor für den Barrett-Ösophagus ist die gastroösophagale Refluxkrankheit (GERD). Sie geht mit Symptomen wie Aufstoßen, Sodbrennen, Brennen hinter dem Brustbein, Schluckstörungen und dem Zurückströmen von Speisebrei in den Mund einher.
Nun hat die American Gastroenterological Association (AGA) eine neue, evidenzbasierte Leitlinie zum klinischen Umgang und zur Therapie des Barrett-Ösophagus veröffentlicht. Sie ist in der Zeitschrift Gastroenterology erschienen und stellt ein Update der bisherigen Leitlinie dar. Die Autoren plädieren für einen patientenzentrierten Ansatz, bei dem die Patienten gut informiert und in die Entscheidung über das weitere Vorgehen einbezogen werden.
Die wichtigsten Empfehlungen lauten:
„Bei einer höhergradigen Dysplasie ist der Nutzen einer endoskopischen Eradikationstherapie klar“, sagt Dr. Tarek Sawas. Er ist zweiter Erstautor der Leitlinie und Assistenz-Professor am Department für Innere Medizin der University of Texas Southwestern (USA). „Bei einer niedriggradigen Dysplasie schlagen wir dagegen vor, dass Arzt und Patient die Entscheidung für oder gegen eine endoskopische Therapie gemeinsam treffen. Zuvor sollten die kurz- und langfristigen Vorteile und Risiken einer EET ausführlich besprochen werden. Bei der Entscheidung sollten die medizinischen Befunde und auch die Präferenzen und Werte des Patienten berücksichtigt werden.“ Für Patienten, die mögliche Nebenwirkungen der Behandlung höher und die – möglicherweise ungewissen – Vorteile einer endoskopischen Therapie weniger stark gewichten, seien regelmäßige Kontrollen eine angemessene Option.
Wann immer möglich, sollte eine EMR bevorzugt werden, weil sie mit weniger Nebenwirkungen und einem geringeren Risiko für Komplikationen verbunden ist als eine ESD. „Mögliche Risiken beider Methoden sind Blutungen und Perforationen. Dadurch kann es zu Narbenbildung und einer Verengung der Speiseröhre kommen, die zu Schluckstörungen führen können“, erläutert Dr. Joel Rubenstein. Er ist Erstautor der Studie und Direktor des Barrett’s Esophagus Program an der University of Michigan (USA). „Bei einer EMR ist jedoch das Risiko für Perforationen und Narbenbildung geringer.“
Weiterhin empfiehlt die Leitlinie:
Insgesamt sind etwa 0,5 bis 10 % der Bevölkerung von einem Barrett-Ösophagus betroffen – Männer doppelt so häufig wie Frauen. Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung liegt bei 55 Jahren. Patienten mit einer Refluxkrankheit haben ein erhöhtes Risiko: Von ihnen entwickeln fünf bis 15 % einen Barrett-Ösophagus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich daraus ein Karzinom entwickelt, beträgt 0,10 bis 0,15 % pro Jahr. Die Häufigkeit des Ösophagus-Adenokarzinoms hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen: Sie hat sich von den 1970er Jahren bis in die 2010er Jahre verfünffacht.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Diagnose per Endoskopie: Die Zellveränderungen beim Barrett-Ösophagus verursachen meist keine Symptome. Die Diagnose wird mittels Endoskopie und Biopsie gestellt, wobei sich normale Zellen in potenziell krebsvorbereitende Zylinderepithelzellen verwandeln.
Therapie-Taktik: Bei hochgradiger Dysplasie empfiehlt die neue Leitlinie eine sofortige endoskopische Eradikationstherapie (EET) mit anschließender Ablation. Bei niedriggradiger Dysplasie entscheidet das Team aus Arzt und Patient gemeinsam, ob beobachtet oder gehandelt wird. Hier sind Teamwork und gründliche Abwägung der Vor- und Nachteile gefragt.
Lifestyle-Check: Wer Patienten mit Barrett-Ösophagus hat, sollte dazu raten, den Reflux im Griff zu behalten, Zigaretten zu meiden und überflüssige Kilos loszuwerden. Diese Maßnahmen senken das Krebsrisiko und verbessern den Krankheitsverlauf. Die Leitlinie rät zu einem gesunden Lebensstil und regelmäßigen Kontrollen.
Bildquelle: Muhammad Raffi, Unsplash