Die STIKO empfiehlt eine RSV-Impfung für alle Säuglinge – so weit, so gut. Doch wir Kinderärzte werden mal wieder mit der zusätzlichen Arbeit alleingelassen. Der größte Zeitfresser: Die Aufklärung der Eltern.
Mit dem aktuellen Bulletin der Ständigen Impfkommission hat die STIKO die passive Impfung gegen das RS-Virus für alle Säuglinge ab dieser Saison empfohlen. Und dies unabhängig von Risikofaktoren und für alle Kinder, die seit April 2024 geboren wurden und damit ab Herbst ihre erste RSV-Saison erleben. Die Umsetzung wird mal wieder für Entbindungs- und Kinderkliniken, sowie für die Niedergelassenen eine Herausforderung.
Das RS-Virus ist ein hochinfektiöser Erreger, der hinter vielen Infekten im Kindesalter in Herbst und Winter steckt. Für größere Kinder ist er nicht gefährlich, verursacht grippeähnliche Symptome, einen nervigen Husten, das Ganze dauert eine gute Woche. Eltern kennen diese Abläufe von anderen Erkältungskrankheiten. Besonders betroffen sind jedoch Untereinjährige, insbesondere mit Vorerkrankungen. Sie erwischt das RSV oft sehr schwer – mitunter angesteckt innerhalb der Familie – , sie bekommen Atemnot und Hustenattacken, der Allgemeinzustand ist deutlich reduziert, viele Kinder wollen nicht richtig trinken oder essen, so manche landen im Krankenhaus. Eine finnische prospektive Studie fand eine kumulative Inzidenz von 328 pro 1.000 Kinder (bei einem Geschwisterkind erhöht sich das Risiko ums Doppelte), für die Hospitalisierung eine Inzidenz von 22 pro 1.000 erkrankter Kinder.
Seit der Coronazeit haben die Kinder- und Jugendmediziner drei sehr heftige RSV-Saisons erlebt. Viele Säuglinge sind erkrankt, viele wurden hospitalisiert. Es gibt zwar bereits eine passive Immunisierung gegen RSV, bei der Autoantikörper gespritzt werden, jedoch war die bisherige Gabe nur Risikokindern vorbehalten (Extrem-Frühgeborene, Kinder mit Herzerkrankungen oder Trisomien). Der bisher zur Verfügung stehende Impfstoff Palivizumab (Handelsname Synagis®) musste zudem einmal pro Monat während der RSV-Saison verabreicht werden (Oktober bis März).
Vor ein paar Jahren wurde ein neuer Impfstoff Nirsevimab (Handelsname Beyfortusr®) entwickelt, auch dieser besteht aus passiven Antikörpern gegen das Virus, muss aber nach Studienlage nur einmal vor der Saison geimpft werden und wirkt ein gutes halbes Jahr, um die Risikozeit einer Infektion zu überbrücken. Erkranken die Kinder später, verläuft die Infektion viel milder.
Die neue Empfehlung
Credit: STIKO-Bulletin vom 27.06.2024
Eine neue Impfempfehlung der STIKO ist ja immer das eine, die Umsetzung des Ganzen wieder etwas ganz anderes. Das durften wir ja schon bei der letzten neuen Empfehlung, der Meningokokken B-Impfung (für alle Kinder bis zum 5. Geburtstag) durchlaufen: Es bleibt eine logistische Aufgabe und – doch, auch das – eine finanzielle Aufgabe.
Allgemein wird es so sein, dass wir erneut einen hohen Aufwand haben werden, die RSV-Impfung den Eltern zu erklären. Nicht alle sind informiert, um was es da überhaupt geht. Wer ältere Kinder hat, schon gar die, die bereits eine RSV-Erkrankung in der Familie durchlaufen haben, werden sich sicher schnell entscheiden. Für alle anderen: Was ist RSV? Warum ist die Impfung so wichtig? Warum schon gleich nach Geburt impfen? Insbesondere „Erstlingseltern“, bei denen wir sehr behutsam das Thema Impfungen im Allgemeinen besprechen, werden nicht begeistert sein, dass sie bereits im Wochenbett mit einer Impfung ihres Neugeborenen konfrontiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass bereits Hebammen und Gynäkologen während der Schwangerschaft entsprechende Aufklärungsarbeit betreiben.
Impfung bei U2, nach Geburt: Ein Neugeborenes ist kein eigener Patient in der Entbindungsklinik, die Abrechnung der gesamten Leistungen (Blutabnahmen, Screenings, Testungen, U2) sind Teil der Pauschalen für die Entbindung. Nun soll eine Impfung implementiert werden. Der Impfstoff muss vorrätig sein, eine Aufklärung muss erfolgen, die Impfung selbst muss durchgeführt werden. Wer übernimmt hierfür die Kosten?
In manchen Kliniken werden die U2-Untersuchungen von einer anhängigen Kinderklinik durchgeführt. Erfolgt die Abrechnung dann im Innenverhältnis zwischen den Abteilungen? Ist die Kinderklinik für die Beschaffung des Impfstoffs zuständig oder die Frauenklinik? In anderen Kliniken ist die U2 eine Konsilleistung von niedergelassenen Ärzten, die dafür gesondert, oft durch eine Pauschale pro U2, entlohnt werden. Der Aufwand einer Impfung mit Aufklärung wird die Zeit für die Vorsorgeuntersuchung vermutlich verdoppeln. Das muss honoriert werden.
Impfung nach U2, bei den niedergelassenen Ärzten: Ich hatte das bei der Meningokokken B-Impfung schon geschildert. Eine STIKO-Empfehlung bedeutet nicht automatisch eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen, der Impfstoff lässt sich nicht über Sprechstundenbedarf beziehen (sondern namentlich auf das einzelne Neugeborene), es gibt keine Abrechnungsziffer. Solange wird auch die neue RSV-Impfung eine individuelle Gesundheitsleistung sein, deren Kosten zunächst die Eltern übernehmen müssen, über Kostenerstattung kann die Krankenkasse für die Aufwendungen aufkommen, muss sie aber nicht.
Eine neue passive Impfung gegen das RS-Virus wird von der STIKO empfohlen. Alle Säuglinge sollen sie ab Geburt erhalten. Das ist gut. Der Kostendruck eines stationären Aufenthaltes eines Säuglings mit RSV-Infektion (oft mit Intensivstation), ganz abgesehen von den medizinischen Risiken, macht diesen Schritt nachvollziehbar. Geklärt werden müssen nun Logistik und Kostenübernahmen. Und: Wie werden die Eltern die neue Impfung annehmen?
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