Die Volkskrankheit Osteoporose kann zu Knochenbrüchen führen, die für Betroffene schwerwiegende Folgen haben und das Gesundheitssystem stark belasten können. Das Lebenszeitrisiko, eine osteoporotische Fraktur zu erleiden, wird in Industrieländern auf ca. 30 bis 40 % geschätzt.1 In den allermeisten Fällen sind Personen über 50 Jahren betroffen, Frauen deutlich häufiger als Männer.1
Über die Knochenstoffwechselerkrankung hinaus haben viele Osteoporose-Patient:innen – oft auch altersbedingte – Begleiterkrankungen.1 In einer deutschen Studie, der Daten einer Gesundheitsumfrage des Robert Koch-Instituts zugrunde lagen, waren 8,7 % der Teilnehmer im Alter von über 50 Jahren von einer Osteoporose betroffen.1 Von diesen Personen litt nahezu jede an einer Begleiterkrankung, rund zwei Drittel hatten mindestens drei weitere Diagnosen.1 Im Vergleich dazu hatten Personen ohne Osteoporose-Diagnose deutlich seltener Begleiterkrankungen (lediglich rund 80 %).1
Forschende aus Australien fanden heraus, dass multimorbide Osteoporose-Patient*innen mit bestehender Fraktur und deutlich erhöhtem Frakturrisiko deutlich seltener einer gezielten Osteoporose-Diagnostik zugeführt wurden: Die Wahrscheinlichkeit, dass Osteoporose-Patient*innen mit moderatem oder hohem Multimorbiditätsindex eine DXA-Knochendichtemessung angeboten wurde, war um 27 bis 53 % geringer im Vergleich zu einer nur leicht multimorbiden Kontrollgruppe.2 Insbesondere Demenz und Diabetes waren mit einer geringen Wahrscheinlichkeit für eine DXA-Messung assoziiert.2 Bei Herzrhythmusstörungen, Nierenerkrankungen und Schlaganfall zeigte sich ein entsprechender Trend.2
Auch eine spezifische Osteoporose-Behandlung wurde bei stark multimorbiden Patient*innen seltener eingeleitet.2 Hier zeigte sich ein besonders deutlicher Geschlechterunterschied: Bei hochgradig multimorbiden Männern war die Wahrscheinlichkeit einer Behandlung um 63 %, bei Frauen um 31 % geringer als in der Vergleichsgruppe.2 In beiden Geschlechtern war Diabetes mellitus mit geringer Behandlungswahrscheinlichkeit assoziiert.2 Speziell bei Frauen waren es Demenz und Magengeschwüre, bei Männern Schlaganfall und Nierenerkrankungen.2
Abb. 1: Zusammenhang zwischen chronischen Begleiterkrankungen und Einleitung einer Osteoporose-Behandlung in der Hochrisiko-Gruppe. CCI = Charlson Comorbidity Index (2 und 3: moderat; 4: hoch). Mod. nach Bliuc D, et al. PLoS Med. 2023.2
Nicht zuletzt ging mit Multimorbidität ein signifikant erhöhtes Frakturrisiko einher: Bei moderatem Multimorbiditäts-Index betrug die Hazard Ratio (HR) zwischen 1,18 (Frauen) und 1,24 (Männer), bei hohem Index zwischen 1,56 und 1,53 im Vergleich zur Kontrollgruppe.2
Die Ergebnisse der australischen Studie mögen nicht 1:1 auf die Situation in Deutschland übertragbar sein. Dennoch lassen sie vermuten, dass die Osteoporose deutlich unterschätzt und nicht ausreichend diagnostiziert und behandelt wird, wenn andere Krankheiten im Fokus stehen.2 Der Zustand von Patient*innen könnte sich jedoch durch Frakturfolgen weiter verschlechtern.2 Insbesondere bei Patient*innen mit Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen oder Demenz ist die Osteoporose-Behandlungslücke groß.2
Begleiterkrankungen spielen in der Osteoporose-Diagnostik eine wichtige Rolle und sollten bei der Einschätzung des Frakturrisikos laut S3-Leitlinie unbedingt abgeklärt werden. Zum Beispiel rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus und Demenz/Morbus Alzheimer gehören neben weiteren Erkrankungen zu den bekannten Faktoren, die das Frakturrisiko deutlich erhöhen.3
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