Ein erster Aufschlag zu einer möglichen Pflegereform und ein Update zum gestern abgesegneten Medizinforschungsgesetz: Diese und weitere News erwarten dich in den heutigen Bites.
Nun macht er es doch: Noch in der aktuellen Legislaturperiode möchte Gesundheitsminister Lauterbach eine Pflegereform auf den Weg bringen. „Wir werden nach der Sommerpause ein Konzept vorlegen“, so Lauterbach. „Die Probleme sind groß, aber sie sind lösbar und werden auch in Kürze angegangen.“ Neben der immer älter und pflegebedürftiger werdenden Bevölkerung scheinen auch die prognostizierten Zahlen Überzeugungsarbeit geleistet zu haben. So rechnet der GKV-Spitzenverband mit Defiziten von 1,5 Milliarden Euro für 2024 und 3,4 Milliarden Euro für 2025. Was das für die Versorgung bedeuten könnte, beschreibt Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler: „Die Pflegeversicherung steht vor dem Kollaps, die Zuzahlungen und Eigenbeiträge überfordern viele tausend pflegebedürftige Menschen. Weiter abzuwarten, verbietet sich.“
Einen ersten Schritt hin zur Reform legte der nun vorgestellte Bericht der Bundesregierung „Zukunftssichere Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung“. Darin beschrieben werden Finanzierungsvarianten, die den Bedarf bis 2060 decken sollen. Um genau zu sein: Zwei Teilversicherungsoptionen und zwei Vollversicherungsvarianten. Daneben gibt der Minister zu bedenken, dass das – ebenfalls in Planung befindliche – Gute-Herz-Gesetz mitsamt der Stärkung der Prävention auch die Zahl an Pflegebedürftigen künftigen senken könne.
Kritik kommt von einer Reihe von Verbänden, die andere Ansätze verfolgen und den Sachstandsbericht der Regierung als wenig hilfreich deklarieren. Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds: „Die Lösung ist die Pflegekasse für alle, die von allen gemeinsam finanziert wird. Die Pflegebürgervollversicherung muss endlich kommen!” Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK unterstützt den Ansatz: „Der VdK fordert den Umbau der Pflegeversicherung, die derzeit eine Zuschussversicherung ist, hin zu einer Vollversicherung, die alle pflegebedingten Kosten deckt. Investitionskosten der Heime müssen von den Ländern getragen werden, Ausbildungskosten müssen steuerfinanziert sein.“ Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, fordert indes, wohlhabende Senioren stärker zur Kasse zu bitten.
Nach 26 angenommenen Änderungsanträgen hat sich der Gesundheitsausschuss gestern auf eine Novelle des Medizinforschungsgesetz geeinigt. Der Verabschiedung im Plenum heute Nachmittag sollte danach kaum mehr etwas im Weg stehen. Bis zuletzt standen insbesondere die geheimen Erstattungsbeträge im Fokus. „Nahezu alle Akteure der Selbstverwaltung lehnen die Einführung von Geheimpreisen und den damit verbundenen Rückschritt in puncto fairer Erstattungsbedingungen und einem eingespielten Abrechnungssystem ab“, betont Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Dass sie entgegen allen fachlichen Argumenten nun doch vom Bundestag beschlossen werden, ist eine herbe Enttäuschung.“ Die Kassenvertreterin spielt damit auf die nun wohl finale Regelung an, dass die „Möglichkeit vertraulicher Erstattungsbeträge bei patentgeschützten neuen Arzneimitteln“ bis 2028 befristet eingeführt wird. Weitere Einschränkung an die Pharmaseite: Es sollen „nur jene Pharmafirmen zur Geheimhaltung der Preise berechtigt sein, die mit einer Arzneimittelforschungsabteilung in Deutschland vertreten sind und zudem „relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland“ nachweisen können.
Eine weitere Stärkung der Pharma-Industrie, bzw. für die verbesserte „Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten“, ist die Befreiung der Hersteller von Zusatzrabatten und Preisdeckeln, die seit 2022 bestehen. Für die Kassenseite steht fest, dass die Aufweichung der AMNOG-Leitplanken einen politischen Kurswechsel bedeutet – weg von den Zielen Einsparungen und Nutzenorientierung im Preis hin zu Wirtschaftsförderung.
Weitere Änderungen betreffen die Verankerung von Mustervertragsklauseln zur Durchführung klinischer Prüfungen, die Besetzung der Ethik-Kommission durch Vorschläge der obersten Landesgesundheitsbehörden sowie eine straffere Koordination und Taktung von Studiengenehmigungsverfahren. Auch wenn die Industrie einige Punkte positiv aufnimmt, herrscht keine Jubelstimmung wie die Einordnung durch Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), zeigt: „Die AMNOG-Leitplanken sind aber für alle betroffenen AMNOG-Arzneimittel hoch problematisch, da sie Forschungsanreize zerstören. Auch die „vertraulichen“ Erstattungsbeträge werden durch die ergänzenden Regelungen sehr unattraktiv.“
Der Bundesgesundheitsminister ist vor der Sommerpause im Reform-Rausch. Weil in Kliniken und Praxen Not am Mann ist? Auch, aber nicht nur. Viel eher müssen die Entwürfe bis September in erster Lesung im Bundestag sein, anderenfalls können diese nicht vor den Neuwahlen umgesetzt werden. Als nächstes auf der Agenda: Die Notfallreform. Erst Anfang Juni veröffentlichte das BMG dazu einen aktuellen Referententwurf. Dieser soll nun durchgepeitscht werden, so dass die Reform Anfang 2025 in Kraft treten kann.
Ziel ist, die Notaufnahmen zu entlasten und den stationären Bereich zu stabilisieren, unter anderem durch die Einrichtung integrierter Notfallzentren (INZ), die eine Notaufnahme mit einer KV-Notdienstpraxis kombinieren. Die KBV kritisiert dies, da es die niedergelassenen Ärzte überlasten könnte. „Über eine grundlegende Notfallreform muss diskutiert werden. Mit den Vorschlägen aus dem BMG wird sie aber nicht funktionieren. Hier bedarf es erheblicher Anpassungen. […] Der Entwurf, der jetzt auf dem Tisch liegt, steht für ein Übermaß an zusätzlicher Bürokratie, eine unzureichende und zu vage gehaltene Refinanzierung sowie unrealistische Fristen. Viele neue Aufgaben, die im BMG ersonnen wurden, sind gar nicht umsetzbar. Dazu gehört beispielsweise die Einrichtung eines flächendeckenden Fahrdienstes rund um die Uhr parallel zur Regelversorgung“, erklärt KBV-Chef Andreas Gassen.
Zudem sollen die Notrufnummern 112 und 116117 verknüpft werden, um eine effizientere Patientensteuerung zu ermöglichen. Bundesweit standardisierte Ersteinschätzungen und telemedizinische Angebote sind weitere Maßnahmen. Auch eine Novelle der Rettungsdienste ist vorgesehen, wobei die medizinische Leistung und der Transport getrennt und über das SGB V abgerechnet werden sollen.
Bildquelle: Erstellt mit Midjourney