Infektionen machen den Erfolg endoprothetischer OPs schnell zunichte. Kürzlich befassten sich Experten beim 15. EFORT-Kongress mit Neuerungen. Sie berichten von Innovationen rund um Diagnostik, Therapie und Prävention, damit Patienten Revisionseingriffe erspart bleiben.
Endoprothesen-Infektionen gelten als gefürchtete Komplikationen bei orthopädischen Eingriffen. Auslöser sind Bakterien des eigenen Körpers, der Luft oder des Operationssaals. Selbst Jahre nach dem Eingriff können Infekte der Haut, des Zahnfleischs sowie der Harnwege zu Gelenkinfektionen führen. Dazu einige Fakten:
Postoperative Infektionen treten bei etwa 0,7 Prozent aller Knieprothesen-OPs und 1 Prozent aller Hüftprothesen-OPs auf, fanden Wissenschaftler am European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) heraus. Jeder 200. Fall endet laut ECDC sogar tödlich. Beim 15. Kongress der European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) in London präsentieren Wissenschaftler detaillierte Zahlen aus einer groß angelegten Kohortenstudie. Dr. Piotr Kasina vom Karolinska Institutet hatte zwischen 1996 und 2005 insgesamt 3.807 Fälle am Stockholmer Allgemeinen Krankenhaus Süd untersucht. Etwa 2,8 Prozent aller Prothesengelenksentzündungen traten infolge sekundärer Frakturprothetiken auf, falls Operateure Schwierigkeiten mit einer internen Fixation hatten. Dann folgten Patienten, die aufgrund einer Fraktur erstmals prothetisch versorgt wurden (2,1 Prozent). Bleiben noch Operationen infolge von Abnutzungserscheinungen – hier lag das Risiko gerade einmal bei 0,8 Prozent. Infektionen stellen Ärzte vor große Herausforderungen: Nur bei 40 Prozent aller Betroffenen gelang es, pharmakotherapeutisch zu intervenieren. Bei 42 Prozent musste das betroffene Gelenk entfernt und durch eine Resektionsarthroplastik ersetzt werden. Und jeder zehnte Betroffene schluckt sein Leben lang Antibiotika, so Kasina weiter. Laut seinen Untersuchungen sind vor allem Staphylococcus aureus und Koagulase-negative Staphylokokken schuldig im Sinne der Anklage.
Bleibt zu klären, welche Risikofaktoren bei Hüft- und Kniegelenksendoprothesen relevant sind. Dr. Lazaros Poultsides, New York, wertete Daten von fast 18.000 Patienten aus, die am Hospital for Special Surgery operiert worden waren. Bei 0,64 Prozent traten Infektionen auf, und vier Prozent davon waren tiefe Infektionen – eine vergleichsweise geringe Zahl, um statistisch signifikante Aussagen zu treffen. Zumindest identifiziert Poultsides mögliche Risikofaktoren wie Erkrankungen der Nieren, der Lungen, Wunddehiszenzen oder Infektionen zu früheren Zeitpunkten. Inwieweit Fremdbluttransfusionen gefährlich sind, diskutieren Orthopäden kontrovers. Autoren einer weiteren Veröffentlichung nahmen Daten von 530.089 Patienten unter die Lupe. Sie machten eher Alter und Komorbiditäten für unerwünschte Ereignisse verantwortlich als Blutkonserven.
Um schnell zu intervenieren, sind verlässliche Diagnosen wichtig. Beim EFORT-Kongress stellte Professor Dr. Mathias Glehr von der Universitätsklinik Graz neue Biomarker vor. Mit Procalcitonin (PCT) und Interleukin-6 (IL-6) fand er Parameter, um periprothetische Gelenkinfektionen bei einer Revisionsendoprothetik nachzuweisen. Er verglich entsprechende Laborwerte bei 84 Patienten hinsichtlich der Sensitivität und Spezifität mit konventionell genutzten Biomarkern wie dem C-reaktiven Protein (CRP) und dem Leukozytenspiegel. Glehr bestätigte, CRP sei der beste Indikator, um Infektionen nachzuweisen. Bei nicht eindeutigen Diagnosen rät er, PCT und IL-6 mit heranzuziehen. Einen weiteren Ansatz hat Jan Maarten van Dijl entwickelt. Er markierte das Antibiotikum Vancomycin mit Fluoreszenzfarbstoffen und spritze sein Konstrukt Mäusen. Dank einer Videokamera, die Fluoreszenzsignale aufzeichnet, konnte er Ort und Ausmaß der Infektion feststellen: für Operateure eine Möglichkeit, schnell und gezielt einzugreifen.
Bleibt als Strategie, neue Wege im Kampf gegen Infektionen einzuschlagen. Professor Dr. Manfred Köller und Dr. Christina Sengstock vom Klinikum Bergmannsheil haben jetzt ein erprobtes Prinzip der Natur imitiert: Gelangen Keime auf die Flügel von Zikaden, bleiben sie an Nanosäulen haften. Aufgrund mechanischer Spannungen nimmt die bakterielle Membran irreversibel Schaden. Entsprechende Strukturen lassen sich aus Titan nachbilden. In einem Test mit Fluoreszenzfarbstoffen prüften Wissenschaftler, ob verschiedene Keime nanostrukturierte Oberflächen besiedeln. Dabei wurde vor allem Escherichia coli dezimiert. Im Rasterelektronenmikroskop wiesen Köller und Sengstock Schäden der Zellwand nach. Jetzt arbeiten sie an Oberflächen, um weitere Pathogene zu dezimieren, allen voran Staphylococcus aureus. In Nanomaterialien stecken aber noch weitere Potenziale. Vielleicht lassen sich Oberflächen bald so modifizieren, dass sie Zytokine freisetzen und Makrophagen aktivieren. Viele Studien laufen jedoch erst an. Gerade bei Nanomaterialien sind Sicherheitsprüfungen unerlässlich.