Ein junger Mann kommt fiebrig in die Notaufnahme, er klagt über Glieder- und Kopfschmerzen. Als ich höre, dass seine Temperatur zwischendurch immer mal sinkt und dann wieder steigt, werde ich als Tropenmediziner hellhörig.
Dienstag in der Notaufnahme. Alarme klingeln, ein randalierender Patient, laute Diskussionen, Lachen und Weinen, Türen knallen – alles vermischt sich zu einem betäubenden Nebel. Ich stehe seit sieben Stunden non-stop in der Ambulanz und muss mich konzentrieren – eine weitere RTW-Besatzung steht vor mir:
„Neuaufnahme, junger Mann mit 40°C Fieber.“ „Stabil?“, frage ich. „Ja, Puls 120/min, aber Druck und Sättigung sind gut.“ Ich entscheide: „Alles klar, in die 9“.
Der Patient kommt aus Indien, ist aber schon viele Wochen in Deutschland. Er fühlt sich unspezifisch krank, hat Gliederschmerzen und Kopfschmerzen, aber nichts klar Fassbares. Nur das Fieber. Es begann vor etwa zwei Wochen, erst unregelmäßig. Doch dann, seit einer Woche, mit einem merkwürdigen Muster. Auf regelmäßig über 40°C folgen zwei fieberfreie Tage. Ich werde hellhörig. „Ach ja, ich hatte vor 6 Monaten mal Malaria und hab dann drei Tage Tabletten bekommen“.
Das klingt verdächtig nach Malaria tertiana. Ich lasse neben dem Aufnahmelabor Blut- und Urinkulturen abnehmen und mache einen Röntgen-Thorax (nicht, dass noch eine anderweitige Infektion dahintersteckt). Im Ausstrich kommt dann die Bestätigung: Plasmodium vivax – Bingo!
Plasmodium Vivax – eine Malaria Tertiana.
Zeit, über Malaria zu sprechen! Ein paar gängige Mythen habe ich kürzlich schon entzaubert (hier zu lesen) – heute gibt es die wichtigsten Infos zu Diagnostik und Therapie.
Malaria wird durch nachtaktive Anopheles Stechmücken übertragen. Eine Übertragung über Blut oder in der Schwangerschaft ist ebenfalls möglich. Es gibt dabei 4 relevante Formen der Malaria, die sich fundamental voneinander unterscheiden:
Die verschiedenen Malaria-Formen.
Die erste Regel: Daran denken ist alles. JEDE fieberhafte Erkrankung nach Besuch eines (Hoch-)Risikogebietes ist bis zum Beweis des Gegenteils Malaria. Die Inkubationszeit ist mindestens eine Woche, kann aber bis zu einem Jahr gehen.
Der Goldstandard ist die Untersuchung des Blutes unter dem Mikroskop. Dabei verwendet man zwei Techniken:
Man braucht relativ viel Erfahrung, um die ganzen bizarren Formen, die manchmal wie Kopfhörer oder Bananen aussehen, genau zuzuordnen. Die deutsche Leitlinie empfiehlt zur Sicherheit mehrfache Untersuchungen an verschiedenen Tagen.
Bananen, Kopfhörer und Ufos ... Malaria unter dem Mikroskop.
Was gibt es noch? Schnelltests sind recht zuverlässig bei der Malaria Tropica, bei den anderen Typen deutlich schlechter. Ein einzelner negativer Schnelltest bei klarer Anamnese und Klinik schließt die Diagnose nicht aus! Eine PCR ist sehr genau, aber nicht flächendeckend verfügbar – in den Endemiegebieten spielt sie schon aus finanziellen Gründen kaum eine Rolle.
Jeder kennt die Geschichte: Dank Gin Tonic bekommt man keine Malaria. Also einfach ab in die Bar und alles ist gut?
Malaria – Gin Tonic für Alle?So einfach ist es leider nicht: Chinin kommt in der Chinarinde vor und wurde im 17. Jahrhundert als Malariamittel entdeckt. Chinin wird auch heute noch manchmal bei schwerer Malaria eingesetzt. Früher war Tonic Water, was Chinin enthält, das einzige Mittel gegen Malaria – und dann hat man pragmatisch Gin zugesetzt, um den bitteren Geschmack zu kompensieren. Dennoch eine große Enttäuschung: Gin Tonic schützt nicht effektiv gegen Malaria, die Konzentration ist viel zu gering. Das passende Barkeeper-Hintergrundwissen zum Angeben gibt es hier.
Bei Malaria Tropica (und der ähnlich gefährlichen Malaria Knowlesi) gilt: vor allem schnell sein! Goldstandard sind weiterhin Präparate aus Artemisinin. Dieser Wirkstoff kommt im einjährigen Beifuß vor, der in China, Vietnam & Ostafrika wächst. In den 70er Jahren wurde die Wirkung gegen Malaria entdeckt.
In der Praxis kommt es zunächst auf den Unterschied zwischen komplizierter und unkomplizierter Malaria an – dazu gibt es klinische, laborchemische und parasitologische Kriterien. Die wichtigsten Punkte, die eine komplizierte Malaria definieren, sind Bewusstseins- und Atemstörungen, Blutungen, Oligurie, Hypoglykämie, Azidose, Anämie < 7 g/dl und eine Parasitämie > 5 %. Hier behandele ich intravenös mit Artemisinin-Präparaten, gefolgt von oralen Artemisinin Kombinations-Präparaten (ACT). Achtung: Eine komplizierte Malaria Tropica gehört auf eine infektiologische Wach- oder Intensivstation!
Die unkomplizierte Malaria Tropica wird oral mit ACT behandelt, hier kommen primär Artemether plus Lumefantrin (Riamet®) und Dihydroartemisinin plus Piperaquin (Eurartesim®) zum Einsatz. Atovaquon plus Proguanil (Malarone®) ist ebenfalls möglich. Achtung: Man sollte die teils erheblichen Arzneimittelinteraktionen beachten und ein EKG schreiben (QT-Zeit-Verlängerung)!
Die Malaria Tertiana und Quartana kann man meistens (aber nicht immer) ambulant behandeln. Auch bei der Malaria Tertiana kann es vereinzelt schwere Verläufe geben. Behandelt wird vor allem mit Dihydroartemisinin plus Piperaquin und Artemether plus Lumefantrin. Ganz wichtig: Die Erreger der Malaria Tertiana bilden Hypnozoiten genannte Dauerformen in der Leber, die diese Therapie überleben und zu Rezidiven führen. Daher muss nach der Akutbehandlung immer eine abschließende Therapie mit Primaquin durchgeführt werden – vorher Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel wegen der Gefahr schwerer Hämolysen ausschließen.
Man sieht – trivial ist das nicht. Eine Malaria gehört daher in die Hände von Tropenmedizinern oder Infektiologen.
Nach Therapie mit Artemether und Lumefantrin ging es ihm zunehmend besser und die Parasiten verschwanden letztlich vollständig aus den Ausstrichen. Die Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Aktivität war glücklicherweise normal, so dass ich dann mit Primaquin weiterbehandelt habe. Erstaunlich: In Indien hatte man seine Malaria mit etwas Malarone® behandelt und ihn dann ohne Primaquin und ohne Gin Tonic nach Hause geschickt – das Rezidiv wäre vermeidbar gewesen. Selbst in Endemiegebieten muss man daher genau hinschauen!
In diesem Sinne: Prost! Und wer möchte kann hier noch in der Leitlinie nachlesen.
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