Ein 38-jähriger Mann erleidet einen septischen Schock, doch bei der Suche nach dem Erreger stochern die Ärzte lange im Dunkeln. Dann endlich wächst ein seltenes Bakterium in den Blutkulturen.
Ein 38-jähriger Mann stellt sich in der Notaufnahme mit Dyspnoe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen vor. Er entwickelt rasch eine akute hypoxische Insuffizienz, die eine Intubation erforderlich macht. Es sind keine Vorerkrankungen bekannt. Der Patient gibt an, alkoholabhängig zu sein und wechselnde Sexualpartner zu haben.
Der Patient ist tachypnoisch (AF 49/min), tachykard (HF 134/min), hypoton (RR 61/36 mmHg) und hat Fieber (38,6 °C). Bei der körperlichen Untersuchung fällt eine Livedo racemosa an beiden unteren Extremitäten sowie eine Gangrän an seinen Zehen auf. Die laborchemischen Untersuchungen zeigen ein akutes Leberversagen, ein akutes Nierenversagen, erhöhte Entzündungsparameter, eine Verbrauchskoagulopathie und eine Anämie.Livdeo racemosa an den Beinen und Gangrän an den Zehen des Patienten. Credit: Ahsen et al.
Die behandelnden Kollegen vermuten einen septischen Schock. Der Patient erhält eine antiinfektive Therapie mit Vancomycin, Meropenem, Doxycyclin und Ampicillin-Sulbactam. Zusätzlich wird eine Behandlung mit Vasopressoren eingeleitet, und aufgrund des akuten Nierenversagens wird ein kontinuierliches Nierenersatzverfahren begonnen.
Zur Fokussuche wird eine Computertomographie von Thorax und Abdomen durchgeführt. Dabei zeigen sich Atelektasen in beiden Unterlappen der Lunge, im linken Lungenunterlappen besteht der Verdacht auf eine Konsolidierung. In der Milz fallen mehrere Milzinfarkte sowie ein subkapsuläres Milzhämatom auf. Zudem zeigt sich eine Blutung im rechten extraperitonealen Raum, die sich in den rechten unteren retroperitonealen Raum erstreckte. Der Ultraschall der Leber ergibt eine Hepatomegalie mit erhöhter Echogenität. Die transthorakale Echokardiographie zeigt eine Ejektionsfraktion von 35–40 %, jedoch keinen Hinweis auf eine Endokarditis.
Doch der Infektionsfokus bleibt weiterhin unklar. Der Zustand des Patienten verschlechtert sich und die Laktatazidose nimmt zu. Die behandelnden Ärzte erweitern die antiinfektive Therapie um eine antimykotische Behandlung mit Micafungin.
Dann kommt endlich der Durchbruch: In den Blutkulturen wachsen gramnegative, oxidasepositive Stäbchen, die als Capnocytophaga canimorsus identifiziert werden. Die antiinfektive Therapie wird daraufhin auf Meropenem und Clindamycin umgestellt, während alle anderen antimikrobiellen Medikamente abgesetzt wurden. Unter dieser Behandlung stabilisiert sich der Patient und kann von den Vasopressoren entwöhnt werden.
Capnocytophaga canimorsus ist ein langsam wachsendes, gramnegatives Stäbchen, das als Saprophyt im Maul von Hunden und Katzen vorkommt. Die Übertragung erfolgt durch den Speichel des Tieres, wobei ein Biss nicht immer notwendig ist. In diesem Fall gab der Patient an, von einem Hund gebissen worden zu sein.
Klinisch leiden die Patienten unter anderem an Fieber, Erbrechen, Durchfall, Dyspnoe und Exanthemen. Das Krankheitsbild ist sehr variabel und reicht von milden, grippeähnlichen Symptomen bis hin zu einer schweren Sepsis mit septischem Schock.Stäbchenförmige C. canimorsus sammeln sich um Leucocyten. Credit: Ahsen et al.Infektionen mit C. canimorsus treten vor allem bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem auf. Besonders gefährdet sind Patienten mit Asplenie, Leberzirrhose oder jene, die Immunsuppressiva wie Glukokortikoide einnehmen. Auch Personen, die viel Alkohol konsumieren, selbst wenn sie noch keine Leberzirrhose entwickelt haben, haben ein erhöhtes Risiko für eine Infektion. Der genaue Pathomechanismus ist bisher nicht geklärt. Es ist jedoch wichtig, auch bei diesen Patienten an diesen seltenen Erreger zu denken.
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