Die molekulare Testung ist beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) die Grundlage dafür, dass Patient:innen zielgerichtete Therapien erhalten können. Doch haben bereits alle Patient:innen Zugang? Was leisten die Strukturen des Gesundheitssystems in Deutschland? Und was wird die Zukunft noch bringen? Dazu haben wir den Lungenkrebsexperten Prof. Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) der Uniklinik Köln, im Interview befragt.
Der Zugang zur molekularen Diagnostik gestaltet sich in Deutschland noch immer als schwierig. Prof. Wolf, einer der Gründer des nationalen Netzwerks Genomische Medizin (nNGM), sieht eine mögliche Ursache dafür im dezentralen Gesundheitssystem: Die Durchdringung der umfassenden Testung in die Versorgung dauere länger als in einem zentralen System. Doch es gebe Strukturen, die eine breite Diagnostik und deren Finanzierung ermöglichen, insbesondere das nNGM, so Prof. Wolf:
„Wir haben so viele gesetzliche Krankenkassen an Bord, dass, wenn alle im nNGM mitmachen würden, für 93 % der Patient:innen, die NGS-(Next Generation Sequencing)-Analyse bezahlt werden würde. […] Man muss sich halt darum kümmern, dass man diesen Strukturen auch beitritt.“
Mit Blick auf die Alterationen EGFR, ALK, BRAF und ROS1 wird aktuell rund jede:r fünfte Patient:in noch nicht so diagnostiziert, dass in der Firstline eine molekular gestützte Therapieentscheidung getroffen werden könne – eine Option, die den Patient:innen deutlich bessere Prognosen bieten kann. Da ist also noch Luft nach oben! Und neue Studiendaten zeigen: Auch in frühen Stadien können Patient:innen von zielgerichteten Therapieoptionen profitieren. Daher müsse auch hier der Weg dahin führen, dass jede:r Patient:in von Anfang an breit molekular getestet werde, so der Experte. Das ganze Interview finden Sie hier im Video:
Ausgehend von dem 2010 in Köln gegründeten Netzwerk Genomische Medizin, erfolgte durch den bundesweiten Zusammenschluss onkologischer Spitzenzentren im Jahr 2018 eine Weiterentwicklung zum nNGM für Lungenkrebs. Die Wurzeln des Kölner Netzwerks lagen in den ersten zielgerichteten Therapieoptionen, die verfügbar waren, erinnert sich Prof. Wolf:
„Wir waren ganz begeistert davon in Köln, dass die genomische Medizin solche Überlebensverlängerungen zeigt, die wir eigentlich mit der Chemotherapie nie gesehen hatten.“
Die Schaffung einer zentralen Struktur, welche die erforderliche Diagnostik bundesweit organisieren kann, lag auf der Hand – und war sehr vorausschauend: Mittlerweile müssen bis zu 30 Gene vor der Entscheidung für eine Firstline-Therapie analysiert werden. Gefördert wurde das Netzwerk von der Deutschen Krebshilfe. Im letzten Jahr (2023) erreichte das nNGM rund 17.500 Patient:innen, die zukünftig selbst noch stärker in die Arbeit einbezogen werden sollen. Eine Evaluierung zeigte, dass die Testung im Rahmen des Netzwerkes und ggf. eine anschließende zielgerichtete Therapie die Prognose der Patient:innen signifikant verbessern können. Im zweiten Teil des Interviews erfahren Sie mehr dazu:
M-DE-00022555