Ob Brötchen, Bier oder Nudeln: Die Zöliakie-No-Gos könnten bei Glutenunverträglichkeit noch gefährlicher sein als gedacht. Warum das so ist, lest ihr hier.
Zöliakie gilt mit einer Inzidenz von 1:100 Personen als eine der am weitesten verbreiteten lebenslänglichen Autoimmunerkrankungen. Die Unverträglichkeit auf die Getreideproteine in Dinkel, Gerste, Weizen und Co. führt bekanntlich zu gastrointestinalen wie auch extraintestinalen Symptomen wie Diarrhoe, Flatulenz, Völlegefühl, Erschöpfung oder Migräne. In starker Ausprägung leiden Patienten zudem an einer chronischen Entzündung des Darms sowie einer autoimmunologisch vermittelten Zottenatrophie. Als Folge dessen kann es, so die gängige These, zum Leaky Gut-Syndrom kommen. Eine aktuelle Studie kommt nun zu dem Schluss, dass der durchlässige Darm keine Folge der Glutenaufnahme ist, sondern auch erstes Angriffsziel der Eiweißpeptide.
„Unsere Ergebnisse unterstützen die medizinische Hypothese, dass eine durch Glutenpeptide verursachte Schwächung der Darmbarriere eine Ursache und nicht die Folge der Immunreaktion bei Zöliakie-Patienten ist“, erklärt Dr. Verónica Dodero, Hauptautorin der Studie von der Fakultät für Chemie der Universität Bielefeld.
Wie das genau funktioniert? Das Enzym Gewebetransglutaminase 2 (tTG2) verändert ein bestimmtes Glutenpeptid. Das führt zur Bildung des metabolisch modifiziertes Weizengluten-Superantigens deamidiertes 33-mer-Gliadin-Peptid (DGP). Dieses wiederum reichert sich in Form von Oligomeren in der Darmschleimhaut bzw. an den Darmzellen an. Studien hatten zuletzt gezeigt, dass dieser Vorgang nicht zwangsläufig in der Lamina propria stattfinden muss, sondern auch in der Darmschleimhaut ablaufen kann. Die Folge: Die gebildeten DGP schädigen die Darmzellen und führen zu einer Fehllokalisierung der Tight Junction (TJ) Zonula Occludens-1 (ZO-1). Durch die gelockerten Zellkontakte wird die Membran im ganzen permeabel.
Eine Elektronenmikroskop-Aufnahme aus der Studie zeigt das problematische Peptid 33-mer-DGP mit stacheligen Strukturen, die die Darmbarriere öffnen können. Credit: Universität Bielefeld
„Unser interdisziplinäres Team analysierte die Bildung von 33-mer-DGP-Oligomeren mit hochauflösender Mikroskopie und biophysikalischen Techniken. Wir stellten in einem Darmzellmodell eine erhöhte Durchlässigkeit fest, wenn sich DGP anreicherte“, sagt Dr. Maria Georgina Herrera, die Erstautorin der Studie.
Ist ein Mensch nun genetisch veranlagt, kann auf diesem Weg eine Zöliakie-Erkrankung entstehen. Eine entscheidende Rolle, damit das lebenslange Leiden aber wirklich ausbricht, spielen allerdings noch die Humanen Leukozyten-Antigene (HLAs), besser gesagt die beiden Proteine HLA-DQ2 und HLA-DQ8. Diese, eigentlich als Hilfe für das Immunsystem zuständige, Antigene verbinden sich mit dem 33-mer-DGP und können zum massiven parazellulären Transport von 33-mer DGP, anderen Gliadinpeptiden und Bakterien führen. Die Autoimmunreaktion des Körpers lässt dann nicht lang auf sich warten. Die Folge: Entzündungen und Zottenrückbildung im Dünndarm. Ist es so weit gekommen, heißt die bis dato einzige Therapie: ByeBye Baguette und Adiö(nertasche).
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