Das Mikrobiom beeinflusst die psychische Gesundheit – das ist schon länger bekannt. Wie genau das abläuft und welche Erkrankungen besonders im Fokus stehen, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Die Darm-Hirn-Achse ist ein faszinierendes Forschungsgebiet, das die Wechselwirkungen zwischen dem Magen-Darm-Trakt und dem zentralen Nervensystem untersucht. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie beleuchtet die tiefgreifenden Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom und verschiedenen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen.
Das Mikrobiom spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung vieler körperlicher Prozesse. Es ist bekannt, dass das Mikrobiom über verschiedene Mechanismen, wie die Produktion von Neurotransmittern und die Modulation des Immunsystems, das Gehirn beeinflussen kann. Umgekehrt steht das Gehirn über den N. vagus in direkter Verbindung zum Magen-Darm-Trakt und kann auf diesen einwirken. Diese bidirektionale Kommunikation wird als Darm-Hirn-Achse bezeichnet.
Die Darm-Hirn-Achse. Credit: Modifiziert nach Loh et al., Nature, 2024
In der kürzlich veröffentlichten Studie wurden umfangreiche Daten aus mehreren Kohorten analysiert, um die komplexen Zusammenhänge zwischen dem Mikrobiom und dem Gehirn zu verstehen. Die Forscher verwendeten modernste Methoden der Genomik und Metabolomik, um die Interaktionen zwischen Darmmikroben und neurologischen sowie psychiatrischen Erkrankungen zu untersuchen.
Die Studie konnte zeigen, dass spezifische bakterielle Profile bei Patienten mit neurologischen und psychiatrischen Störungen häufiger vorkommen. Es konnten spezifische Metaboliten identifiziert werden, die von Darmbakterien produziert werden und eine direkte Wirkung auf das zentrale Nervensystem haben. Diese Metaboliten können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und neuroinflammatorische Prozesse auslösen, die mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen in Zusammenhang stehen. Insbesondere wurde eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht der Darmmikroben, mit einer erhöhten Entzündungsreaktion und einer gestörten Barrierefunktion des Darms in Verbindung gebracht, wodurch die Resorption verschiedener bakterieller Metaboliten womöglich pathologisch beeinflusst wird.
So können Darmbakterien etwa Tryptophan metabolisieren und dabei Metaboliten wie Indol und Kynurenin produzieren. Diese Metaboliten können die Serotoninproduktion beeinflussen, die Stimmung und Schlaf reguliert. Eine Dysregulation dieser Metabolite ist mit der Entwicklung von Depression und Angststörungen verbunden.
Zudem werden auch Gallensäuren aus der Leber von Bakterien im Darm metabolisiert. Die hierbei entstehenden Gallensäurederivate (UDCA, TUDCA) sind etwa an der Regulation des Energiestoffwechsels und bei Entzündungsprozessen beteiligt. Hierbei wirken sie antiinflammatorisch und können einen protektiven Effekt, insbesondere bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson, vermitteln. Durch die Fermentation von Ballaststoffen durch Darmbakterien entstehen kurzkettige Fettsäure (SCFAs). SCFAs wie Butyrat, Acetat und Propionat haben entzündungshemmende Eigenschaften und können die Integrität der Blut-Hirn-Schranke unterstützen und hierdurch ebenfalls neuroprotektiv wirken.
Durch die Darmbakterien können jedoch auch gefährliche Metaboliten in den Blutkreislauf gelangen. Hierzu zählen etwa die Lipopolysaccharide (LPS). Diese Komponenten der äußeren Membran gramnegativer Bakterien können eine starke Immunantwort auslösen und neuroinflammatorische Prozesse fördern. Hohe LPS-Spiegel im Blut sind mit erhöhtem Risiko für Depression und neurodegenerative Erkrankungen assoziiert.
Die Forscher fanden zudem heraus, dass genetische Variationen, die die Zusammensetzung des Mikrobioms beeinflussen, auch mit dem Risiko für die Entwicklung bestimmter neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen korrelieren. Dies deutet darauf hin, dass genetische Faktoren sowohl das Mikrobiom als auch die Anfälligkeit für diese Erkrankungen beeinflussen.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass das Mikrobiom eine zentrale Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen spielt. Dies eröffnet neue Wege für therapeutische Ansätze, die auf die Modulation des Mikrobioms abzielen. Besonders vielversprechend sind personalisierte Behandlungsstrategien, die auf dem individuellen Mikrobiom-Profil eines Patienten basieren.
Die Darm-Hirn-Achse bietet ein faszinierendes und vielversprechendes Forschungsfeld, das das Potenzial hat, unser Verständnis von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen grundlegend zu verändern. Die in der aktuellen Studie vorgestellten Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Mikrobioms für die Gehirngesundheit und weisen auf neue therapeutische Möglichkeiten hin. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Forschungen die komplexen Interaktionen zwischen Darm und Gehirn weiter aufdecken und innovative Ansätze zur Behandlung und Prävention dieser Erkrankungen ermöglichen werden.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
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