Es gibt zwei Lager: Die, die Cannabis verharmlosen und die, die es verteufeln. Aber wie gefährlich ist Cannabis wirklich – und welche anderen Genussmittel können ebenfalls zu Psychosen führen?
Kaum ein anderes Thema hat die politische Debatte in den letzten Monaten so stark beschäftigt und gespalten wie Cannabis als Konsumdroge. Ich nehme hauptsächlich zwei Standpunkte in der medialen Diskussion wahr:
Graubereiche zwischen diesen Meinungen gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung nur wenige. Da wird es doch Zeit für eine kleine faktenbasierte Annäherung an dieses Thema.
Cannabis steht für die Hanfpflanze (Cannabis sativa). In dieser Pflanze befinden sich eine Vielzahl interessanter Inhaltsstoffe, unter anderem die Cannabinoide. Diese binden nach Aufnahme in den Körper an die Cannabinoid-Rezeptoren, was zu verschiedenen biochemischen Mechanismen führt. Bekannte Vertreter der Cannabinoide sind unter anderem Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Für die uns allen – zumindest theoretisch – bekannte berauschende Wirkung ist hauptsächlich das THC verantwortlich. Konsumiert ihr nun die getrockneten Blüten oder Blätter der Hanfpflanze, so habt ihr „Marihuana“ oder „Gras“ aufgenommen. Konsumiert ihr hingegen das Harz, welches von den Drüsenhaaren der Hanfpflanze gebildet wird, so spricht man von Haschisch. Der THC-Gehalt von Haschisch ist in der Regel höher als der von Marihuana.
Der größte berauschende Effekt kann durch das Einatmen erzielt werden. Hierdurch kommen die relevanten Wirkstoffe des Cannabis am schnellsten und mit der größtmöglichen Dosis im Blut und folglich auch im Gehirn an. Beim Verzehr hingegen ist der Wirkstoffgehalt, der die Blutbahn erreicht, um zirka 5 bis 20 Prozent geringer. Auch dauert es eine ganze Weile länger, bis ihr die berauschende Wirkung verspürt.
Eine wichtige Frage für die Einschätzung des Verbraucher-Risikos ist, ob Todesfälle durch den Konsum von Cannabis möglich sind. Diese Fragestellung haben beispielsweise Wissenschaftler aus Großbritannien untersucht und in der Fachzeitschrift Journal of Psychopharmacology 2022 publiziert. Die Autoren haben 3.455 Todesfälle, die in den Jahren 1998 bis 2020 auftraten, unter die Lupe genommen. Diese hatten gemeinsam, dass Cannabis im Körper der verstorbenen Personen nachgewiesen wurde. Allerdings wurde nur in 136 Todesfällen Cannabis als alleinige Droge detektiert. Alle anderen Verstorbenen hatten noch weitere berauschende Substanzen intus. Und so viel sei pauschal gesagt: Es ist nie eine gute Idee, verschiedene Freizeitdrogen gleichzeitig einzunehmen.
Von diesen 136 Todesfällen starben 47 Menschen durch Sturz aus großer Höhe oder durch Erhängen, 35 Menschen starben durch Verkehrsunfälle und 13 erlitten einen Herzinfarkt. Wie alle berauschenden Drogen (Grüße gehen an dieser Stelle an den Alkohol) hat Cannabis meines Erachtens nichts, überhaupt gar nichts im Straßenverkehr zu suchen – auch wenn der Gesetzgeber bei einigen Drogen großzügiger ist, als ich es wäre.
Trotzdem ist es eher schwierig Cannabis direkt für einen tödlichen Verkehrsunfall verantwortlich zu machen. Auch der Sturz aus großer Höhe oder das Erhängen kann nur schwer dem Cannabis angelastet werden. Auch wenn man vielleicht an dieser Stelle sofort einen Cannabis-bedingten psychotischen Schub im Verdacht haben mag (dazu gleich mehr), darf man nicht vergessen, dass das Ziel des Konsums hier ggf. der Erleichterung der Durchführung eines Suizids gewesen sein könnte. Bleiben noch die Herzinfarkte. Und ja, Cannabis steht im Verdacht, in geringem Maße Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu triggern. Vor allem Menschen, die ohnehin bereits ein Risiko für diese Art von Erkrankungen oder gar eine tatsächliche Erkrankung haben, sollten sich demnach gut überlegen, ob sie Cannabis wirklich konsumieren möchten.
Um gleich noch einmal etwas näher auf die gerade erwähnten Todesfälle durch Sturz aus großer Höhe oder durch Erhängen zurückzukommen: Es gibt immer wieder Berichte von Menschen, die sich nach dem Konsum von Cannabis seltsam verhalten haben und dadurch zu Tode kamen. Und auch die wissenschaftliche Literatur gibt klare Hinweise auf durch Cannabis ausgelöste Psychosen. Forscher der Universität Amsterdam berichteten beispielsweise 2009, dass unter Patienten mit akuter Psychose 37 Prozent angaben, dass sie ihren ersten psychotischen Schub direkt nach der Einnahme von Cannabis erlebten. Es ist allerdings nicht so, dass Cannabis aus einem vollkommen gesunden Menschen einen psychotischen Menschen macht. Sondern es gibt bestimmte Risikofaktoren, die das Aufkommen einer Psychose unterstützen.
Generell gilt hierbei: Je jünger die Cannabiskonsumenten sind, desto größer ist das Risiko für das Entstehen einer Psychose. Die Adoleszenz ist hierbei das sensibelste Alter. Fachleute sprechen auch von einem sogenannten window of vulnerability, einer kritischen Phase während der frühen Adoleszenz, in der das Gehirn besonders anfällig für die Psychose auslösenden Wirkungen von Cannabis ist. Auch die Einnahme von hochpotentem Cannabis kann eine geringe Risikosteigerung verursachen. Es scheint auch klar, dass bestimmte genetische Veranlagungen das Risiko, eine Psychose zu entwickeln, erhöhen können. Deshalb sollte sich jeder vor einem eventuellen Konsum immer deutlich machen: Sofern es in eurer Familie bereits Fälle von Psychosen gab oder gibt, ist auch euer Risiko erhöht, dass Cannabis bei euch eine solche auslöst.
Alles in allem können wir deshalb festhalten, dass es möglich ist, dass sich Psychosen nach einem Cannabiskonsum entwickeln. Ob ihr zu den Betroffenen gehört, wisst ihr leider erst mit Gewissheit, wenn es passiert ist. Anhand bestimmter Eckpunkte könnt ihr jedoch herausfinden, ob ihr besonders gefährdet seid.
Schlussendlich ist es mit Cannabis, wie auch mit anderen (legalen) Drogen. Ein Konsum ist nie völlig risikoarm. Es gibt neben der Psychose und den Herzproblemen zudem noch diverse andere gesundheitliche Risiken, die durch den Konsum von Cannabis möglich sind. Wichtig ist, dass ihr euch (im Falle eines Konsums) bewusst seid, dass ihr durchaus ein (wenn auch geringes) Risiko eingeht, einen Schaden zu erleiden. Dies sollte jedoch bei jeder Freizeitdroge bedacht werden, nicht nur bei Cannabis. Habt ihr euch zum Beispiel schon jemals Gedanken darüber gemacht, dass ihr auch von sehr hohem Koffeinkonsum oder auch durch Alkohol eine Psychose erleiden könnt?
Quellen
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