Warum auf der infektiologischen Station lange herumdiagnostizieren, wenn man auch einfach eine „Stauungspneumonie“ vergeben kann. Die gibt’s zwar eigentlich gar nicht, aber den Patienten hilft man ja trotzdem – oder?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
„Stauungspneumonie" – ein Begriff, den man im klinischen Alltag leider oft hört. Aber was bedeutet das eigentlich? Gibt es so etwas wie eine „Stauungspneumonie“? Ein Blick in die Leitlinien zur ambulant erworbenen und nosokomialen Pneumonie zeigt, dass dieser Begriff dort nicht zu finden ist. Auch pathophysiologisch betrachtet ergibt er keinen Sinn. Der Begriff vereint zwei unterschiedliche Entitäten – die pulmonale-venöse Stauung und die Pneumonie – die komplett unterschiedliche Ursachen haben. Die pulmonal-venöse Stauung, die zu Infiltraten in der Lunge führen kann, ist meist die Folge einer Linksherzerkrankung, während die Pneumonie durch Infektionserreger ausgelöst wird.
Klinisch ist es oft schwierig, die beiden Zustände zu unterscheiden. Husten, Atemnot, Fieber und Auswurf sowie Abgeschlagenheit und verminderte Leistungsfähigkeit treten bei beiden Erkrankungen auf. Es kommt häufig vor, dass beide Bedingungen gleichzeitig vorliegen. Eine Pneumonie kann zu einer Dekompensation einer zuvor stabilen Herzinsuffizienz führen. Durch die pulmonal-venöse Stauung in der Lunge kann der Flüssigkeitsaustritt ins Lungengewebe die Entstehung einer sekundären Pneumonie begünstigen. Doch die Unterscheidung zwischen diesen beiden Konditionen hat therapeutische Konsequenzen und, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte, auch Einfluss auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts.
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In dieser retrospektiven Kohortenstudie wurde untersucht, ob die Gabe von Antibiotika bei Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz das Outcome verändert. Insgesamt wurden 161 Patienten eingeschlossen, die mit dieser Diagnose stationär aufgenommen wurden. Von diesen erhielten 38 Patienten eine intravenöse antiinfektive Therapie (Gruppe 1), während 123 Patienten keine intravenösen Antibiotika erhielten (Gruppe 2). Ceftriaxon und Azithromycin waren die am häufigsten verabreichten Antibiotika mit einer medianen Therapiedauer von 4 Tagen. Zusätzlich wurden aus jeder Gruppe 33 Patienten passend zugeordnet („gematched“). Patienten mit einer aktiven Infektion wurden ausgeschlossen.
Der primäre Endpunkt war die Dauer des Krankenhausaufenthalts in der nicht „gematchten“ Kohorte. Sekundäre Endpunkte umfassten die Wiederaufnahme innerhalb von 30 Tagen, die Gesamtmortalität, die verabreichte Menge an Schleifendiuretika, die Gesamtmenge an erhaltenem Natrium und Flüssigkeit, Clostridioides-difficile-Infektionen, verabreichte intravenöse Antibiotika und die Therapiedauer. Die Auswertung ergab, dass in beiden Kohorten die Patienten, die eine intravenöse Antibiotikatherapie erhielten
Für die anderen sekundären Endpunkte wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt.
Ohne den Nachweis einer Infektion sollte bei pulmonal-venöser Stauung auf den Einsatz von Antiinfektiva verzichtet werden. Wie in der vorliegenden Studie gezeigt, kann eine präzise Differenzierung zwischen pulmonal-venöser Stauung und Pneumonie Auswirkungen auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts und die damit verbundenen Folgekosten haben. Allerdings ist anzumerken, dass die Studie nur eine sehr kleine Studienpopulation umfasste. Ergebnisse aus einer randomisierten kontrollierten Studie mit einer größeren Teilnehmerzahl wären sicherlich von größerem Interesse.
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