Hypertensive Erkrankungen betreffen 6 bis 8 % aller Schwangerschaften und sind die häufigste Todesursache für Mütter. Wisst ihr, worauf ihr achten müsst?
In den Industrieländern stehen hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft (HES) an vorderster Stelle der mütterlichen Todesursachen. Sie sind in 20–25 % für die perinatale Mortalität mitverantwortlich. Die Präeklampsie als schwerwiegende Form gilt als Multisystemerkrankung und betrifft 2–5 % der Schwangerschaften. Sie ist eine der Hauptursachen für die mütterliche und perinatale Morbidität und Mortalität. Weil sie ein lebenslanges Risiko für die kardiovaskuläre Gesundheit betroffener Frauen darstellt, ist eine entsprechende Nachsorge nötig. Die neue S2k-Leitlinie richtet sich daher interdisziplinär u. a. an Gynäkologen, Hebammen, Allgemeinmediziner und Internisten.
Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft (HES) beinhalten die chronische Hypertonie, die Gestationshypertonie und die Präeklampsie mit ggf. assoziierten Zuständen wie einer Eklampsie oder einem HELLP-Syndrom. Jede Hypertonieform stellt ein Risikofaktor für die schwerwiegendste Ausprägung der HES, einer Präeklampsie, dar.
Eine bereits vor der Schwangerschaft bestehende oder im ersten Trimenon diagnostizierte Hypertonie wird als chronische (essentielle) Hypertonie bezeichnet.
Werden darüber hinaus bei einer zuvor normotensiven Schwangeren Blutdruckwerte systolisch ≥140 und/oder diastolisch ≥ 90 mmHg gemessen und liegen keine weiteren Anzeichen für eine Präeklampsie vor, spricht man von einer Gestationshypertonie. Eine schwere Hypertonie liegt bei wiederholt gemessenen Blutdruckwerten systolisch ≥ 160 und/oder diastolisch ≥ 110 mmHg vor. Das Wiederholungsrisiko beträgt für eine Folgeschwangerschaft 11–47 %.
Darunter versteht man eine chronische Hypertonie oder eine Gestationshypertonie mit einer in der Schwangerschaft erstmaligen Organmanifestation, die keiner anderen Ursache zuzuordnen ist. Typische Organmanifestationen sind die Plazenta (fetale Wachstumsrestriktion), die Nieren (Proteinurie), das ZNS (Kopfschmerzen, Sehstörungen), die Leber (rechtsbetonte Oberbauchschmerzen), die Lungen (Dyspnoe) oder das hämatologische System (Thrombozytopenie). Man unterscheidet eine early-onset (< 34+0 SSW) und eine late-onset (≥ 34+0 SSW) Präeklampsie. Die frühe Form hat ein höheres Wiederholungsrisiko (14–18 % nach einmaliger Erkrankung, 32 % nach zwei vorausgegangenen Präeklampsien) für eventuelle Folgeschwangerschaften. Nach einer schweren Präeklampsie ist das Wiederholungsrisiko höher als bei einem milderen Verlauf (25 % bei schwerer Präeklampsie).
Es bezeichnet eine typische Laborkonstellation aus Hämolyse, erhöhten Transaminasen und Thrombozytopenie (< 100 G/l). Es ist häufig assoziiert mit einer Präeklampsie (10–20 % der Frauen mit Präeklampsie) und betrifft 0,1–0,5 % aller Geburten. Gefürchtet sind eine Leberruptur, eine disseminierte intravasale Gerinnungsstörung (DIG) und ein Multiorganversagen. Richtungsweisend sind rechtsbetonte Oberbauchschmerzen, mitunter auch epigastrische und retrosternale Beschwerden bis zu unspezifischen Schulterschmerzen. Der Blutdruck kann normwertig sein. Das Wiederholungsrisiko liegt bei 13 %.
Während der Schwangerschaft auftretende tonisch-klonische Krampfanfälle, die keiner anderen Ursache zuzuordnen sind, werden als Eklampsie bezeichnet. Sie tritt bei 0,1 % aller Geburten auf und ist häufig assoziiert mit einer Präeklampsie. Es handelt sich um eine potentiell tödliche Komplikation mit fakultativen Hirnblutungen und Sauerstoffmangel. Bis zu 25 % der Patientinnen mit Eklampsie haben einen normalen Blutdruck. Das Wiederholungsrisiko beträgt 2–16 % für eine Folgeschwangerschaft, für eine Präeklampsie sogar 22–35 %.
Risikofaktoren für eine Präeklampsie sind u. a.:
Das Präeklampsie-Screening im 1. Trimenon besteht aus der Ermittlung von Risikofaktoren und des mittleren arterieller Blutdrucks, Messung von Risikomarkern wie PAPP-A und PIGF und einer Dopplersonographie der maternalen Aa. uterinae. Im 2. und 3. Trimenon stehen Erhebung des Blutdrucks und Detektion einer Proteinurie im Vordergrund. Die Widerstansindices in der Dopplersonographie der Aa. uterinae gelten als Risikoabschätzung, wobei die Darstellung der postsystolischen Inzisur (sogenanntes notching) laut Leitlinie ungeeignet sei.
Schwangere mit anamnestischen Risikofaktoren und/oder einem hohen Risiko-Wert im Präeklampsie-Screening sollen ab der Frühschwangerschaft mit der abendlichen Einnahme von ASS 100–150 mg beginnen. Die Einnahme sollte spätestens vor 16+0 SSW beginnen und kann mit 36+0 SSW beendet werden. Damit lässt sich das Präeklampsierisiko signifikant senken, was durch Studien belegt wurde.
In Risikokonstellationen kann die Bestimmung des sFlt-1/PIGF-Quotienten Klarheit darüber bringen, ob eine Präeklampsie droht oder besteht. Seit 01.10.2019 zählt die Bestimmung auch im ambulanten Bereich als Kassenleistung, wenn Präeklampsie-assoziierte klinische Befunden vorliegen. Ein sogenanntes Ampelschema fasst die Handlungsoptionen zusammen:
Schwangere mit einer anamnestischen oder aktuellen HES gelten als Risikoschwangere und sollen bereits bei der Erstuntersuchung als solche erkannt werden. Die Betreuung erfolgt je nach Klinik und Schwere engmaschig. Die Patientinnen sollen sensibilisiert werden für:
Schwangere mit wiederholten Blutdruckwerten von systolisch ≥ 140 und/oder diastolisch ≥ 90 mmHg sollen medikamentös therapiert werden. Die Zielwerte sollen bei ≤135/85 mmHg liegen. Drastische Blutdrucksenkungen sind zu vermeiden. Die Medikation sollte reduziert werden, wenn an drei aufeinanderfolgenden Tagen der diastolische Mittelwert < 80 mmHg beträgt. Bei milder Hypertonie und ansonsten symptomfreien Schwangeren ohne Organmanifestationen ist ein zunächst ambulantes Vorgehen möglich.
Im ambulanten Bereich hat sich bei milder bis moderater Hypertonie alpha-Methyldopa als Einstiegstherapie (z. B. 125 mg 1-0-1 beginnend) bewährt, die den Blutdruckwerten angepasst gesteigert werden kann. Bei Blutdruckwerten ≥ 160 mmHg systolisch und/oder ≥110 diastolisch sollte eine Klinikeinweisung mit entsprechender Versorgungsstufe (Perinatalzentrum) erfolgen. Das gilt auch bei weiteren Präeklampsiezeichen und fetalen Auffälligkeiten.
Eine Schwangerschaftsbeendigung stellt bei Gestationshypertonie, Präeklampsie und HELLP-Syndrom die einzige kausale Therapie dar. Bei Gestationshypertonie oder chronischer Hypertonie kann die Schwangerschaft fortgesetzt werden, vorausgesetzt die Blutdruckwerte sind medikamentös eingestellt, es fehlen Anzeichen für eine Präeklampsie und es herrscht fetales Wohlbefinden. Von einer Terminüberschreitung sollte abgeraten werden. Die Schwangerschaftsbeendigung bzw. ihre Fortsetzung bedeutet bei einer Präeklampsie immer eine Gratwanderung zwischen Reife des Kindes und Ausprägung der Erkrankung und muss individuell entschieden werden. Eine Prolongation der Schwangerschaft über 37+0 SSW ist nicht sinnvoll.
Bei HES sollen postpartal für mindestens 12 Wochen regelmäßige Blutdruckmessungen stattfinden. Eine präpartal begonnene Blutdrucksenkung soll postpartal blutdruckadaptiert fortgesetzt werden. Der Zielwert beträgt <135/85 mmHg.
Aufgrund der erhöhten kardiovaskulären und metabolischen maternalen Risiken ist eine langfristige internistische oder allgemeinmedizinische Nachbetreuung nötig, mit der 6 Wochen postpartal begonnen werden soll. Es erfolgen Blutdruckbestimmungen mit Anleitung zur Selbstkontrolle, Labordiagnostik und Lebensstilberatungen. Bei stabilem Zustand werden jährliche Kontrollen empfohlen. Ein erhöhtes Wiederholungsrisiko für eine HES in den Folgeschwangerschaften wird in der frauenärztlichen Praxis besprochen.
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