Auf Helgoland sucht die einzige Apotheke einen Nachfolger. Warum nicht dort arbeiten, wo andere Urlaub machen, dachte ich mir. Wie sich mein Plan in Luft auflöste.
In den vergangenen Wochen habe ich immer wieder über die Diskussionen um die „Insel-Apotheke“ auf Helgoland gelesen. Die Medienberichte über die schwierige Situation der einzigen Apotheke auf der Nordsee-Insel haben mich nicht losgelassen. Carsten Hase und seine Frau betreiben die einzige Apotheke auf Helgoland seit 2014, doch zum Jahresende soll Schluss sein. Die Gründe dafür sind vielfältig: belastende Arbeitsbedingungen, fehlende Unterstützung durch das Gesundheitssystem und die Herausforderung, 365 Tage im Jahr dienstbereit zu sein.
Trotz intensiver Suche haben sie bislang keinen Nachfolger gefunden. Sollte die Apotheke schließen, wären die 1.300 Inselbewohner sowie die rund 300.000 Touristen gezwungen, ihre Medikamente vom Festland zu beziehen – was eine schnelle Versorgung in Notfällen praktisch unmöglich machen würde – damit steht die Gemeinde Helgoland vor einem medizinischen Notstand.
In einer öffentlichen Bekanntmachung sucht das Landesamt für soziale Dienste in Schleswig-Holstein dringend nach einem neuen Betreiber für die Apotheke. Und so begannen wir in der Vorstadt-Apotheke spaßeshalber zu träumen. Wie wäre es, diese Apotheke als Filiale zu führen? Die Idee, monatsweise auf Helgoland zu arbeiten und dabei die Schönheit der Insel zu genießen, war verlockend. Doch nach meinem Besuch dort wurden die Träume von der Realität eingeholt.
Am Nachmittag, nach einer ausgiebigen Erkundung der Insel, einem Besuch an der imposanten „Langen Anna“ und dem faszinierenden Vogelfelsen, wo man den Basstölpeln auf Armlänge nahekommen kann, kehrte ich in die Apotheke ein.
Schon von weitem sah ich die lange Schlange von Urlaubern, die geduldig vor dem Eingang warteten. Die Apotheke war geschäftig, und die Kunden strömten herein, um ihre Anliegen vorzubringen. Ich hielt mich im Verkaufsraum auf, kaufte ein paar Lakritz-Apothekenspezialitäten, vielleicht eine der letzten, und wartete darauf, die Apothekerin zu sprechen.
Als der Kundenstrom etwas abebbte, hatte ich endlich Gelegenheit, mich mit der Apothekerin zu unterhalten. Sie wirkte freundlich, aber auch erschöpft. Von dem, was ich bis dahin von den Gesprächen der Kunden mitbekam, unterschied sich der Arbeitsalltag hier kaum von dem in unserer Apotheke. Kunden wollten ihr E-Rezept abrufen, aber der Arzt hatte es noch nicht freigegeben. Jemand anders verlangte einen Ausdruck über alle Verkäufe des letzten Jahres, obwohl er Privatpatient und kein Stammkunde war. Dann wurde gemeckert, weil eine spezielle Kosmetiklinie nicht im Programm der kleinen Apotheke war. Ein Träumchen.
Ich stellte mich als PTA vor und erzählte der Apothekerin, dass ich viel über die Apotheke und die Suche nach einem Nachfolger gelesen hatte. Sie nickte nur müde. Auf meine Frage, was am anstrengendsten sei, kam die Antwort, die ich schon fast erwartet hatte: die Nachtdienste. „Es ist nicht so, dass man hier arbeitet, wo andere Urlaub machen. Es ist eher so, dass man arbeitet, während andere Urlaub machen“, sagte sie. Man wird immer, wenn es den Gästen passt, auch für Kleinigkeiten herausgeklingelt und geweckt. Aber das nicht wie andere Apotheker – alle 3 bis 4 Wochen – sondern 365 Tage im Jahr. Die Apotheke ist nicht nur für die Inselbewohner da, sondern auch für die kleine Klinik auf Helgoland und wird täglich einmal mit Ware vom Großhandel beliefert. Trotz des hohen Arbeitsaufkommens ist die Unterstützung durch das Gesundheitssystem gering.
Leider blieb uns nicht viel Zeit, da ich zurück zum Schiff musste. Helgoland ist wunderschön, und ich denke, dass wir nächstes Jahr ein paar Tage dort verbringen werden – ob mit oder ohne Apotheke, das wird sich zeigen.
Beim Verlassen der Apotheke fielen mir noch zwei Plakate im Schaufenster ins Auge. Das eine erläuterte den Kunden, wie viele Kleinigkeiten wir im Apothekenalltag beachten müssen, um Retaxationen zu vermeiden. Das andere zeigte ein Bild von Karl Lauterbach, dargestellt als Totengräber der Apotheken. Diese Plakate könnten in unserer Vorstadt-Apotheke ebenfalls gut hängen.
Für mich war der Besuch in der Insel-Apotheke eine ernüchternde Erfahrung. Die Träume, die wir in der Vorstadt-Apotheke hatten, lösten sich schnell in Luft auf, als ich die Realität vor Ort erlebte. Manchmal ist der Alltag härter als die romantische Vorstellung vom „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“. Doch eines ist sicher: Helgoland ist auch im kommenden Jahr eine Reise wert – ob es dann dort noch eine Apotheke gibt, und wie zufrieden die Inhaber sind, falls sich jemand findet, verrate ich euch gerne, wenn es so weit ist.Bildquelle: Grigorii Shcheglov, Unsplash