Hast du schon mal von POIS gehört? Bei diesem ungewöhnlichen Syndrom überkommen Patienten nach einem Orgasmus erkältungsähnliche Symptome. Woher kommt’s – und wie können Ärzte helfen?
Den jungen Patienten plagen seit geraumer Zeit seltsame Symptome: Jedes Mal, wenn er einen Orgasmus hat, fühlt er sich plötzlich extrem erkältet. Seine Nase verstopft, die Augen jucken und er bekommt Gliederschmerzen. Männer wie er warten mitunter lange auf eine Diagnose, denn der Patient leidet am sogenannten Post Orgasmic Illness Syndrome, kurz POIS – einer seltenen und rätselhaften Erkrankung, über die bisher wenig bekannt ist.
Jetzt hat sich ein Forscherteam dem Thema gewidmet. In einem kürzlich erschienenen Übersichtsartikel im International Journal of Impotence Research haben Wissenschaftler die bislang gesammelten Erkenntnisse zu POIS zusammengefasst. Hier kommen ihre Ergebnisse.
POIS macht sich bei den Betroffenen durch eine Reihe von Beschwerden bemerkbar, die kurz nach dem Geschlechtsverkehr, einer spontanen nächtlichen Ejakulation oder auch nach Masturbation auftreten. Die Symptome reichen von verstopfter Nase und juckenden Augen bis hin zu extremer Erschöpfung. Die Beschwerden treten meistens innerhalb von 45 Minuten nach der Ejakulation auf und können sich über mehrere Tage hinziehen, bevor sie nach etwa einer Woche von selbst verschwinden. Als Folge können Patienten sexuelle Aktivität vermeiden, was mit Depression einhergehen kann.
Zu weiteren Symptomen zählen Hautausschläge, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Muskelschmerzen, Fieber und Erschöpfung. Die meisten Patienten kämpfen vor allem mit extremer Müdigkeit – fast 70 % der Betroffenen berichten davon. Hautausschläge hingegen sind eine Seltenheit und treten bei nur etwa 2,4 % der Patienten auf. Interessanterweise verspürt fast die Hälfte der Betroffenen nicht bei jedem Orgasmus Symptome.
Basierend auf dem Zeitpunkt des ersten Auftretens lässt sich POIS in zwei Kategorien einteilen: Primäres POIS beginnt typischerweise während der Pubertät, während das sekundäre POIS erst später im Leben auftritt. Studien zeigen, dass 14–49 % der Betroffenen an primärem POIS leiden. Auffällig ist, dass diese Erkrankung häufig mit Allergien gegen Hausstaubmilben, Tierhaare, und Pollen sowie mit vorzeitiger Ejakulation in Verbindung steht.
Was die Ursachen von POIS betrifft, tappen die Forscher noch im Dunkeln, haben aber einige interessante Theorien entwickelt. Eine Vermutung ist, dass eine Überempfindlichkeit gegenüber dem eigenen Sperma eine Rolle spielt. Pricktests unterstützen diese Hypothese.
Dahinter könnte eine Autoimmunreaktion stecken, bei denen die antigenpräsentierenden Zellen der Harnröhre die Aktivierung von T-Zellen stimulieren, wenn sie bestimmte Peptide im Sperma erkennen. Eine weitere Theorie besagt, dass der Körper nach der Ejakulation plötzlich einen Mangel an körpereigenen Opioiden verspürt, was die Symptome auslöst. Und dann gibt es noch die Idee, dass das sympathische Nervensystem aus dem Gleichgewicht gerät – eine Theorie, die dadurch unterstützt wird, dass Alpha-Blocker bei vielen Patienten eine Linderung der Symptome bewirken.
Mit nur 465 dokumentierten Fällen in der medizinischen Literatur ist POIS ein seltenes Krankheitsbild. Doch POIS-Patienten kann man trotzdem helfen – es gibt eine Reihe von Behandlungsansätzen, auch wenn die Ergebnisse stark variieren. Ärzte setzen auf alles Mögliche, von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) und hormonellen Therapien bis hin zu Hyposensibilisierungen, Alpha-Blockern und Antihistaminika.
Besonders Antihistaminika haben sich als effektiv erwiesen, bei manchen Patienten konnten die Symptome um bis zu 90 % reduziert werden. Auch Alpha-Blocker und die Behandlung von gleichzeitigem Testosteronmangel haben in einigen Fällen zu Verbesserungen geführt. In einer Studie wurden bei hypogonadalen Männern durch die Gabe von humanem Choriongonadotropin (hCG) die Symptome deutlich gemindert. Selbst Maßnahmen wie Muskelentspannung, autologe Spermieninjektionen und chirurgische Eingriffe wie eine Vasektomie haben in kleinen Studien Erleichterung gebracht.
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