Krafttraining ist eine wichtige Komponente für den Erhalt der Gesundheit.
Glücklicherweise hat das Krafttraining inzwischen die vermeintlich gesünderen Cardiosportarten eingeholt. Höhere Muskelmasse, Knochendichte und Koordination sind wichtige Parameter für Verletzungsprevention. Auch die diabetische Situation verbessert sich durch Krafttraining und es beugt diverse Zivilisationskrankheiten vor.
Muskelschäden führen zu Hypertrophie?
Zur Erinnerung: Muskelzelle= Muskelfaser= längliche Zelle die von kontraktilen Filamenten durchzogen ist. Diese sind lange Proteinbündel aus Aktin und Myosin. Myosin bindet nach Zellaktivierung am Aktin und ändert seine Konformation wodurch es zu einem Zusammenziehen des Filaments kommt.
Muskelschäden entstehen nicht weil der Muskel einreißt weil er durch eine Last gedehnt wird. Hypertrophie entsteht nicht weil der Muskel dann stärker zusammenwächst. Der wahre Auslöser von Schäden ist Calcium Ionen Akkumulation im Cytoplasma. Die Ca-Ionen aktivieren Calpaine welche als Proteasen die intrazellulären Komponenten abbauen. Das geht mit einer inflammatorischen Antwort einher. Die Schäden sind erst Stunden bis Tage nachher ersichtlich und führen zu einer Muskelschwellung. Diese wird gern als schneller Fortschritt fehlinterpretiert. Stärkere Schäden treten auf je länger der Muskel während einem Workout aktiv ist und je stärker er gedehnt wird. Leichteres Gewicht mit vielen Wiederholungen führt zu stärkeren Schäden als schweres Gewicht wenn man den gleichen Hypertrophiereiz setzt. Muskelschäden sind zu vermeiden, da sie wahrscheinlich nichts zu Hypertrophie beitragen, aber den Leistungsoutput und damit das Setzen von stimulierenden Trainingsreizen verzögern. Hypertrophie entsteht wenn eine Muskelfaser einen Schwellenwert an mechanischer Spannung überschreitet. Über Mechanotransduktion wird die Muskelproteinsynthese angeregt und es werden kontraktile Filamente parallel angebaut, welches eine Zunahme des Zelldurchmessers bewirkt.
Für Waden und Oberschenkel Laufen und Radfahren?
Die Fasern eines Muskels lassen sich gruppieren in motorische Einheiten. Eine motorische Einheit (ME) besteht aus dem Motoneuron und den Muskelfasern die dieses innerviert. Es gibt schwache ME für alltägliche Belastungen zb. Ein Glas heben, und es gibt starke ME wenn Maximalkraft erforderlich ist. Des Weiteren werden Fasern grob in Typ 1 und 2 Fasern unterschieden. Typ 1 sind langsam kontrahierende Fasern, die bei Ausdauer aktiv sind, Typ 2 sind schnell kontrahierende Fasern die für hohen Kraftaufwand aktiviert werden. Typ 1 Fasern erreichen durch alltägliche Belastungen schon früh ihre finale Größe und haben im Gegensatz zu Typ 2 wenig Wachstumspotential da sie durch ihren oxidativen Metabolismus in ihrem Größenwachstum diffusionsbedingt limitiert sind. Typ 2 Fasern decken ihren Energiebedarf glykolytisch, produzieren viel Kraft und haben mehr Wachstumspotential, da diese im Alltag selten belastet werden. Startet man bei 0 kann man mit allen Reizen Hypertrophie erzeugen. Für einen eingegipsten atrophierten Arm ist das Heben eines Wasserglases Workout genug, um mit Hypertrophie zu reagieren. Genau so lange bis die Aktivität keinen Reiz mehr darstellt um weiter zu wachsen. Ausdauersport baut keine Muskeln auf da hier keine Großen ME aktiv sind und damit vorwiegend Typ 1 Fasern beansprucht werden. Kein Kraftbedarf keine Hypertrophie. Explosivkraftübungen erreichen zwar eine hohe Muskelaktivität, aber die Last auf den Muskel ist zu klein um einen Reiz zu bewirken. Man braucht hohe Aktivität mit hoher mechanischer Spannung.
Instabiles Training?
Motor Unit Recruitment (MUR) gibt das Ausmaß der Aktivität eines Muskels an. Nach dem Hennemann Prinzip werden ME nach ihrem Kraftpotential aktiviert. Die größten ME sind erst aktiv bei maximalen Lasten. Trainiert man auf instabilem Untergrund, limitiert unser Hirn das MUR auf ein Submaximum. Damit bleiben die Größten ME mit bestem Wachstumspotential inaktiv und die Übung ist ineffizienter. Das gilt auch für Freihantelübungen gegenüber Maschinen. Auch wenn andere Faktoren limitieren, wie zb die Griffkraft bleibt man unter dem Potential für den Zielmuskel.
Leichtes Gewicht und viele Wiederholungen?
Einige Studien zeigen, dass wenn man bis ans Muskelversagen geht, man mit leichtem Gewicht (12+ Wiederholungen) gleich gut Muskeln aufbaut wie mit schwerem Gewicht (ca. 5-10 Wiederholungen). ME werden rekrutiert von schwach nach stark. Hebt man ein leichtes Gewicht sind anfänglich die schwachen ME aktiv, bis diese ermüden. Dann schalten sich die größeren ME dazu so dass man am Ende des Satzes auch die stärksten ME zur Hypertrophie anregen kann. Hier ist Muskelversagen notwendig. Die Gefahr dabei ist, dass bedingt durch das Brennen im Muskel wegen Metaboliten Akkumulation und durch die stärkere kardiorespiratorische Belastung nicht mehr das volle Muskelpotential auszuschöpfen ist und man den Satz zu früh beenden muss. Bei hohem Gewicht hat man von Anfang an maximales MUR. Man muss nicht unbedingt zum Versagen gehen und kann auch mal eine Wiederholung im Tank lassen. Außerdem erreicht man nur mit hohem Gewicht die maximale Kraftentwicklung, die neben der Muskelgröße auch von den Anpassungen an die koordinativen Ansprüche des schweren Hebens abhängig ist.
Wie baut man optimal Muskeln auf?
Hohe Mechanische Spannung, hohe Aktivierung, wenig Muskelschäden, progressive Steigerung von Gewicht.
Also viel Gewicht, so dass man ca. 5-10 Wiederholungen schafft für ca. 3 Sätze pro Muskel pro Workout und das ca. 2-3x pro Woche mit insgesamt ca. 6 Übungen so dass man sich im nächsten Workout steigern kann. Dabei die Übung so wählen, dass maximale Stabilität gewährleistet ist. Der wichtigste Muskel wird am Anfang trainiert. Wieviel man wirklich trainieren kann ist eine individuelle Frage der Regeneration. Neben dem progressiven Steigern der Gewichte ist es auch wichtig verschiedene Übungen pro Muskel durchzuführen, da nicht alle Areale desselben Muskels bei einer Übung gleich aktiv sind. Ansonsten kann ein Plateau entstehen. Man steigert sich nicht mehr da die beteiligten Fasern bereits maximal hypertrophiert sind.
Muskelaufbau ist, oft unbewusst, üblicherweise das was man verfolgen sollte wenn man sein ideales Körperbild anstrebt. Egal bei welchem Geschlecht.
Die Angst, zu muskulös zu werden, basiert auf dem Vergleich mit Profibodybuilder/-innen, die sich durch den Gebrauch anaboler Steroide und unmenschlichen Diäten auf ungesund tiefe Körperfettanteile hinunterhungern und ihr Leben dafür opfern.
Man hat schließlich auch keine Angst die Olympische Medaille im Kunstturnen zu erhalten nur weil man ab und zu ein Rad schlägt.
Wem seine Muskelmasse genug ist, kann auch einfach auf Erhalt trainieren.
Heben mit rundem Rücken?
Ist eine natürliche Bewegung, die auch trainiert werden sollte. Um den Erector spinae optimal zu trainieren kann man beispielsweise Jefferson curls oder Back extensions machen. Dabei den Rücken einrunden. Nicht mit rundem Rücken zu heben ist mit “Knie nicht über Zehen“ ein Mythos der immer noch kursiert, Patienten verunsichert und mit negativen Verhaltensweisen zurücklässt. Wie immer leicht anfangen und langsam steigern. Der Körper meldet normalerweise wenn eine Übung schlecht für ihn ist. Das ist abhängig von individuellen anatomischen Parametern.
Da der Proteinbedarf von 1.5-2g/kg Körpergewicht nicht leicht zu decken ist kann gerne auf Proteinshakes zurückgegriffen werden. Auch Kreatin ist gut untersucht, sicher und wirkt leistungssteigernd auf Muskelfunktion und Kognition.
Wichtigste Punkte:
Muskelschäden und Muskelkater sind zu vermeiden, da sie die Trainingsfrequenz senken und wahrscheinlich nicht zum Wachstum beitragen.
Training mit vielen Wiederholungen und niedrigem Gewicht ist begrenzt möglich aber ineffizienter als Training mit hohem Gewicht und wenig Wiederholungen.
Ausdauertraining baut keine Muskeln auf.
Nur weil der Muskel brennt und man Kater hat, hat man noch lange keinen Hypertrophiereiz gesetzt.
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Experimental Gerontology, Volume 108, 15 July 2018, Pages 166-173
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