Seit 10 Jahren gibt es die vertrauliche Geburt für Frauen, die ihr Kind sicher, aber unerkannt zur Welt bringen möchten. Kaum jemand kennt diese Alternative zur Babyklappe, dabei kann sie Leid verhindern.
Primär soll eine vertrauliche Geburt verhindern, dass Frauen in einer Notlage ohne medizinische Hilfe ihr Kind zur Welt bringen müssen. Wichtig dabei ist, gesundheitlichen Beeinträchtigungen von anonym abgegeben Kindern entgegenzuwirken. Die Möglichkeit der Adoptionsfreigabe in einem Schwangerschaftskonflikt kann damit zu einer individuell passenden Lösung führen.
Seit etwa 20 Jahren haben sich in Deutschland Angebote zur anonymen Kindesabgabe etabliert. Durch die Möglichkeit der anonymen Geburt sollen schwanger Frauen unterstützt werden, die aus einer Notlage heraus in Gefahr sind, ihr Kind ohne medizinische Begleitung zur Welt zu bringen. Weiterhin wurden sogenannte Babyklappen installiert, damit Neugeborene ohne gesundheitliches Risiko anonym abgegeben werden können. Davon gibt es mittlerweile rund 100 in Deutschland.
Vor zehn Jahren wurde das Konzept der vertraulichen Geburt hinzugenommen, für das sich seither nahezu 1.200 Frauen entschieden haben. Dabei handelt es sich in erster Linie um ein Hilfsangebot für Betroffene, die ihre Schwangerschaft geheim halten und danach ihr Kind zur Adoption freigeben möchten. Gegenüber einem herkömmlichen Adoptionsverfahren bleibt die Frau bis auf weiteres anonym.
Am 1. Mai 2014 trat im Rahmen des Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) die gesetzliche Regelung der vertraulichen Geburt in Kraft. Es schaffte den gesetzlichen Rahmen, damit Kinder unter einer geschützten Identität und mithilfe einer sicheren Geburtshilfe zur Welt gebracht werden können. Insbesondere entlastet es Schwangere in einer Konfliktsituation, die ihr Kind zwar austragen wollen, sich aber nicht in der Lage fühlen, selbst für ihr Kind zu sorgen. Zudem bietet es den beteiligten Beratungsstellen, Jugendämtern, Kliniken und Hebammen eine rechtssichere Handlungsgrundlage.
Eine 24-jährige Studentin wird ungewollt schwanger. Sie befindet sich in der 10. SSW, als sie sich bei ihrer Gynäkologin in der Sprechstunde vorstellt. Sie kann sich ein Leben mit Kind in ihrer jetzigen Situation auf keinen Fall vorstellen. Auch sollen ihre Eltern, die im benachbarten Ausland wohnen, nichts von der Schwangerschaft erfahren. Ein Abbruch kommt für sie nicht in Frage. Sie will das Kind in einer Klinik zur Welt bringen und danach zur Adoption freigeben. Dabei möchte sie ihre Identität zunächst nicht preisgeben, ist sich aber nicht sicher, wie sie darüber zukünftig entscheiden will. Die Gynäkologin informiert die Patientin über die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt und verweist sie an eine zuständige Schwangerenberatungsstelle, die alles weitere regelt.
Um eine vertrauliche Geburt in Anspruch zu nehmen, offenbart die Schwangere ihre wahre Identität einmalig einer Beraterin in einer Schwangerenberatungsstelle, die gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Die Beraterin nimmt die Angaben auf und schickt sie nach der Geburt des Kindes in einem versiegelten Umschlag an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). Die Schwangere wählt ein Pseudonym für sich und kann auch den Vornamen des Kindes bestimmen. Abgesehen von der Beraterin kennt niemand die wahre Identität der Schwangeren.
Bei der vertraulichen Geburt wird im Gegensatz zur anonymen Geburt bzw. Abgabe des Kindes in eine sogenannten Babyklappe, die Anonymität der Mutter bis auf Widerruf gewährleistet.
Durch die Hinterlegung der mütterlichen Identität wird das gesetzliche Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung berücksichtigt. Mit dem 16. Geburtstag erhält das Kind das Recht, die Identität seiner leiblichen Mutter beim BAFzA einzusehen. Sieht sich die Mutter durch die Aufdeckung ihrer Identität gefährdet, kann sie ab dem 15. Geburtstag des Kindes die Aufrechterhaltung ihrer Anonymität beantragen. Sie muss sich in diesem Fall unter Angaben ihres Pseudonyms an eine Schwangerschaftsberatungsstelle wenden. Das Familiengericht prüft in einem solchen Fall, ob die Interessen der Mutter gegenüber den Interessen des Kindes überwiegen.
Der Deutsche Ethikrat hatte bereits im November 2009 empfohlen, die gesetzlichen Grundlagen für eine vertrauliche Geburt zu schaffen und die Angebote von anonymer Geburt und Babyklappe aufzugeben. Als Begründung gelten Erfahrungsberichte, nach denen in vielen Fällen das Leid der Frauen, die ohne Zugang zu einem Beratungsangebot eine anonyme Abgabe ihres Kindes vorgenommen hatten, später nur umso größer sei. Man fürchte schwerwiegende Folgen für die psychische Entwicklung von Kindern, die unter der Anonymität ihrer Herkunft lebenslang leiden könnten. Ebenso hätten Mütter bzw. Eltern, denen der Kontakt zu ihren leiblichen Kindern lebenslang verschlossen bleibt, im Nachhinein diesen Schritt bereut.
Letztendlich handelt es sich um eine Kompromisslösung zwischen dem Recht des Kindes auf Kenntnis seiner biologischen Wurzeln und der Würdigung einer Notlage, in der sich die Frau befindet. Für Frauen, die ihren Schritt im Nachhinein bereuen, birgt es eine zweite Chance, den Kontakt zu ihrem Kind herzustellen.
Bei einer angemeldeten vertraulichen Geburt kennen die betreuenden Kliniken und Hebammen nur das Pseudonym der Schwangeren, das ihnen bei der Anmeldung durch die Beratungsstelle mitgeteilt wird.
Die zuständige Beratungsstelle informiert das Jugendamt, das wiederum das Familiengericht beauftragt, einen Vormund für das Kind zu bestellen. Bis zum gerichtlichen Adoptionsbeschluss, der in der Regel frühestens ein Jahr später erfolgt, hat die Frau Zeit, sich über die Endgültigkeit ihres Entschlusses klar zu werden. Dabei wird sie von der Beratungsstelle begleitet und über mögliche Hilfestellungen informiert.
„Die Frau wird zu keinem Zeitpunkt mit ihrer Situation alleingelassen, sondern auf Wunsch stets von der Beratungsstelle begleitet und ermutigt, den für sie richtigen Weg zu finden“, so die Informationsschrift des zuständigen Bundesministeriums.
Die Entscheidung zur vertraulichen Geburt kann auch kurzfristig vor oder nach der Geburt erfolgen. In diesem Fall wird die zuständige Beratungsstelle von der Klinik oder einer Hebamme, falls die Entbindung außerklinisch stattfindet, informiert. Alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Geburt und der Vor- und Nachsorge entstehen, trägt der Bund. Sollte die Frau nach der Geburt ihre Anonymität aufgeben, übernimmt die Krankenversicherung in der Regel die Kosten.
Die einzig richtige Lösung bei Schwangerschaftskonflikten gibt es nicht. Es gibt aber verschiedene Lösungsansätze, die man im professionellen Umfeld von Schwangeren kennen sollte. Mit der Möglichkeit der vertraulichen Geburt ist vor 10 Jahren ein Konzept hinzugekommen, das denjenigen Frauen, die zunächst anonym ihr Kind sicher zur Welt bringen und danach zur Adoption freigeben möchten, eine entscheidende Alternative bietet. Mit der Hinterlegung der wahren Identität wird der Weg offengehalten, um dem betroffenen Kind im Nachhinein Kenntnis über seine biologischen Wurzeln zu gewähren.
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