ADHS wird oft übersehen – besonders bei Erwachsenen.
Während die Störung meist mit hyperaktiven Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht wird, bleibt eine große Gruppe unerkannt: Erwachsene, insbesondere Frauen in den Wechseljahren. Die hormonellen Veränderungen während der Menopause verschlimmern die ADHS-Symptome bei vielen Betroffenen. Doch die Versorgungslücke ist gravierend: Es fehlen spezialisierte Anlaufstellen, und auch Notfallnummern wie die 116117 oder Notfall-Codes bringen keine wirkliche Hilfe, wenn keine Behandler verfügbar sind.
Für Hausärztinnen und Hausärzte stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Sie sind oft der erste Kontaktpunkt für Frauen, die sich überfordert, gestresst und vergesslich fühlen. Doch was tun, wenn diese Symptome nicht nur auf die Wechseljahre, sondern auf eine unerkannte ADHS zurückzuführen sind? Und wie kann die Versorgungslücke geschlossen werden, wenn selbst mit einem Notfall-Code keine schnellen Behandlungen verfügbar sind?
Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Situation und zeigt auf, wie Hausärztinnen und Hausärzte eine entscheidende Rolle als „Lotsen“ im Gesundheitswesen spielen können – und was sich ändern muss, um diesen Frauen gezielt zu helfen.
Lena ist 46 Jahre alt und befindet sich in den Wechseljahren. Seit Monaten klagt sie über zunehmende Erschöpfung, Konzentrationsprobleme und emotionale Labilität. Ihre Frauenärztin hat sie über HRT und Lebensstil-Änderungen informiert. Aber so wirklich verändert sich dadurch nichts. Ihre Aufgaben im Job kann sie kaum noch bewältigen. An manchen Tagen fühlt sie sich völlig überfordert, als würde ihr alles aus den Händen gleiten. Ihre Hausärztin vermutet zunächst, dass ihre Beschwerden typisch für die Menopause sind. Doch Lenas Probleme gehen darüber hinaus: Sie ist impulsiv, kann sich schlecht organisieren und fühlt sich ständig innerlich unruhig.
Nach einem längeren Gespräch erkennt die Hausärztin, dass Lena möglicherweise an einer unentdeckten ADHS leidet. Das liegt nahe, zumal ihr Sohn Tim derzeit auch eine ADHS-Diagnostik sucht und ihre Tochter Lisa seit ihrer Pubertät Symptome der Gender-Dysphorie bzw. AuDHS vermutet.
Sie verweist sie an die Kassenärztliche Vereinigung (KV), um einen Facharzt zu finden, der die Diagnose stellen und eine entsprechende Behandlung einleiten kann. Doch genau hier stößt Lena auf das nächste Problem: Die KV verweist auf Datenbanken, aber freie Termine gibt es nicht. Auch die Notfallnummer 116117 bringt keine Lösung. Obwohl Lena einen Notfall-Code erhält, gibt es keine verfügbaren Behandler. Wo nichts ist, ist nichts.
Lena ist frustriert. Sie hat die erste Hürde genommen – die Vermutung einer ADHS-Diagnose – doch es fehlen die Ressourcen, um ihr schnell und gezielt zu helfen.
Hausärztinnen und Hausärzte sind häufig die erste Anlaufstelle für Frauen wie Lena. Sie kennen ihre Patientinnen gut und haben das nötige Vertrauen aufgebaut, um über verschiedene Symptome offen sprechen zu können. Doch gerade bei komplexen chronischen Erkrankungen wie ADHS bei Erwachsenen stoßen viele Hausärzte an ihre Grenzen – besonders wenn es um die Erkennung und schnelle Weitervermittlung an Fachärzte geht.
Die Herausforderungen:
Erkennung der Symptome: ADHS-Symptome bei Erwachsenen werden oft übersehen oder falsch interpretiert. Insbesondere bei Frauen in den Wechseljahren können die Symptome wie Erschöpfung, Reizbarkeit und Konzentrationsprobleme schnell als typische Begleiterscheinungen der Menopause abgetan werden. Doch viele Frauen wie Lena leiden zusätzlich an ADHS, was ihre Symptome verstärkt.
Fehlende spezialisierte Anlaufstellen: Selbst wenn Hausärztinnen und Hausärzte ADHS bei ihren Patientinnen vermuten, haben sie oft Schwierigkeiten, spezialisierte Fachärzte zu finden, die eine Diagnose stellen und eine Therapie einleiten können. Die Kassenärztlichen Vereinigungen verweisen lediglich auf Datenbanken von Fachärzten, doch diese haben oft keine freien Termine.
Überlastung der Notfallnummer 116117: Selbst die Notfallnummer 116117, die theoretisch für schnelle medizinische Hilfe sorgt, hilft in Fällen wie Lenas wenig weiter. Auch mit einem Notfall-Code gibt es keine Garantie, dass ein freier Behandlungsplatz verfügbar ist. Dies zeigt die strukturelle Unterversorgung im Bereich der ADHS-Therapie bei Erwachsenen deutlich auf.
Hausärzte spielen eine Schlüsselrolle in der Versorgung von Erwachsenen mit ADHS, besonders Frauen in den Wechseljahren. Der folgende 10-Punkte-Plan zeigt, wie die Versorgung verbessert werden kann – und wie Hausärzte dabei unterstützt werden können, ihre Rolle als „Lotsen“ im System erfolgreich wahrzunehmen.
Hausärztinnen und Hausärzte müssen besser über ADHS bei Erwachsenen, insbesondere über die spezifischen Symptome in den Wechseljahren, informiert werden. Fortbildungen sollten verpflichtend sein, um ein besseres Verständnis für die Erkennung und Behandlung von ADHS bei erwachsenen Frauen zu schaffen.
Hausärzte müssen direkten Zugang zu Netzwerken haben, die ihnen helfen, ihre Patientinnen schnell an spezialisierte Fachärzte für ADHS weiterzuvermitteln. Diese Vernetzung könnte über lokale Gesundheitsnetzwerke oder spezialisierte Online-Plattformen erfolgen.
Die Notfallnummer 116117 und der dazugehörige Notfall-Code sollten nur vergeben werden, wenn auch wirklich Behandler verfügbar sind. Derzeit verpufft der Nutzen eines Codes, wenn keine Termine bei Fachärzten frei sind. Hier müssen Strukturen geschaffen werden, die sicherstellen, dass ein Notfall-Code auch zu einer zeitnahen Behandlung führt.
Es muss mehr spezialisierte Ambulanzen für ADHS bei Erwachsenen geben, die sich auch auf die Wechseljahre und hormonelle Einflüsse konzentrieren. Diese Ambulanzen könnten die Lücke in der Versorgung schließen und den Druck auf Hausärzte reduzieren.
Ein erweitertes Online-Terminvergabesystem, das freie Kapazitäten von Fachärzten anzeigt, könnte Hausärzten helfen, ihre Patientinnen schneller und effizienter weiterzuvermitteln. Der Zugang zu solchen Systemen sollte für Hausärzte leicht und schnell zugänglich sein.
Hausärzte können eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung ihrer Patientinnen spielen. Viele Frauen wissen nicht, dass ihre Symptome möglicherweise durch ADHS verstärkt werden. Eine gezielte Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen hormonellen Veränderungen und ADHS könnte den Patientinnen helfen, früher eine Diagnose und Behandlung zu erhalten.
Es braucht mehr Forschung zu den Wechselwirkungen von ADHS und hormonellen Veränderungen, um spezifische Therapieansätze für Frauen in den Wechseljahren zu entwickeln. Diese Forschung sollte auch Hausärzten zugutekommen, um gezielte Behandlungspläne für ihre Patientinnen zu erstellen.
Die Diagnostik und Therapie von ADHS bei Erwachsenen sollte besser von den Krankenkassen unterstützt werden. Derzeit wird ADHS oft noch als „Kinderkrankheit“ wahrgenommen, was die Versorgung von erwachsenen Frauen wie Lena erheblich erschwert.
Hausärzte sollten ihre Patientinnen auf Selbsthilfegruppen und Peer-Netzwerke hinweisen, die ihnen zusätzliche Unterstützung bieten können. Diese Gruppen sind oft eine wichtige Ressource für Betroffene, um sich mit anderen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Psychiater, Neurologen, Frauenärzte und Therapeuten sollten stärker für das Thema ADHS bei Erwachsenen, insbesondere bei Frauen in den Wechseljahren, sensibilisiert werden. Hausärzte können hier eine zentrale Rolle spielen, indem sie aktiv mit diesen Fachgruppen zusammenarbeiten und für die besonderen Bedürfnisse ihrer Patientinnen sensibilisieren.
Der Fall von Lena zeigt, wie wichtig die Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte bei der Erkennung und Behandlung von ADHS bei erwachsenen Frauen, besonders in den Wechseljahren, ist. Doch ohne ausreichende Unterstützung durch das Gesundheitssystem stoßen auch sie an ihre Grenzen. Der 10-Punkte-Plan zeigt, welche Veränderungen notwendig sind, um die Versorgungslücke zu schließen und den Patientinnen die Hilfe zu bieten, die sie benötigen.
Es ist an der Zeit, dass ADHS bei Erwachsenen als ernstzunehmende chronische Erkrankung erkannt wird – und dass Hausärzte die notwendige Unterstützung erhalten, um ihre Rolle als „Lotsen“ erfolgreich wahrzunehmen.Wenn Sie weitere Beiträge zu ADHS / Autismus-Spektrum verfolgen wollen, so biete ich einen Newsletter und eine ADHS-Community. Mehr