Die Pubertät ist in vielerlei Hinsicht eine Zeit des Umbruchs – die erste Liebe, der Schulabschluss, Träume von der Zukunft und andere Umstellungen. Eine aus medizinischer Sicht wichtige Veränderung ist der Wechsel von der pädiatrischen Versorgung in die Erwachsenenversorgung. Bei den meisten Patient*innen läuft dieser Prozess in der Regel unproblematisch als einmaliger Prozess, dem sogenannten Transfer, ab.
Für Patient*innen mit besonderem gesundheitlichen Versorgungsbedarf, etwa nach einer Transplantation oder bei einer chronischen Erkrankung, ist ein Transfer jedoch nicht geeignet. Bei diesen Patient*innen bietet sich ein schrittweiser Wechsel in die Erwachsenenversorgung an, eine sogenannte Transition. Etwa 14% der Jugendlichen in Deutschland fallen in diese Kategorie.1 Oft mangelt es jedoch bei derTransition dieser Patient*innen an übergreifenden Standards für den Überleitungsprozess. Denn die Kommunikation und Koordination zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren ist nicht immer optimal.2,3
Das hat zur Folge, dass bis zu 40% der Patient*innen während des Übergangs den Anschluss an eine entsprechende Spezialversorgung verlieren oder unterversorgt werden.4 Dies kann im Falle von Organtransplantationen bspw. zu einer erhöhten Rate von Transplantatverlusten und einem erneuten Dialysebedarf nach Nierentransplantation führen.5 Außerdem gibt eine Studie mit pädiatrischen Lebertransplantat-Empfänger*innen Hinweise darauf, dass es nach der Transition zu einer unregelmäßigen Einnahme von Immunsuppressiva kommen kann.6
Die 2021erschienene S3-Leitlinie der Gesellschaft für Transitionsmedizin zum Thema „Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin“ hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, den Transitionsprozess zu strukturieren und zu standardisieren, um so eine kontinuierliche Betreuung der Patient*innen zu ermöglichen.
Als Grundlage für die Planung des Transitionsprozesses sehen die Autor*innen eine Erfassung der Transitionsfähigkeit und -bereitschaft der Patient*innen. Dies könne bspw. anhand validierter Fragebögen wie der deutschen Fassung des „Transition Readiness Assessment Questionnaire“ (TRAQ) oder des Fragebogens zur Transitionskompetenz erfolgen.7
Die Leitlinie hebt hervor, dass eine gelungene Transition nicht nur medizinische, sondern auch psychosoziale, schulische und berufliche Aspekte berücksichtigen muss. Dabei ist besonders ein individualisierter Transitionsplan essenziell. Er definiert nicht nur die einzelnen Maßnahmen, sondern auch die Verantwortlichkeiten und kritischen Zeitpunkte, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen.7
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die flexible Gestaltung des Übergangszeitpunkts. Dieser sollte laut den Autor*innen nicht starr an den 18. Geburtstag gebunden sein, sondern die individuellen Reifegrade und die spezifischen Krankheitsverläufe berücksichtigen und sollte deswegen bis zum 21. Lebensjahr verschiebbar sein.7
Ein zentraler Bestandteil der Transition ist die Schulung der Patient*innen und, je nach Bedarf, ihrer Eltern bzw. Betreuungspersonen. Diese Schulungen sollen den Jugendlichen die notwendigen Kompetenzen vermitteln, um im Erwachsenenalter eigenverantwortlich mit ihrer Krankheit umgehen zu können und sie zu Expert*innen im Umgang mit ihrer eigenen Krankheit machen.7
Darüber hinaus betont die Leitlinie die Wichtigkeit eines interdisziplinären Ansatzes, bei dem sowohl Ärzt*innen verschiedener Fachrichtungen, als auch Pflegekräfte, Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen zusammenarbeiten, um die bestmögliche kontinuierliche Betreuung zu gewährleisten.7
Die Transition ist ein komplexer Prozess, der weit mehr erfordert als eine einfache Weitergabe von Patient*innendaten. Die S3-Leitlinie zur Transition bietet eine fundierte Basis, um den Übergang von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin strukturiert und erfolgreich zu gestalten. Für Ärzt*innen bedeutet dies, dass sie nicht nur als medizinische Betreuer*innen, sondern auch als Koordinator*innen eines umfassenden Prozesses fungieren, der das Leben ihrer jungen Patient*innen nachhaltig beeinflusst.
Die vollständige Leitlinie finden Sie hier.
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