Der Herbst naht – und damit geht auch das Impfen wieder los. Nur, für wen gilt welche Empfehlung und welche Impfungen könnt ihr zusammen geben? Hier erfahrt ihr alles, was ihr für diese Saison wissen müsst.
Ein Text von Ulrich Enzel
Die STIKO zieht mit ihren Empfehlungen klare Grenzen: ab 60 gilt man als Senior und wird zum Ziel eigener Standard-Impfungs-Empfehlungen (gelegentlich aber erst ab 75). Von zentraler Wichtigkeit gerade für die Impfberatung ist, dass diese auf Alte zielenden STIKO-Empfehlungen durchgängig fast gleichlautend als Indikations-Impfungen eine zumindest ebenso wichtige Gruppe betreffen: die chronisch Kranken und Patienten mit Immundefizienz. Und diese besonders von schweren Krankheitsverläufen bedrohte Risiko-Gruppe beginnt oftmals bereits im Alter von 7 Monaten (manchmal aber erst mit 50 oder 60 Jahren).
Wann und wie sollen wir diese (vielen) Impfungen realisieren? Hier helfen zwei Zauberworte: Zum einen die „Koadministration“. Bis zu vier Impfungen können bei einem Termin durchgeführt werden, zwei in die beiden Deltoideus-Muskeln, zwei beidseits in den Vastus lateralis. Und die STIKO weist ausdrücklich auf diese Möglichkeit hin, die bei fast allen der unten aufgelisteten Impfstoffe ohne Wirkverlust oder massiv verstärkte Nebenwirkungen möglich ist. Grundsätzlich sind alle Totimpfstoffe koadministrierbar; dies gilt mit Einschränkung auch für beide zugelassenen RSV-Impfstoffe. Für diese liegen derzeit allerdings nur Daten zur gleichzeitigen Influenza-Impfung vor, nicht aber mit Impfstoffen gegen Pneumokokken, COVID-19 oder Herpes zoster. Zur DTP-Impfung (Diphtherie, Tetanus, Pertussis) soll ein Abstand von 14 Tagen eingehalten werden.
Das zweite Zauberwort: „jährliche Auffrischimpfung“. Zu einer solchen rät die STIKO lediglich gegen COVID-19 und Influenza. Bei allen weiteren hier aufgeführten Impfungen gibt es – zumindest derzeit – keine Auffrisch-Empfehlung.
Die Empfehlung zur Standardimpfung gegen RSV zielt auf alle Personen im Alter von 75 Jahren und darüber. Diese sollen eine einmalige Impfung mit einem Protein-basierten RSV-Impfstoff erhalten, möglichst vor der RSV-Saison, die üblicherweise im Oktober beginnt. Eine Indikationsimpfung wird bei zwei Risikogruppen empfohlen: zum einen für Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren, die an einer schweren Grundkrankheit leiden, zum anderen für solche dieser Altersgruppe, die in einer Pflegeeinrichtung leben.
Zur Impfung stehen derzeit ausdrücklich lediglich die beiden ab Alter 60 zugelassenen Protein-basierten RSV-Impfstoffe (Abrysvo® und Arexvy®) zur Verfügung, deren hohe Wirksamkeit in den betroffenen Altersgruppen durch umfangreiche Studien gesichert werden konnte. Den ebenfalls für diese Altersgruppe zugelassenen mRNA-Impfstoff benennt diese STIKO-Empfehlung nicht.
Die STIKO hat am 23.9.2023 ganz klare, geradezu radikal geänderte Empfehlungen zur Impfung mit den in dem Jahr neu zugelassenen Konjugat-Impfstoffen getroffen und im Epidemiologischen Bulletin 39/2023 ausführlich wissenschaftlich begründet:
Für die Standardimpfung von Personen ab dem Alter von 60 Jahren wird die Verwendung des 20-valenten Konjugat-Impfstoffes (PCV20, Prevenar20®) empfohlen. Denn dieser kann – so die STIKO-Begründung – einen Schutz gegen jene Serotypen vermitteln, die bei Senioren die größte Rolle spielen. In nicht ferner Zukunft sind gewiss weitere Änderungen der STIKO-Empfehlung zu erwarten, denn einige neuartige Impfstoffe stehen kurz vor der Zulassung.
Erwachsene Personen mit Grunderkrankungen, die in der Vergangenheit bereits eine sequentielle Impfung erhalten haben (z. B. PCV13 + PPSV23), sollen in einem Mindestabstand von 6 Jahren nach der PPSV23-Impfung eine Impfung mit PCV20 erhalten. Bei einer ausgeprägten Immundefizienz kann bereits im Mindestabstand von einem Jahr nach der PPSV23-Impfung eine Impfung mit PCV20 erfolgen.
Bereits am 18.09.2023 hat die STIKO ihre ebenso präzisen, wie detaillierten Empfehlungen zur Impfung gegen COVID-19 (Epidemiologisches Bulletin 21/23) ergänzt.
Sie empfiehlt eine COVID-19-Auffrischimpfung „mit einem zugelassenen mRNA- oder Protein-basierten Impfstoff mit jeweils von der WHO-empfohlener Varianten-Anpassung“ für Risikogruppen:
Die Auffrischimpfung soll möglichst in einem Mindestabstand von 12 Monaten zur letzten vorangegangenen COVID-19-Impfung oder SARS-CoV-2-Infektion durchgeführt werden. Bei Personen mit einer relevanten Einschränkung der Immunantwort kann es erforderlich sein, den grundsätzlich empfohlenen Mindestabstand von 12 Monaten für weitere Auffrischimpfungen zu verkürzen. Der Herbst wird ausdrücklich als günstiger Zeitpunkt für die Impfung benannt, da Atemwegsinfektionen üblicherweise in der kalten Jahreszeit gehäuft auftreten. Sofern auch eine Indikation zur Impfung gegen Influenza besteht, können beide Impfungen am gleichen Termin erfolgen. Dies gilt auch für die (ggf. zusätzliche) Koadministration einer Pneumokokken-Impfung.
Ein nach den WHO-Empfehlungen an die aktuelle Omikron-Variante JN.1 angepasstes neues Vakzin wird seit dem 12. August 2024 ausgeliefert.
Hier hat die STIKO ihre Stellungnahme (Epidemiologisches Bulletin 4/2023) nicht in Richtung einer generellen Impfempfehlung für alle Kinder jenseits des 7. Lebensmonats erweitert, obgleich verschiedene hierfür zugelassene Impfstoffe zur Verfügung stehen. Die Effizienz einer solchen generellen Impfung aller Kinder sowohl für den Eigenschutz als auch zur „Herden-Immunisierung/das Gemeinwohl“ konnte längst durch umfangreiche Studien gesichert werden. So bleibt es bei diesen „alten“ Empfehlungen zur Standard- und Indikationsimpfung. Allerdings übernimmt die GKV in vielen Bundesländern, über diese Empfehlungen hinausgehend, die Kosten der Influenza-Impfung generell für alle Altersgruppen ab dem 7. Lebensmonat.
Als Standard-Impfung benennt die STIKO bei Personen ab dem Alter von 60 Jahren die jährliche Impfung im Herbst (noch) mit einem inaktivierten quadrivalenten Hochdosis-Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination. Für die Indikations-Impfung führt die STIKO als Risikogruppen auf:
Seit September 2023 empfiehlt die WHO den Wechsel von quadrivalenten zu trivalenten Influenza-Impfstoffen ohne die B/Yamagata-Linie. Die Verfügbarkeit eines trivalenten lebend-attenuierten Influenza-Impfstoffs (LAIV) in Deutschland wird ab der Saison 2024/2025 erwartet. Trivalente inaktivierte Influenza-Impfstoffen werden wohl erst ab der Saison 2025/2026 zur Verfügung stehen. Daher hat die STIKO ihre Influenza-Impfempfehlung (am 1.8.2024) wie folgt angepasst: „Die STIKO empfiehlt eine jährliche Impfung im Herbst für Personen im Alter von ≥ 60 Jahren mit einem inaktivierten Influenza-Hochdosis-Impfstoff (bei Lieferengpässen mit einem anderen inaktivierten Influenza-Impfstoff, z. B. Zellkultur-basierte, Splitvirus-, Subunit-, rekombinante und adjuvantierte Impfstoffe) oder bei entsprechender Indikation im Alter von ≥ 6 Monaten mit einem inaktivierten Influenza-Impfstoff (Standarddosis) mit jeweils von der WHO empfohlener Antigenkombination.“
Erwähnt werden muss auch die von der STIKO bereits seit vielen Jahren empfohlene Impfung gegen Herpes zoster. Obgleich diese Studien-gesichert mindestens 11 Jahre lang das Risiko einer Herpes-zoster-Erkrankung deutlich, und das einer Post-zoster-Neuralgie noch weit ausgeprägter, reduzieren kann, wird die Zoster-Impfung erstaunlich gering realisiert. Die STIKO rät den einzigen Totimpfstoff (Shingrix®) als Standard-Impfung bei allen Personen ab Alter 60, bei solchen mit chronischen Krankheiten als Indikationsimpfung ab Alter 50 generell einzusetzen mit zwei Impfdosen im Abstand von 2–6 Monaten. In anderen Ländern (und von deutschen Fachgesellschaften) wird zu dieser Impfung auch geraten, wenn es bei über 18-Jährigen zu einer Herpes-zoster-Erkrankung gekommen ist. Aus den bisher vorliegenden Daten konnte die STIKO keine Empfehlung zu einer Auffrischimpfung ableiten.
Impfung bei Älteren ist ein wichtiges Beratungsthema in jeder Arztpraxis. Schließlich sollte über das oben aufgezeigt „Impf-Arsenal“ hinausgehend nicht nur lebenslang alle 10 Jahre der Impf-Schutz gegen Tetanus und Diphtherie geboostert werden, zumindest alle Großeltern mit Enkel-Kontakt sollten – auch wenn sie bereits an Keuchhusten erkrankt waren – mit diesem Intervall auch gegen Pertussis geimpft werden, um sich selbst und ihre Enkelkinder zu schützen. Prävention, so umfassend wie irgend möglich zu realisieren ist eine unserer vordringlichsten wie vornehmsten ärztlichen Aufgaben.
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