Morgens die Hüft-OP, nachmittags mit neuem Gelenk auf den Beinen – was nach überhasteter Unvernunft klingt, ist dank des Fast Track Verfahrens in vielen Kliniken Realität. Wie funktioniert das und wann sollte man die Finger davon lassen?
Als schnelles Nümmerchen unter den operativen Eingriffen gehört das Fast-Track-Verfahren in der orthopädischen Chirurgie in Deutschland schon oft zur gängigen Praxis. Insbesondere in Sachen Hüft- und Knieendoprothetik kommt das aus Dänemark stammende Verfahren bei Spezialisten zur Anwendung. Doch es eignet sich nicht in allen Fällen und Kliniken – auch wenn die medizinischen Vorteile überwiegen.
Das Konzept fußt auf einer guten Kommunikation zwischen allen beteiligten Behandlern, einer stärkeren Integration der Patienten und umfassenden individuellen Nachsorgeplänen. „Wir haben rund anderthalb Jahre gebraucht, um das Fast-Track-System zu etablieren“, beschreibt Prof. Karl-Dieter Heller seinen Weg der Umsetzung. Es gehe in erster Linie darum, Verständnis zu schaffen, Kommunikation zu betreiben und alle Player mit ins Boot zu holen. „Fast Track bedeutet in dem Fall eben nicht nur der chirurgische Eingriff – sondern auch veränderte Methoden in der Anästhesie und andere Pflegepläne und Reha-Systeme im Nachgang, sowie eine strukturierte Vorbereitung. Bei uns gehen aktuell bestimmt 80 % der Patienten unmittelbar in die Reha über.“
Dass der Chefarzt der orthopädischen Klinik des Herzogin Elisabeth Hospitals weiß, wovon er redet, bestätigen auch die rund 2.200 Endoprothesen, die in seinem Haus jährlich vorgenommen werden. Und doch: Der heutige Erfolg des Fast Track bedeutete zunächst auch, dass Konsens geschaffen werden musste: „Es gab zunächst Interessenskonflikte zwischen Orthopäden und Anästhesisten. Da ging es viel um Politik und das ‚Abschneiden alter Zöpfe‘.“
Auf was man sich nun geeinigt hat, ist – wie der Name es bereits erahnen lässt – eine schnelle bzw. minimalinvasive Variante für die Endoprothetik. Die Idee hinter der Technik besteht darin, dass alles, was den Körper unnötig belastet, sein gelassen wird. Kurz: Die Einführung eines multimodalen Schmerzkonzepts, eine frühe intensive Mobilisierung sowie die Verkürzung der Rekonvaleszenz und der Verweildauer. Präoperativ wird dazu das soziale Umfeld des Patienten in die Abläufe eingespannt, der Patient aktiv in die Ziele eingebunden, ein ausführliches Entlassmanagement geführt, die präoperative Ernährung erläutert und der Patient erst am OP-Tag aufgenommen.
Dazu gibt es in erster Linie lokale Betäubungen und keine Sedierungen, große Schnitte werden durch minimalinvasive Varianten ersetzt. „Wir brauchen keine Drainagen mehr, keine Blutsperre, keine Katheter legen – durch den minimalinvasiven Eingriff kommt es kaum zu größeren Blutungen, es geht auch kein Muskel verloren“, fasst Heller zusammen. Auch werde der Blutverlust technikbedingt minimiert, der Einsatz von Tranexamsäure sei mittlerweile Standard und die medikamentöse Begleitung im Nachgang könne deutlich reduziert werden.
Die Vorteile für den Patienten sind fast so schnell auf der Hand wie die Operation lang ist: Durch die punktgenauen Betäubungen dürfen Patienten bis zwei Stunden vor dem Eingriff trinken, sind sofort danach wach, haben keine Schmerzen und können 2 bis 4 Stunden später wieder aufstehen und gehen. „Es ist schön, die Patienten und Patientinnen zu begleiten und zu sehen, dass das Verfahren funktioniert. Die Zufriedenheit der Patienten ist für mich das Maß aller Dinge. Man sieht unmittelbar das Ergebnis des eigenen Handelns. Das erfreut und motiviert in einem hohen Maße“, so Heller.
Doch das Verfahren hat auch seine Limitierungen. So sieht Heller sowohl strukturelle Voraussetzungen, die es zu erfüllen gebe als auch medizinische Ausnahmen. So mache es keinen Sinn, ein so umfassendes Konzept auszufahren, wenn eine Klinik im Jahr weniger als 100 entsprechende Endoprothesen implantiert.
Aus medizinischer Sicht komme das Fast Track Verfahren insbesondere dann an seine Grenzen, wenn die Patienten sehr krank seien und ein schnelles „Auf-die-Beine-stellen“ nicht gewährleistet werden könne. „Auch die größeren Wechseloperationen oder septischen Operationen werden nach diesen Kriterien behandelt, haben aber eigene Regeln und bedürfen oft noch einer etwas längeren stationären Behandlung“, weiß Heller.
Insgesamt lasse sich der größte Nutzen in der Knieendoprothetik erkennen. Man könne zwar auch eine Schulter auf diese Weise therapieren, da man auf dieser aber kaum laufen müsse, werde dort mehr verziehen.
Ein angenehmer Nebeneffekt, den das Verfahren angesichts der vielen klammen Klinikkassen mit sich bringt, sind entsprechende Kosteneinsparungen, wenn die Patienten früher entlassen werden können. Da der Patient nun nach 2 Stunden – statt erst am nächsten Morgen – wieder aufstehen kann, ist die durchschnittliche Liegezeit um circa 2 Tage verkürzt. „Wir rechnen pro Patient und Liegetag mit etwa 500 € an Kosten. Mittlerweile müssen auch Kliniken mit einer Vielzahl an Endoprothesen streng auf die Kosten achten. Wenn jemand schon nur zwei Tage weniger bleibt, sind das aufs Ganze gesehen enorme Einsparungen, die mit Vorteilen für die Patienten verbunden sind. Im Jahr implantieren wir circa 2.200 Endoprothesen, das kann man sich ja schnell ausrechnen.“
Da Patienten, die beispielsweise doch komplexere Operationen benötigen, kaum mehr kostendeckend behandelt werden können, seien diese Einsparungen willkommen, auch wenn „die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise aus ärztlicher Sich nicht immer sinnvoll und akzeptabel ist.“Bildquelle: Getty Images, unsplash