Ovarialkarzinom dank Talkumpuder? Das ist nach wie vor umstritten. Doch jetzt wurde das Krebspotenzial von Talkum wieder hochgestuft. Was heißt das?
Talkum ist die fein gemahlene Form des Talks, das als Mineral an vielen verschiedenen Orten weltweit vorkommt. Jährlich werden mehrere Millionen Tonnen Talk abgebaut und für unterschiedliche Anwendungen eingesetzt. Besonders seine weichen und wasserabweisenden Eigenschaften machen es hierbei interessant. Neben einem Einsatz als Füllstoff in verschiedenen Industrien wie beispielsweise der Papier- und Zellstoffindustrie ist es auch Bestandteil von Kosmetik- und Medizinprodukten. Hier ist Talkum unter anderem in verschiedenen Puderprodukten enthalten.
Talkumprodukte können mit Asbest verunreinigt sein. Beide, Talk und Asbest, entstehen durch ähnliche geologische Prozesse, weswegen Talkvorkommen Asbestfasern enthalten können. Falls ihr euch für die genauen geologischen Prozesse interessiert, wendet euch bitte an einen Geologen eures Vertrauens. Ich muss leider passen. Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Eine potenzielle Verunreinigung mit Asbest ist äußerst ungünstig. Asbest wirkt stark krebserregend und hat deshalb tunlichst nichts in Medizinprodukten und anderen Dingen, die mit unserem Körper in Kontakt kommen, zu suchen. Nicht ohne Grund hat die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) im Jahre 2009 mit Asbest verunreinigten Talk als krebserregend für den Menschen (Gruppe 1) kategorisiert.
Glücklicherweise gibt es inzwischen Talkum-Produkte, die als sicher asbestfrei gekennzeichnet sind. Besondere Vorsicht bei der Talk-Gewinnung kombiniert mit anschließenden bildgebenden Verfahren, wie beispielsweise mittels eines Elektronenmikroskops, stellen die Asbestfreiheit sicher. Was nun beruhigend klingt, ist es jedoch leider nur zum Teil. Die IARC hat nämlich genau diesen asbestfreien Talk jetzt als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen eingestuft, also in Gruppe 2A, der zweithöchsten Gruppe innerhalb der IARC-Klassifizierung.
Begründet wird diese Einstufung von asbestfreiem Talk mit verschiedenen wissenschaftlichen Ergebnissen. Beispielsweise hatten Frauen, die talkhaltigen Intimpuder verwendet haben, im Rahmen von Studien häufiger Ovarialkarzinome im Vergleich zu Frauen, die diesen Puder nicht verwendet hatten. Auch gibt es eine ganze Reihe von Tierversuchen, in welchen mit Talk behandelte Tiere vermehrt Tumore aufwiesen. In Zellkulturexperimenten sorgt Talk unter anderem für eine chronische Entzündung sowie für eine veränderte Zellproliferation, beides Dinge, die durchaus langfristig zu einem Tumor führen können.
Zwar lesen sich diese Ergebnisse und die daraus resultierende Einstufung von asbestfreiem Talk recht eindeutig, es gibt aber auch kritische Stimmen. Bei den Studien konnte beispielsweise nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das verwendete Talkum letztendlich nicht doch mit Asbest verunreinigt war. Eine solchermaßen vorhandene Kontamination würde dazu führen, dass keine Rückschlüsse mehr auf das Talkum an sich möglich sind. Weiterhin haben die befragten Frauen unterschiedliche Angaben gemacht, wie genau das Puderprodukt verwendet worden war. Dies macht ein allgemein gültiges Studienergebnis sehr schwierig, da die Einheitlichkeit nicht gegeben ist.
Im Gegensatz dazu scheinen Tierstudien sowie die Zellkulturexperimente zwar ohne Störfaktoren und mit sicher asbestfreiem-Talkum durchgeführt worden zu sein, allerdings sind es eben doch keine Daten von Menschen. Versteht mich bitte nicht falsch. Tierversuche und Zellkulturexperimente haben in der medizinisch-toxikologischen Forschung durchaus ihre Berechtigung, aber wir Menschen sind eben doch keine 80 kg schwere Ratte oder ein 80 kg Zellklumpen im Reagenzglas.
Auch wenn es durchaus kritische Stimmen bezüglich der Interpretation der wissenschaftlichen Daten gibt, für die IARC haben diese Daten offensichtlich zur Einstufung ausgereicht. Wir müssen also erst einmal davon ausgehen, dass Talkum-Produkte grundsätzlich in der Lage sind, krebserzeugend zu wirken. Grund zur Panik besteht meines Erachtens jedoch nicht. Auch wenn jemand Talkumpuder in den vergangenen Jahren eingesetzt hat, ist das Risiko, davon Krebs zu bekommen, eher gering. Um das zu verstehen, müssen wir uns das Wesen der IARC noch einmal im Detail anschauen.
Die IARC beurteilt in keiner Weise, ob ein realistisches Risiko existiert, an Krebs zu erkranken. Nein, die IARC beurteilt lediglich, ob eine Sache grundsätzlich die Fähigkeit hat, Krebs auszulösen, unabhängig vom tatsächlichen individuellen Risiko. Es wäre gut möglich, dass irgendein hypothetischer Stoff erst in absurd hohen Konzentrationen (die niemals jemand erreicht) krebserregend wirkt. Für die IARC würde es demnach trotzdem als krebserregend eingestuft werden. Auf das Talkum übertragen bedeutet das, nur weil es gemäß IARC wahrscheinlich krebserregend ist, hat das erst einmal nichts mit dem individuellen Risiko zu tun.
In der gleichen Gruppe wie Talk ist beispielsweise auch der Verzehr von rotem Fleisch eingestuft. Rotes Fleisch ist grundsätzlich in der Lage Krebs auszulösen. Allerdings bedeutet das nicht, dass man automatisch Krebs bekommt, nur weil man gerne ab und an Rindfleisch isst. Ich kann aber auch nicht ernsthaft empfehlen, jeden Tag rotes Fleisch in großen Mengen zu verzehren. Hier hätte man ein erhöhtes Risiko für einen Tumor, jedoch selbstverständlich keine absolute Gewissheit. Das Entstehen eines Tumors hängt bekanntermaßen noch von sehr viel mehr Faktoren ab.
Aber kommen wir wieder auf das Talkum zurück. Meines Erachtens muss man sich nicht direkt große Sorgen machen. Selbst wenn man in der Vergangenheit häufig Talkum-Produkte angewendet hat, heißt das lediglich, dass man sein individuelles Risiko in geringem Maße erhöht hat. Es ist immer noch sehr viel wahrscheinlicher, dass man eben kein Krebs davon bekommt. Allerdings kann es auch nicht schaden, das individuelle Risiko, was möglicherweise von dem Talkum ausgeht, zukünftig zu reduzieren. Gerade Produkte wie Intimpuder lassen sich durchaus gut ersetzen.
Talk ist übrigens auch in verschiedenen Arzneimitteln wie Filmtabletten enthalten. Hier ist das Talk jedoch in enger Verknüpfung mit verschiedenen Polymeren verbandelt. Weiterhin ist die enthaltene Talk-Menge nur sehr gering. Das individuelle Risiko für Patienten ist deshalb als sehr niedrig einzustufen. Das Abbrechen einer Therapie aus Panik vor der enthaltenen Talk-Menge lohnt sich daher nicht. Der Nutzen einer Therapie überwiegt in der Regel das minimale Risiko, das möglicherweise vom enthaltenen Talk ausgeht.
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