Globuli-Fans beharren darauf, dass Homöopathie wirkt – immerhin würden zahlreiche Studien das belegen! Aber wie gut sind sie aus wissenschaftlicher Sicht? Wir sind dem mal nachgegangen.
Sobald man die Homöopathie kritisiert, schießt der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) zurück. Auch wir sind mehrfach ins Visier des Vereins geraten – sogar mit dem Vorwurf, wir würden keinen guten Journalismus betreiben, weil wir die Wirksamkeit homöopathischer Therapien infrage stellen. Der DZVhÄ verlangte in einem Schreiben von uns, unsere kritische Berichterstattung zur Homöopathie wissenschaftlich nachvollziehbar zu untermauern. Ironischerweise ignoriert er dabei selbst die erdrückende Beweislage, die die Homöopathie längst als wirkungslos entlarvt hat – schon der gesunde Menschenverstand sollte eigentlich verbieten, an eine Wirkung homöopathischer Mittel zu glauben, schließlich sind sie so extrem verdünnt, dass kaum mehr ein einziges Wirkstoffmolekül enthalten ist. Stattdessen kramen die Globuli-Fans immer wieder die gleichen, methodisch fragwürdigen Studien hervor. Schauen wir uns die Sache doch mal genauer an.
Selbstverständlich verweist der DZVhÄ dabei unter anderem auf das systematische Review von Hamre et al. aus dem Jahr 2023, das von Homöopathie-Anhängern gern als ultimativer Beweis für die Wirksamkeit von Homöopathie herangezogen wird. Darin sind insgesamt die Ergebnisse von 6 Meta-Analysen eingeflossen, in denen Placebo-kontrollierte, randomisierte Studien zur Wirksamkeit von homöopathischen Therapien beim Menschen mit beliebiger Indikation untersucht wurden. Hier kann man zumindest nicht den Vorwurf fehlender Placebo-Kontrolle oder Randomisierung anbringen. Das klingt doch schon mal super! Noch ein Pluspunkt: Anscheinend ist für jeden was dabei: Die Indikationen reichen von Asthma, über Migräne, Gastritis, Dermatosen bis hin zu Schlaganfall (und noch viele mehr).
Das Ergebnis geht Verdünnungs-Anhängern runter wie Öl: Die Autoren des Reviews kommen nach Analyse der 6 Arbeiten zum Schluss, dass homöopathische Therapien für alle Indikationen einen positiven signifikanten Effekt haben. Ab jetzt, liebe Ärzte, könnt ihr die evidenzbasierte Medizin also getrost an den Nagel hängen – Globuli und Co. sind ja sowieso so herrlich kosteneffizient für das deutsche Gesundheitswesen (worauf uns das DZVhÄ übrigens dankenswerterweise gleich an mehreren Stellen in ihrem Schreiben hinweist).
Aber das Fass wollten wie an dieser Stelle eigentlich gar nicht aufmachen. Zurück zur Studie von Hamre et al. und ihrem großartigen Ergebnis – das einen doch ein wenig stutzig macht, wenn man sich mal die zugrundeliegenden Studien anschaut. Kann man echt behaupten, dass Homöopathie bei jeglicher Indikation hilft, wenn keiner der Autoren der 6 eingeflossenen Arbeiten von der Qualität der Primärstudien wirklich überzeugt ist? Wenn man jeweils den zweiten Teil der Fazits einfach überliest, dann ja. So heißt es z. B. in Cucherat et al. (2000): „Es gibt einige Belege dafür, dass homöopathische Behandlungen wirksamer sind als Placebos; die Stärke dieser Belege ist jedoch aufgrund der geringen methodischen Qualität der Studien gering. Studien von hoher methodischer Qualität waren mit größerer Wahrscheinlichkeit negativ als die Studien von geringerer Qualität.“ Oder auch in Mathie et al. (2014): „Die im Rahmen der individualisierten Homöopathie verschriebenen Arzneimittel können kleine, spezifische Behandlungseffekte haben. […] Die geringe oder unklare Gesamtqualität der Belege mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse.“ Und in Linde et al. (1997) steht: „Die Ergebnisse unserer Meta-Analyse sind nicht mit der Hypothese vereinbar, dass die klinischen Effekte der Homöopathie vollständig auf Placebo zurückzuführen sind. Allerdings haben wir in diesen Studien keine ausreichenden Belege dafür gefunden, dass die Homöopathie bei einem einzelnen klinischen Zustand eindeutig wirksam ist.“
Viele der Primärstudien sind also qualitativ nicht besonders hochwertig, sagen die Autoren der 6 Meta-Analysen. Aber was genau soll das heißen? Schauen wir uns beispielhaft die Arbeit von Mathie et al. aus dem Jahr 2017 an, die ebenfalls in die Studie von Hamre et al. eingeflossen ist. Mathie et al. bemängeln unter anderem folgendes:
Hohes Risiko für Bias: 72 von 75 Studien hatten ein unklares oder hohes Risiko für Bias. Bias-Risiken entstehen durch methodische Unzulänglichkeiten, die zu Verzerrungen in den Ergebnissen führen können. Diese Mängel betreffen zentrale Aspekte wie Randomisierung, Verblindung und die verdeckte Zuteilung der Teilnehmer.
Zu wenige qualitativ hochwertige Studien: Nur drei Studien wurden als qualitativ hochwertig eingestuft, was zu einer geringen Verlässlichkeit der Ergebnisse führt. Diese geringe Anzahl erschwert es, zwischen den Effekten der homöopathischen Behandlung und den Auswirkungen schlechter Studienqualität zu unterscheiden.
Schlechte Berichterstattung und unvollständige Daten: In 21 der 75 Studien war die Berichterstattung so unzureichend, dass keine Daten für die Meta-Analyse extrahiert werden konnten. Dies führt dazu, dass nur 54 Studien in die Analyse einbezogen werden konnten, was die Aussagekraft der Ergebnisse verringert.
Heterogenität der Studien: Die Studien decken ein breites Spektrum an klinischen Bedingungen, Ergebnismessungen und Endpunkten ab. Das Pooling solcher Daten führt zu einem Effektmaß, das keine klare klinische Bedeutung hat, sondern nur eine grobe Zusammenfassung darstellt. Die hohe Heterogenität macht es schwer, verlässliche Schlussfolgerungen zu ziehen.
Interessenkonflikte: Eine der wenigen als „verlässlich“ eingestuften Studien zeigte Hinweise auf einen Interessenkonflikt, was die Neutralität und Zuverlässigkeit der Ergebnisse infrage stellt.
Publikationsbias: Der Text erwähnt, dass kleinere Studien eher größere Effekte zugunsten der Homöopathie zeigen, was auf Publikationsbias hindeutet. Es wird vermutet, dass Studien mit negativen Ergebnissen nicht veröffentlicht wurden, was die Gesamtbewertung verfälscht.
Ungeeignete Outcome-Messungen und Model Validity: Die Bewertung der Modellvalidität (wie gut die Studie die klinische Praxis widerspiegelt) ergab, dass zwei der drei verlässlichen Studien wegen unzureichender Modellvalidität herabgestuft wurden. Nur eine Studie konnte als „hochwertig“ eingestuft werden, was auf eine generelle Schwäche der angewandten Methoden hinweist.
Geringer und unregelmäßiger Behandlungseffekt: Die Autoren vermuten, dass der beobachtete geringe und unregelmäßige Effekt auf die unspezifische Auswahl eines homöopathischen Mittels für alle Teilnehmer einer Studie zurückzuführen ist, was möglicherweise zu einer geringeren Wirksamkeit führt, da das Mittel nicht optimal zu den individuellen Symptomen passt.
Klingt nicht wirklich so als könnte man guten Gewissens sagen, dass Homöopathie wirkt. Zu diesem Ergebnis kommen auch zahlreiche andere Arbeitsgruppen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, aber deren Arbeiten nicht in der Studie von Hamre et al. berücksichtigt wurden, wie z. B. die der australischen Forschungsorganisation NHMRC (National Health and Medical Research Council). Ihr Bericht löste 2015 einen Sturm der Entrüstung unter Homöopathie-Verfechtern aus, obwohl sich die Ergebnisse erstaunlicherweise gar nicht so sehr von denen anderer unterscheiden. Die australischen Forscher erklären: „Aufgrund der Untersuchung der Evidenz zur Wirksamkeit der Homöopathie kommt das NHMRC zu dem Schluss, dass es keine Krankheitsbilder gibt, für die es einen zuverlässigen Nachweis dafür gäbe, dass die Homöopathie bei der Behandlung von Gesundheitsproblemen wirkungsvoll wäre.“
In einem anderen Review von Mathie et al. (2019) heißt es: „Die aktuelle Datenlage lässt keine eindeutige Aussage über die vergleichende Wirksamkeit von NIHT zu (Anm. d. Red.: NIHT = Non Individualised Homeopathic Treatment). Die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse wird durch die insgesamt festgestellte begrenzte externe Validität eingeschränkt.“ Man frage sich bloß, warum beide Arbeiten nicht auch in die Analyse mit eingeflossen sind, was definitiv möglich gewesen wäre. Ebenso hat man andere Arbeiten außenvorgelassen, deren Ergebnis ebenfalls nicht so positiv klingen.
Eine andere Sache stößt sauer auf: Schaut man sich die 6 Meta-Analysen mal genauer an, fällt auf, dass sich die Primärstudien oft doppeln. Eigentlich müsste man sie dann doch auch nur einmal zählen, oder? Hamre et al. aber waren so frei und haben einfach ALLE Studien in ihre Analyse mit einfließen lassen – egal, ob sie doppelt, drei- oder vierfach erwähnt werden. Genauer gesagt gibt es 182 Primärstudien, gezählt wurden aber insgesamt 310, auf die die Analyse angewendet wurde. Das bedeutet, dass die Studienpopulationen künstlich aufgebläht wurden. Sauber ist das nicht gerade.
Aber was ist mit all den anderen Studien, die zeigen, dass Homöopathie wirkt? Der DZVhÄ verweist in seinem Schreiben natürlich auch auf Tierstudien, wie die unter Homöopathen berühmte Studie von Camerlink et al. (2009) über Durchfall bei Ferkeln. Hier wurde untersucht, ob die prophylaktische Behandlung der Sauen im letzten Schwangerschaftsmonat mit dem homöopathischen Mittel (Coli 30K) oder einem Placebo E. Coli-bedingten Durchfall bei Ferkeln verhindern kann. In der Placebogruppe traten deutlich mehr Fälle von E. Coli-bedingtem Durchfall auf als in der homöopathisch behandelten Gruppe. Dieses Ergebnis war dabei sogar statistisch hochsignifikant (p < 0,0001), der Unterschied kam also nicht zufällig zustande! Oder vielleicht doch?
Abgesehen davon, dass statistische Signifikanz bei einer einzigen randomisiert-kontrollierten Studie wenig aussagt, gibt es nämlich auch hier ein paar weitere Probleme. Zum Beispiel entschieden die Autoren allein anhand des Aussehens des Stuhls, ob E. Coli-bedingter Durchfall vorlag. Proben aus nur drei Würfen wurden tatsächlich ins Labor geschickt, wobei weder E. Coli noch Salmonellen nachgewiesen werden konnten.
Auf ein anderes Problem hat schon kurz nach Veröffentlichung der Mathematiker Pepijn van Erp aufmerksam gemacht: Er betont, dass das in der Studie verwendete Auswerteverfahren die statistische Signifikanz des Ergebnisses übertrieben positiv darstellt. Da das Infektionsrisiko eines Ferkels erheblich steigt, wenn ein Wurfkollege erkrankt, dürfen die 525 Ferkel nicht als unabhängig voneinander betrachtet werden. Die Analyse muss daher auf der Ebene der Muttertiere erfolgen und darauf abzielen, bei wie vielen Sauen Durchfallfälle im Wurf auftraten. Bei einer korrekten Auswertung ergibt sich nur eine knappe statistische Signifikanz (nämlich p < 0,05): Hätte auch nur eine weitere Sau einen Fall von Durchfall in ihrem Wurf gehabt, wäre das Ergebnis der Studie nicht signifikant. Dadurch verliert das Ergebnis an Zuverlässigkeit und eine klare Überlegenheit gegenüber dem Placebo kann nicht mehr bestätigt werden.
Die Fälle Camerlink et al. und Hamre et al. sind typisch für viele Studien, die oft als Beweis für die Wirksamkeit von Homöopathie zitiert werden: Einzelne, selektive positive Ergebnisse werden überbewertet, während methodische Schwächen, kleine Stichproben und problematische Auswertungen vernachlässigt werden. Was bleibt, ist ein schwaches Fundament, das bei genauerer Betrachtung bröckelt.
Neben dem Hauptproblem, dass es keinen nachweisbaren Wirkmechanismus gibt, der erklären könnte, wie extrem verdünnte Substanzen irgendeinen Einfluss auf den Körper haben könnten, bleibt die größte Schwäche der Homöopathie ihre fehlende wissenschaftliche Basis. Obwohl ihre Anhänger sich hartnäckig auf Studien stützen, die statistische Tricks nutzen, bleiben ernsthafte wissenschaftliche Belege Mangelware. Denn sobald man diese Studien methodisch sauber durchführt und überprüft, bleibt vom angeblichen Effekt nicht viel übrig. Wenn die Homöopathie tatsächlich wirken würde, wie sie behauptet, müssten die Ergebnisse in hochqualitativen, groß angelegten Studien reproduzierbar und überzeugend sein. Doch das ist schlicht nicht der Fall.
Quellen:
Hamre et al. Efficacy of homoeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homoeopathy trials for any indication. Syst Rev, 2023. doi: 10.1186/s13643-023-02313-2.
Cucherat et al. Evidence of clinical efficacy of homeopathy. E J Clin Pharmacol, 2000. doi: 10.1007/s002280050716
Mathie et al. Randomised placebo-controlled trials of individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev, 2014. doi: 10.1186/2046-4053-3-142
Linde et al. Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. The Lancet, 1997. doi: 10.1016/S0140-6736(97)02293-9
Mathie et al. Randomised, double-blind, placebo-controlled trials of non-individualised homeopathic treatment: systematic review and meta-analysis. Syst Rev, 2017. doi: 10.1186/s13643-017-0445-3
NHMRC Information Paper: Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions, 2015.
Mathie et al. Systematic Review and Meta-Analysis of Randomised, Other-than-Placebo Controlled, Trials of Non-Individualised Homeopathic Treatment. Homeopathy, 2019. doi: 10.1055/s-0038-1677481.
Camerlink et al. Homeopathy as replacement to antibiotics in the case of Escherichia coli diarrhoea in neonatal piglets. Homeopathy, 2009. doi: 10.1016/j.homp.2009.10.003
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