Derzeit steigen weltweit die Masern-Fälle. Liegt’s womöglich auch daran, dass die Effektivität der Masern-Impfung mit der Zeit nachlässt? Das haben Forscher jetzt untersucht.
Masern sind eine hochinfektiöse Erkrankung, die vor der Einführung der Impfung im Jahr 1963 alle zwei bis drei Jahre zu erheblichen Ausbrüchen führte und jährlich schätzungsweise 2,6 Millionen Todesopfer forderte.
Trotz der wirksamen Impfung stiegen die Masernfälle in Deutschland bereits vor der COVID-19-Pandemie wieder an. Während der Pandemie waren die Zahlen aufgrund von Schutzmaßnahmen gesunken, doch seit 2023 zeigen sie einen erneuten Anstieg. In Europa wurden zwischen März 2023 und Ende Februar 2024 mindestens 5.770 Masernfälle gemeldet, wobei fünf Menschen an den Folgen der Erkrankung starben.
Das höchste Risiko besteht bei Kindern, doch auch Erwachsene sind betroffen. Im Zeitraum von 2018 bis 2021 traten in Europa 39 % der Masernfälle bei Personen über 20 Jahren auf, von denen 73 % nicht geimpft waren.
Da auch bei geimpften Personen Masernfälle aufgetreten sind und deren Anteil in England zwischen 2010 und 2019 gestiegen ist, haben sich Experten der London School of Hygiene and Tropical Medicine die Frage gestellt, ob eine nachlassende Immunität nach einer Impfung dafür verantwortlich sein könnte.
Die Experten setzten in ihrer Studie ein mathematisches Kompartimentmodell ein, das in der Epidemiologie zur Simulation der Ausbreitung von Krankheiten und zur Evaluierung der Wirksamkeit von Impfstrategien dient. Dieses Modell wurde nach Altersgruppen, Regionen und Impfstatus stratifiziert und an die Falldaten angepasst, die von 2010 bis 2019 in England erfasst und von der UK Health Security Agency gesammelt wurden.
Darüber hinaus wurden durch epidemiologische Modellierungen drei Szenarien untersucht:
Mit den angepassten Datensätzen wurden Simulationen durchgeführt, um zu ermitteln, welches Szenario die beobachtete Übertragungssituation in England am besten repräsentieren könnte.
Die komplexen Modellierungen ergaben, dass die Dynamik der Masernfälle in England mit Szenarien übereinstimmt, die eine nachlassende Immunität nach der Impfung annehmen. Die Wirksamkeit der Masernimpfung ist äußerst hoch und liegt zu Beginn bei 98 %. Die Berechnungen deuten darauf hin, dass diese Wirksamkeit um etwa 0,04 % pro Jahr abnimmt, was bedeutet, dass die initiale Wirksamkeit nach 30 Jahren auf 96,8 % sinken könnte. Somit zeigt die Impfung trotz eines leichten Wirksamkeitsverlusts auch nach Jahrzehnten eine bemerkenswerte Effektivität. Dennoch belegen die Berechnungen, dass Durchbruchsinfektionen bei Personen ab 15 Jahren, die zweimal geimpft wurden, zunehmend häufig auftreten. Am stärksten von Maserninfektionen betroffen sind jedoch nach wie vor ungeimpfte Personen.
Die vorliegende Studie untersucht den möglichen Einfluss der nachlassenden Immunität nach einer Masernimpfung auf den Anstieg der Masernfälle bei geimpften Personen. Eine zusätzliche Hypothese besagt, dass das Fehlen natürlicher Immunität aufgrund der nicht zirkulierenden Krankheit ebenfalls eine Rolle spielen könnte. Dennoch ist nachgewiesen, dass die Impfung einen sehr hohen Schutz bietet, der auch nach Jahrzehnten anhält. Daher gilt: Je höher die Impfquote in der Bevölkerung gegen Masern ist, desto besser schützen wir uns vor dieser hochinfektiösen und teilweise schwer verlaufenden Erkrankung.
Quelle:
Robert et al. Long-term waning of vaccine-induced immunity to measles in England: a mathematical modelling study. The Lancet Public Health, 2024. doi: 10.1016/S2468-2667(24)00181-6
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