Bei der Erforschung von Langzeitfolgen von Kaiserschnitten konzentrierte man sich bislang meist auf die Gesundheit der Babys. Doch wie sieht es bei den Müttern aus? Jetzt wurde genau dafür ein neues Krankheitsbild definiert – die Ceasarean Scar Disorder.
Nach aktuellen Schätzungen der Krankenkassen ist die Kaiserschnittrate in Deutschland im Jahr 2023 auf 35 % gestiegen. Dieser Eingriff kann zweifelsohne Leben retten, geht aber auch immer mit bestimmten Risiken einher. Sind diese in Bezug auf den eigentlichen Eingriff einschließlich Anästhesie für die betroffene Frau weitestgehend bekannt und Gegenstand des Aufklärungsgespräches, bleiben mögliche Langzeitfolgen in der Regel unerwähnt. So konzentrierten sich zwar zahlreiche wissenschaftliche Studien der letzten Jahrzehnte auf Spätkomplikationen der per Bauchgeburt entbundenen Babys und entdeckten beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Asthma bronchiale und Darmprobleme, rückten aber die Gesundheit der operierten Mütter stets in den Hintergrund.
Aber wissen wir nicht zuletzt aus anderen Fachrichtungen mit abdominalchirurgischen Eingriffen, dass eine große Bauchoperation neben den Narben auch Probleme wie Verwachsungen, Verdauungsprobleme, Hernien und Infektionen nach sich ziehen kann? Dabei sollten wir angesichts steigender Raten und dem ökonomischen Benefit für die Kliniken im Vergleich zur normalen Geburt durch eine höhere Vergütung auch einen Blick auf die Gesundheit der Mütter werfen.
Dies ist nun geschehen und führte zur Definition eines neuen Krankheitsbildes, der sogenannten Ceasarean Scar Disorder – frei übersetzt als Kaiserschnittnarbenerkrankung. Anlass dafür waren mutmaßlich immer mehr Fälle von Frauen mit starken Beschwerden und unerfülltem Kinderwunsch nach einer Sectio, die auf Seiten der behandelnden Ärzte immer mehr in den Fokus rückten. So werden in einem Artikel aus dem Magazin Der Spiegel verschiedene Fälle von jungen Frauen geschildert, die nach einem Kaiserschnitt im Ultraschall Löcher bzw. Nischen in der Gebärmutterschleimhaut zeigten, Fehlgeburten erlebten, oder nur noch mit reproduktionsmedizinischer Hilfe schwanger werden konnten.
Relativ zeitgleich erschien ein Artikel zur Neudefinition der Nabenkomplikationen als oben genannte Krankheit auf Basis der Konsensentscheidungen einer europäisch-kanadischen Expertengruppe ohne deutsche Beteiligung. Aufgrund der aktuell noch äußerst lückenhaften Forschungslage handelt es sich dabei zwar eher um Empfehlungen als um methodisch hochwertige und evidenzbasierte Leitlinien. In der klinischen Praxis können sie dennoch praktizierenden Ärzten eine erste Orientierung geben.
So werden verschiedene Kriterien aufgeführt, auf deren Grundlage man die Diagnose stellen könnte. Die Expertengruppe bestimmte als Hauptsymptom eine Narbenkomplikation bzw. eine Nische im Myometrium in Kombination mit mindestens einem primären oder mindestens zwei sekundären Symptomen. Während primäre Symptome u. a. Schmierblutungen nach der Menstruation oder während des gesamten Zyklus, sowie technische Probleme beim Einführen eines Katheters zum Embryotransfer oder eine sekundäre unerklärliche Unfruchtbarkeit umfassen, beinhalten sekundäre Symptome beispielsweise Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, chronische Unterbauchschmerzen, sowie ein negatives Selbstbild und ein Unbehagen bei der Teilnahme an Freizeitaktivitäten.
Inwieweit es sich dann tatsächlich um ein eigenes Krankheitsbild handeln könnte, werden sicherlich zukünftige Studien zeigen. Denn diese sind bis heute aufgrund der Neuheit dieser Symptomenkonstellation noch eine Seltenheit. Darüber hinaus bleiben Fragen zu Häufigkeit der betroffenen Frauen. Sicher gibt es eine hohe Dunkelziffer, da gewisse Einschränkungen nach einem Kaiserschnitt – auch aus gesellschaftlicher Sicht – vermutlich sogar als normal und natürlich empfunden werden. Und gibt es weder Beschwerden noch einen erneuten Kinderwunsch, bleiben Löcher in der Gebärmutter vermutlich sogar unerkannt.
Sollten jetzt alle Frauen mit bestehendem Kinderwunsch und Zustand nach Kaiserschnitt in Panik verfallen und ihren Frauenärzten die Tür einrennen? Aus meiner Sicht wären Sorgen und Ängste sicher die falsche Antwort auf das Thema Kaiserschnitt. Dennoch sollten wir die erhöhte Sensitivität für Narbenkomplikationen begrüßen und besonders dann hellhörig werden, wenn eine Frau trotz mehrerer Versuche nach einem Kaiserschnitt nicht mehr schwanger wird. Denn ohne Kenntnis dieser neuen Erkrankung geht eventuell wertvolle Zeit verloren.
Im Falle der Frauen aus dem oben erwähnten Artikel konnte die Journalistin übrigens jeweils ein Happy End verkünden. Die Frauen konnten erfolgreich behandelt werden, bekamen ein weiteres Kind oder befanden sich zum Zeitpunkt der Recherchen im letzten Schwangerschaftsdrittel.
Bildquelle: Izabelly Marques, Unsplash