Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, ein drittes Geschlecht für intersexuelle Menschen einzuführen. Betroffene erhoffen sich dadurch, dass Intersexualität nicht länger als Krankheit wahrgenommen wird und geschlechtsanpassende Operationen nicht mehr empfohlen werden.
Im deutschen Geburtenregister gab es bislang nur Frauen und Männer, aber keine weiteren Geschlechter. Das schafft nicht nur bürokratische, sondern auch medizinische Probleme. Damit soll jetzt Schluss sein.
Themen rund um Transsexualität, Transgender oder Intersexualität sind inzwischen allgegenwärtig. Nicht immer werden die Begriffe jedoch korrekt verwendet. Dazu ein Blick auf Definitionen:
Biologische Gründe für Intersexualität sind vielfältig. Neben dem typischen Chromosomenmuster der Frau (XX) und des Mannes (XY), kann es während der Entwicklung des Embryos zu weiteren Varianten kommen. Besonders bekannt ist das Turner-Syndrom (XO) mit phänotypisch weiblicher Ausprägung. Anstelle von zwei Geschlechtschromosomen gibt es nur ein funktionsfähiges X-Chromosom. Typisch sind degenerierte Ovarien. Die Pubertät verzögert sich oder bleibt komplett aus. Menschen mit Klinefelter-Syndrom (XXY) sind phänotypisch eher männlich. Häufig sind kleine Hoden mit verminderter Testosteronproduktion zu finden. Durch Mutationen im Y-Chromosom kommt es beim Swyer-Syndrom zu nicht funktionsfähigen Keimdrüsen. Statt Penis und Hoden entwickeln sich eine männliche Vagina, ein männlicher Uterus und ein unterentwickelter Penis. Auch hormonelle Ursachen können eine eindeutige biologische Geschlechtszuweisung erschweren. Mutationen im Erbgut können bei Männern zu defekten Androgen-Rezeptoren führen. Es kommt zur Androgenresistenz; die männlichen Hormone zeigen keinen Effekt. Die Ausbildung typischer Geschlechtsmerkmale bleibt bei einer kompletten Androgenresistenz (Goldberg-Maxwell-Morris-Syndrom) aus.
Es handelt sich bei der Intersexualität also nicht um eine klar umrissene Diagnose im medizinischen Sinne. Die Häufigkeit lässt sich schwer schätzen. Je nach Quelle ist von 0,1 bis 0,2 Prozent, aber auch von bis zu 0,5 Prozent der Bevölkerung die Rede. Früher wurden anatomische Besonderheiten wie eine vergrößerte Klitoris noch im Kindesalter umoperiert. Auch Michael Reiter, ein Aktivist der Intersexualität, musste sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Er wurde als Junge in das Geburtsregister eingetragen, später jedoch aufgrund seines Chromosomensatzes zum Mädchen umoperiert. Er kämpfte zusammen mit anderen Betroffenen gegen derartige Operationen. Solche Eingriffe kritisiert auch Amnesty International scharf. „Werden diese Behandlungen ohne akute medizinische Notwendigkeit vorgenommen, verstoßen sie gegen internationale Menschenrechtsstandards wie die Rechte auf Gesundheit und auf Selbstbestimmung“, so Maja Liebing. Die Amnesty-Expertin für Rechte von intergeschlechtlichen Menschen kritisiert, Ärzte würden den Eltern Eingriffe häufig empfehlen, um deren Kinder zu „normalisieren“.
Jetzt sorgt das Bundesverfassungsgericht für mehr Klarheit (1 BvR 2019/16). Der Senat hat entschieden, dass aktuelle Regelungen des Personenstandsrechts mit Anforderungen des Grundgesetzes nicht vereinbar seien, da es neben dem Eintrag „männlich“ oder „weiblich“ keine dritte Möglichkeit gebe. „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen“, heißt es in einer Mitteilung. „Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot, soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird.“ Bis Ende Dezember 2018 muss der Gesetzgeber Neuregelungen schaffen.