Die U-Untersuchungen für Kinder sind immer wieder Streitpunkt: Die einen wollen mehr Impfungen, die anderen wollen sie ganz abschaffen, von Pflicht-Terminen und Vergütung ganz zu schweigen. Wir haben nach eurer Meinung gefragt – hier ist sie.
Altersgerechte Entwicklung, chronische Erkrankung und Anzeichen für Störungen der Sinne und Motorik – U-Untersuchungen für Kinder sind hierzulande etabliert wie kaum ein anderes Vorsorgeangebot. An den U1-Untersuchungen nehmen in Deutschland noch 99,7 % der Kinder teil. Bis zu den U-8/U-9-Untersuchungen sinkt der Anteil nur geringfügig auf 98 %. Neben der zweifellos medizinischen Sinnhaftigkeit sind jedoch auch soziostrukturelle Gründe für die Quote verantwortlich: Die Quote stieg im letzten Jahrzehnt erst an, nachdem ein einheitliches Meldesystem für die Untersuchungen eingeführt wurde und dadurch schwer erreichbare Bevölkerungsgruppen besser angesprochen werden konnten. Es verwundert daher nicht, dass man im Bundestag immer wieder über Pflicht zu den Untersuchungen spricht, um die medizinische Routine weiter zu festigen.
Doch auch die Inhalte sind immer wieder Mittelpunkt ärztlicher Diskussionen. Mal sollen die Untersuchungen ausgeweitet werden, mal vereinzelte Leistungen in die allgemeine Gesundheitsversorgung übergeben werden. Die KBV-Empfehlung zur Hinwendung zu psychosozialen Aspekten, zur Aufnahme des Screenings auf Mukoviszidose und Lauterbachs Wunsch zur Aufnahme der Cholesterinbestimmung in die U9 sind nur einige Beispiele. Im Rahmen unserer Umfrage bestätigt ihr genau diesen Punkt. So ist fast die Hälfte aller Befragten (46,9 %) für eine Überarbeitung der derzeitigen Untersuchungen, ein weiteres knappes Viertel (22,7 %) meint, es müssten einige Untersuchungen dazukommen. Und immerhin: Mehr als jeder zehnte Arzt (12,2 %) der Befragung meint, dass der Impfzwang in Deutschland beendet werden müsste.
Eure Meinungen zu Änderungen in den Strukturen:
„Die U10 und U11 sollten durch eine einzige Untersuchung ersetzt und in die Kollektivleistung überführt werden. Die J2 sollte abgeschafft werden.“
„Ich finde, dass Frühgeborene nach korrigiertem Alter untersucht werden müssten, was aber bzgl. KV-Abrechnung nicht erlaubt ist. Für viele Kinder ist die U-Untersuchung eine Chance aufzufallen, wenn zuhause etwas nicht gut läuft.“
„Die U-Untersuchungen müssen anders, besser vergütet werden.“
„Implementierung von U10, U11 und J2. Eine Anpassung der Bedarfsplanung an die zusätzlichen Untersuchungen (U7a, U10, U11, J1, J2) und neuen Impfungen – Meningokokken B, RSV, die zusätzlich Ressourcen binden. Wenn alle Kinder mehr Untersuchungen bekommen sollen, braucht es aber auch mehr Menschen, die diese Untersuchugen durchführen, sonst verringert sich die Zeit für die einzelnen Untersuchung oder es gibt in lt. KV überversorgten Gebieten Kinder, die nicht vom Kinderarzt versorgt werden und dadurch keine oder nur unzureichende Vorsorgen erhalten.“
Eure inhaltlichen, medizinischen Anpassungswünsche:
„Ernährung, Blutzusammensetzung bzw. Mängel auch Vitamin-D-Kontrolle sollten untersucht werden.“
„Es sollte verpflichtende Sprachtestungen außerhalb der U7a geben – zum Beispiel mit 3,5 und 4,5 Jahren.“
„Nierensono als Standard etablieren. Augenbehandlungen sollten dafür rausfallen, sobald in der Familie etwas auffälliges besteht und dann die Übergabe an den Augenarzt.“
„Wir brauchen eine differenziertere Sprachdiagnostik mit 4 Jahren.“
Die Impfskeptischen fordern:
„Impfung sollen nicht als selbstverständlich dargestellt werden – als ob das ein Muss bei der entsprechenden U sei.“
Insbesondere in Sachen Impfung scheint die Ärzteschaft sich aber uneins. Noch verbreiteter als die Ablehnung ist die Aussprache für eine nicht-optionale Variante, sprich: Impfpflicht. 26,5 % sehen dies positiv. Hintergrund für diese Ausweitung mögen die Erfahrungen sein, die Ärzte tagtäglich machen. Neben der Tatsache, dass einige (12,5 %) angesichts des ohnehin riesigen Pensums nur schwierig Aussage zur Entwicklung der Bereitschaft machen können, sehen 32,3 % insbesondere eine veränderte Impfbereitschaft.
Stichwort: Arbeitsbelastung. Überfüllte Praxen und Kinderärzte kurz vor dem Burnout – das waren nicht nur letztes Jahr Schlagzeilen und Realität in Deutschland. Dass darunter auch die Qualität der Arbeit leidet, haben die befragten Ärzte ehrlich eingeordnet. 53,1 % kommen zu dem einfachen Schluss, dass mehr Patienten auch mehr Arbeit bedeuten und mehr Arbeit bei gleicher Zeit heiße für alle, Abstriche zu machen. Weitere 38,8 % bejahten die Frage: Wenn ich ehrlich bin, werden die Routineuntersuchungen schneller abgespult oder vereinzelte Untersuchungen an die MFA abgegeben.
Zu diesem Thema erreichten uns ebenfalls ärztliche Statements:
„Es ist eine Frechheit, dass die vorgeschriebenen Leistungen der U-Untersuchungen lt. EBM in 16 min. erledigt sein sollen!!! Das schafft niemand. Deshalb machen wir Abstriche. Ich kann es mir nicht leisten zu Arbeiten, ohne Geld zu verdienen.“
„Die U-Untersuchungen müssen an die MfAs delegiert werden und nur bei Auffälligkeiten ärztlich untersucht werden.“
Das Thema Kinderschutz und der geschulte Blick für Sentinel-Verletzungen ist immer wieder Diskussion, wenn es um U-Untersuchungen geht. Eure Einschätzungen spiegeln das wider, so sind 23,5 % von euch für eine Einbindung besonderer Untersuchungen und Gespräche im Rahmen der U-Untersuchungen. 44,5 % machen dies abhängig vom notwendigen Zeitaufwand und möglicher Schulungen. 32 % möchten sich die Zeit in speziellen Sprechzeiten nehmen oder diese in der Allgemeinversorgung unterbringen.
Bildquelle: CDC, unsplash