So alt wie die Online-Enzyklopädie selbst sind Diskussionen um die Qualität medizinischer beziehungsweise pharmazeutischer Texte. Jetzt haben Heilberufler Artikel zu verschiedenen Krankheitsbildern untersucht. Der erhoffte Konsens blieb jedoch aus.
Seit dem Start im Jahre 2001 hat sich Wikipedia schnell zu einem der beliebtesten Online-Angebote gemausert, auch bei Heilberuflern. Robert T. Hasty von der Jerry M. Wallace School of Osteopathic Medicine, North Carolina, wollte jetzt wissen, wie es um die Qualität entsprechender Inhalte bestellt ist.
Hasty wählte für seine Untersuchung die laut Agency for Healthcare Research and Quality zehn kostspieligsten Leiden in den USA. Dazu gehören Herzerkrankungen, Krebs (speziell Lungenkrebs), mentale Erkrankungen (speziell Depressionen), körperliche Traumen (speziell Gehirnerschütterungen), Osteoarthritis, Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) / Asthma, Bluthochdruck, Diabetes, Rückenprobleme und Hyperlipidämien. Der passende Wikipedia-Eintrag wurde jeweils zwei Koryphäen des entsprechenden Fachgebiets zur Analyse gegeben. Ziel war, Online-Artikel mit medizinischen Fachbeiträgen, die im Peer-Review-Verfahren erstellt worden waren, zu vergleichen. Zur Recherche evidenzbasierter Quellen arbeiteten Gutachter mit UpToDate®, PubMed, Google Scholar und mit weiteren Suchmaschinen.
Neun von zehn Texten enthielten im Vergleich zur medizinischen Fachliteratur etliche Fehler, schreibt Hasty. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht: In vielen Fällen bemängelten Gutachter unterschiedliche Aspekte. So war ein Experte mit 44 von 148 Aussagen im Beitrag zu Lungenkrebs nicht einverstanden, der Kollege hatte Anmerkungen zu 20 von 120 Aspekten. Beim Thema Gehirnerschütterung kreidete ein Fachmann 50 von 112 Aussagen an, der zweite Experte elf von 58. Solche Diskrepanzen ziehen sich in mehr oder minder großem Maße durch alle untersuchten Texte. Weitere Schönheitsfehler kommen mit hinzu. Fachleuten mussten beispielsweise nicht nach Unvollständigkeiten suchen. Ob alle Texte hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Prävention ein vollständiges Bild abgeben, bleibt damit offen.
Hastys Fazit: „Health Professionals, Studierende und Patienten sollten vorsichtig sein, wenn sie Wikipedia verwenden, um Fragen rund um die Versorgung zu klären.“ Wegen der Fehlerpotenziale rät er Ärzten und Apothekern, das Online-Nachschlagewerk nicht als einzige Referenz zu nutzen. Angesichts methodischer Schwächen der Studie ist anzumerken, dass gerade Lehrbücher am Tage des Drucks bereits veraltet sind und Heilberufler nicht zu jeder Fragestellung Originalartikel sichten können. Bleibt der alte journalistische Grundsatz, mehrere Quellen anzuzapfen.