Das Bornavirus kommt häufig unscheinbar daher – endet aber meist in einer tödlichen Enzephalitis. Umso wichtiger ist es, dass Ärzte eine frühzeitige Diagnose treffen. Welche Anzeichen ihr dafür im Blick haben müsst.
Das Borna-Disease-Virus BoDV-1 und das Bunthörnchen-Borna-Virus VSBV-1 sind zwei Viren aus der Familie der Bornaviridae, die beim Menschen typischerweise eine tödliche Enzephalitis hervorrufen können. Auffällig ist, dass menschliche Infektionen bislang ausschließlich in Deutschland nachgewiesen wurden und in keinem anderen Land der Welt.
Das Borna-Disease-Virus BoDV-1 wurde erstmals im Jahr 2018 bei einem Fall mit Enzephalitis als ursächlichem Erreger identifiziert. In Mitteleuropa ist es jedoch schon lange bei Pferden, Schafen und anderen Säugetieren bekannt. Das natürliche Reservoir für BoDV-1 bilden Feldspitzmäuse, die das Virus über Speichel, Urin und Kot ausscheiden. Als einziger identifizierter Risikofaktor für eine Infektion mit dem Bornavirus gilt bisher der Aufenthalt in der Nähe von Siedlungen in ländlichen, virusendemischen Gebieten. Bis Mitte 2024 wurden etwa 50 molekular bestätigte Fälle von BoDV-1 gemeldet. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass jährlich fünf bis zehn neue Fälle auftreten.
Das Bunthörnchen-Borna-Virus VSBV-1 wurde bei exotischen Eichhörnchen in privaten Haushalten sowie in Zoos in Deutschland und anderen europäischen Ländern nachgewiesen. Die ersten menschlichen Infektionen wurden 2015 dokumentiert; bislang sind lediglich fünf bestätigte Fälle von VSBV-1-Enzephalitis bekannt. Alle Betroffenen standen in direktem Kontakt mit exotischen Eichhörnchen der Unterfamilien Sciurinae oder Callosciurinae.
Infektiöse Enzephalitiden beim Menschen, verursacht durch die Viren BoDV-1 und VSBV-1, sind äußerst selten und stellen die behandelnden Ärzte vor große Herausforderungen. Ein vertieftes Wissen über die klinische Präsentation und den Verlauf der Erkrankung kann den Ärzten helfen, eine zügige Diagnose zu stellen, auch wenn derzeit noch keine spezifische Therapie verfügbar ist. Ein Team von Fachkollegen aus Hamburg, Berlin und München hat nun eine systematische Analyse des klinischen Krankheitsverlaufs von Borna-Enzephalitis veröffentlicht – die bislang größte verfügbare Fallserie. Ziel dieser Analyse war es, eine frühzeitige Diagnose der Bornavirus-Enzephalitis zu ermöglichen, indem kritische Zeitpunkte und charakteristische klinische Merkmale identifiziert werden, um gezielte Behandlungsversuche einzuleiten.
In diese Analyse wurden 21 molekular bestätigte akute BoDV-1-Infektionen und vier molekular bestätigte akute Fällen einer VSBV-1-Enzephalitis eingeschlossen. Die Daten wurden anhand von Dokumentation in den Krankenakten und mittels Interviews mit Angehörigen erhoben. Die 25 Fälle mit einer Enzephalitis waren im Rahmen der Erkrankung verstorben.
Bei beiden Viren begann die Erkrankung mit einer prodromalen Phase, in der unspezifische und vielfältige Symptome auftraten. Bei den BoDV-1-Enzephalitiden berichteten 14 von 21 Patienten von nicht-neurologischen Symptomen wie Husten, Durchfall, Fieber und Abgeschlagenheit. Bei den VSBV-1-Enzephalitiden gaben sogar alle vier Patienten nicht-neurologische Symptome während der Prodromalphase an. Die Dauer dieser Prodromalphase variierte stark und lag zwischen einem und maximal 75 Tagen.
Im weiteren Verlauf zeigten 52 % der mit BoDV-1 infizierten Patienten eine charakteristische Trias aus Fieber, Kopfschmerzen und Enzephalopathie oder fokalen neurologischen Zeichen, die eindeutig auf eine Enzephalitis hinweisen. Diese Trias trat jedoch nicht bei den VSBV-1-Fällen auf; hier berichteten drei von vier Patienten von Fieber und mindestens einem neurologischen Symptom. Auffällig in der Analyse ist, dass nahezu alle eingeschlossenen Patienten aufgrund des Verdachts auf eine HSV-Enzephalitis behandelt wurden, was darauf hindeutet, dass die behandelnden Ärzte eine virale Enzephalitis in der differentialdiagnostischen Betrachtung in Erwägung gezogen haben.
Im Verlauf der viralen Enzephalitiden kam es zu einem abrupten, rasch fortschreitenden Verlust der Vigilanz, der median innerhalb von drei Tagen (BoDV-1) und fünf Tagen (VSBV-1) nach der Hospitalisierung zu einem Koma führte. Darüber hinaus traten bei der Mehrheit der BoDV-1-Fälle Krampfanfälle auf. Der Tod der Patienten trat meist nach dem Abbruch der unterstützenden Maßnahmen aufgrund der schlechten Prognose ein.
Diese Analyse ergab, dass ein schleichender Beginn mit unspezifischen Symptomen, eine rasche Progression und eine hohe Letalität die klinischen Merkmale der Bornavirus-Enzephalitis ausmachen. Der Zeitraum für Diagnose und Therapie ist entsprechend sehr kurz und erfordert Wissen über die Bornaviren sowie die zügige Durchführung spezifischer Diagnosetests, um eine potenziell effektive Therapie einzuleiten. Obwohl diese Erkrankung äußerst selten ist, sollten insbesondere Ärzte in endemischen Regionen bei akuten Enzephalitiden das Bornavirus in der differentialdiagnostischen Abwägung berücksichtigen.
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