Antiepileptika sind längst nicht mehr die einzige Therapie für Epilepsie-Patienten. Neue Diagnostik-Verfahren eröffnen immer bessere Behandlungsmöglichkeiten. Welche das sind, lest ihr hier.
Epilepsie gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit und betrifft Menschen aller Altersgruppen. Allein in Deutschland sind etwa 600.000 Menschen von einer Epilepsie betroffen. Die Erkrankung zeichnet sich durch wiederkehrende epileptische Anfälle aus, die durch abnormale elektrische Entladungen im Gehirn verursacht werden. In den letzten Jahren hat sich das Verständnis dieser komplexen Erkrankung weiterentwickelt, insbesondere in den Bereichen Diagnostik und Therapie – was neue Möglichkeiten zur Behandlung eröffnet.
Die präzise Diagnosestellung ist der erste Schritt zur effektiven Behandlung von Epilepsie. Traditionell stützte sich die Diagnose auf EEG-Untersuchungen (Elektroenzephalogramm) und bildgebende Verfahren wie die MRT. Diese Techniken ermöglichen es, Anfallsherde im Gehirn zu identifizieren. Die Entwicklung hochauflösender MRT-Techniken, insbesondere die 3-Tesla-MRT, hat es ermöglicht, subtile strukturelle Läsionen, die epileptische Anfälle auslösen können, besser zu erkennen.
Darüber hinaus gewinnt die Magnetenzephalographie (MEG) als zusätzliches Verfahren an Bedeutung. MEG misst die durch neuronale Aktivität erzeugten magnetischen Felder und ermöglicht hierdurch die Lokalisierung von Anfallsherden, die für chirurgische Eingriffe von zentraler Bedeutung sind. Durch eine multimodale Herangehensweise, bei der EEG, MRT und MEG kombiniert werden, kann die Diagnosestellung verbessert werden und neue therapeutische Optionen für Patienten eröffnen, deren Epilepsie medikamentös schwer behandelbar ist.
In der Epilepsiebehandlung steht vor allem der Einsatz von antiepileptischen oder (veraltet) antikonvulsiven Medikamenten im Vordergrund. Diese spielen eine entscheidende Rolle in der Symptomkontrolle durch Anfallsreduktion. Jedoch können sie in der Regel die kausale Ursache der Erkrankung nicht beeinflussen. In den letzten Jahren wurden jedoch bedeutende Fortschritte in der Entwicklung neuer Therapieansätze erzielt, die über die rein symptomatische Behandlung hinausgehen. Laut einer aktuellen Übersicht aus Nature gibt es über 200 neue Epilepsietherapien, die sich derzeit in der präklinischen oder klinischen Erprobung befinden. Diese Therapien basieren auf neuartigen Wirkmechanismen und sollen nicht nur Anfälle unterdrücken, sondern die Krankheitsursachen gezielt angehen.
Eine vielversprechende Entwicklung ist die Einführung personalisierter Therapien, die auf die spezifischen genetischen und molekularen Grundlagen der Epilepsie des jeweiligen Patienten abgestimmt sind. Besonders für genetische Epilepsien wie das Dravet-Syndrom, das durch Mutationen im SCN1A-Gen verursacht wird, eröffnen sich neue Therapieoptionen. Hierbei werden zum Beispiel Antisense-Oligonukleotide (ASO) eingesetzt, die die Expression fehlerhafter Gene regulieren sollen. Diese Ansätze befinden sich jedoch aktuell noch in klinischen Studien.
Zu den neuen medikamentösen Therapieansätzen zählen auch Medikamente, die nicht den klassischen Antiepileptika entsprechen, wie etwa Everolimus und Cannabidiol (CBD). Everolimus, ein mTOR-Inhibitor, zeigt besonders bei Patienten mit tuberöser Sklerose, die durch genetische Mutationen verursacht wird, vielversprechende Ergebnisse. CBD hingegen hat sich bei schwer behandelbaren Epilepsien wie dem Dravet- und dem Lennox-Gastaut-Syndrom als wirkungsvoll erwiesen. Beide Substanzen zielen auf spezifische molekulare Mechanismen ab und erweitern so das therapeutische Arsenal.
Ein weiteres spannendes Feld ist die Tiefe Hirnstimulation, bei der Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert werden, um abnorme elektrische Aktivität zu unterdrücken. Diese Technik bietet Patienten, bei denen medikamentöse Behandlungen nicht anschlagen, eine neue Perspektive. Hierbei werden beidseits Elektroden am Thalamus platziert (Ncl. anterior thalami) und sollen dort die Weiterleitung von epileptogener elektrischer Hirnaktivität unterbrechen. Sie ist besonders für therapieresistente Epilepsieformen geeignet und wird zunehmend bei Patienten eingesetzt, bei denen die klassische Epilepsiechirurgie nicht eingesetzt werden kann.
Die Fortschritte in der Diagnostik und Therapie der Epilepsie sind vielversprechend und zeigen, dass wir uns in einer Phase befinden, in der personalisierte und gezielte Ansätze eine immer größere Rolle spielen. Insbesondere die Entwicklung neuer Medikamente, die auf die genetischen Ursachen der Epilepsie abzielen, und innovative Technologien wie die Tiefe Hirnstimulation eröffnen Patienten mit schwer behandelbarer Epilepsie neue Behandlungsmöglichkeiten. In Zukunft könnten genbasierte Therapieansätze in Kombination mit personalisierten Therapien eine bedeutende Verbesserung der Lebensqualität von Epilepsiepatienten ermöglichen.
Quellen:
Klein et al. New epilepsy therapies in development. Nat Rev Drug Discov, 2024. doi: 10.1038/s41573-024-00981-w
Fisher RS. Deep brain stimulation of thalamus for epilepsy. Neurobiol Dis, 2023. doi: 10.1016/j.nbd.2023.106045.
Bildquelle: Usman Yousaf, unsplash