Die internationale Arthrosegesellschaft OARSI hat neue Leitlinien zur konservativen Behandlung der Kniegelenksarthrose verabschiedet. Die Neubewertung bewährter und neuer patientenorientierter Therapiestrategien überrascht an einigen Stellen: Die wirksamste Therapie ist Sport.
Die Therapie einer Kniegelenskarthrose soll patientenorientierter ablaufen als bisher. Es wird eine Basistherapie für alle Patienten empfohlen und Therapiepakete für den jeweiligen Patiententyp. Die Leitlinien der OARSI (Osteoarthritis Research Society International) differenzieren vier Typen:
Das Frühstadium der Arthrose beginnt mit einem lokal begrenzten, oberflächlichen Gelenkknorpelschaden. Im weiteren Verlauf wird immer mehr von der Knorpeloberfläche zerstört. Die Folge des mechanischen Knorpelabriebs ist eine Umbildung des knorpelnahen Knochens. Es entstehen Knochenverdichtungen und an den Rändern zackige Auswüchse. Diese Osteophyten sind im Röntgenbild gut zu diagnostizieren. Solche zerstörenden Prozesse können teilweise über mehrere Jahre andauern. Erst im Spätstadium ist der Knorpel vollständig zerstört und verschwunden, sichtbar an dem Verschwinden des Gelenkspalts im Röntgenbild. Die Knochen reiben jetzt komplett aufeinander und das Gelenk steift schließlich ein. Das OARSI-Komitee definiert fünf Elemente der Basistherapie:
Die Leitlinien empfehlen teilweise sehr detailliert, was für die Patienten geeignet ist. Üblicherweise wird allgemein Bewegung empfohlen, die Leitlinien heben explizit den Stellenwert von Spazierengehen und Tai Chi hervor. Ungewöhnlich praxisnah für eine Leitlinie. „Obwohl Patienten mit Gelenkproblemen das zunächst vielleicht nicht nachvollziehen können, führt das einfache Spazierengehen als zentrale Maßnahme nach wie vor zu erheblichen Besserungen der Beschwerden. Körperliche Bewegung ist zudem als Therapiemaßnahme auch für die häufigen chronischen Begleiterkrankungen essenziell“, so die Autoren der Leitlinie. Genaue Angaben machen die Experten unter anderem auch zum Gewichtsmanagement: Zur Besserung von Arthrosebeschwerden ist ein fünfprozentiger Gewichtsverlust innerhalb von 20 Wochen erforderlich. Ebenfalls neu in den OARSI-Leitlinien ist die Empfehlung für die Balneotherapie mit warmen Mineralsalzbädern.
Im Gegensatz zu den letzten Leitlinien wird das Analgetikum Paracetamol u.a. wegen Risiken abgewertet und als „uncertain“ klassifiziert, zumindest für Patienten mit Komorbiditäten. Paracetamol wird von zahlreichen Fachgesellschaften immer noch als Mittel der ersten Wahl zur symptomatischen Behandlung der Osteoarthritis (OA) des Knies empfohlen. Ergebnisse einer Studie von Maxime Dougados et al. ließen den Schluss zu, dass keine Wirkung von Paracetamol bei Patienten mit Osteoarthritis des Knies besteht. Insgesamt wurden 779 Patienten für eine sechswöchige Behandlung mit täglich 4 g Paracetamol oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt war eine 30-prozentige Abnahme der allgemeinen Schmerzintensität des Knies. Nach den sechs Wochen unterschied sich der analgetische Effekt von Paracetamol nicht signifikant von dem des Placebos. Zwar war die Studie mit fast 800 Patienten ausreichend groß angelegt, doch daraus die Aussage abzuleiten, Paracetamol sei bei Gelenkschmerzen gänzlich unwirksam, geht selbst den Studienautoren zu weit. Die Leitlinien empfehlen als Alternative NSAR oral oder als Salbe sowie Duloxetin. Abgeraten wird für alle Patientengruppen von Opiaten in Form von transdermalen therapeutischen Systemen.
In der Praxis haben „Knorpelprotektiva“ immer noch einen Stellenwert. Die Datenlage ist sehr heterogen. Zum Einsatz kommen u.a. Chondroitinsulfat, Glucosaminsulfat, Hyaluronsäure und Kollagenhydrolysat. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind in der Medline-Datenbank lediglich zwei randomisierte doppelblinde Studien bei radiologisch nachgewiesener Arthrose mit Glucosamin-Hydrochlorid als Monosubstanz publiziert. Zahlreiche Studien mit weniger harten Kriterien sowie Anwendungsbeobachtungen sprechen hingegen für eine Wirksamkeit bei Arthritis. Nach oraler Applikation von Standarddosen können im Plasma und der Synovia jedoch nur verhältnismäßig niedrige Wirkstoffspiegel erreicht werden. Diese reichen vermutlich nicht, damit Glucosamin als Substrat für die Biosynthese der Knorpelmatrix genutzt werden kann.
An der doppelblinden, placebokontrollierten Studie von Kwoh et al., 2014 in Arthritis & Rheaumatology publiziert, nahmen 201 Probanden mit milden bis mittleren Schmerzen in einem oder beiden Knien teil. Sie erhielten über 24 Wochen täglich 1500 mg Glucosamin. Die Knorpelschäden in den Knien wurden jeweils mit einem Magnetresonanztomografen (MRT) erfasst. Nach sechs Monaten gab es so gut wie keine Unterschiede im MRT zwischen beiden Gruppen. In der unbehandelten Kontrollgruppe wurde im Vergleich zu den behandelten Patienten sogar häufiger eine leichte Besserung erzielt. Die Behandlung mit Glucosaminen führte auch nicht zu einem Rückgang der renalen Ausscheidung des Biomarkers CTX-II, der Knorpelabbau anzeigt. Fazit der Forscher: Glucosamin-Präparate haben zur Therapie der schmerzhaften Kniegelenksarthrose keinen Nutzen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nimmt wie folgt zu Chondroitinsulfat Stellung:
„Die gesundheitliche Bewertung von Chondroitinsulfat in den genannten Mengen (800-1200 mg/Tag) ist aufgrund der lückenhaften Datenlage mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die verfügbaren Daten deuten nicht darauf hin, dass bei gesunden und nicht schwangeren Erwachsenen mit ernst zu nehmenden gesundheitlichen Risiken gerechnet werden muss.“
Glucosaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel könnten außerdem ein Gesundheitsrisiko für Patienten darstellen, die Cumarin-Antikoagulantien als Blutgerinnungshemmer einnehmen, ließ das BfR bereits im Jahr 2009 verlauten. Laut OARSI sind Nahrungsergänzungsmittel wie Chondroitin und Glucosamin ungeeignet, um den Krankheitsprogress aufzuhalten. Auch TENS (transkutane neuromuskuläre Elektrostimulation) wird als ungeeignet eingestuft, ebenso das Bisphosphonat Risedronat. Die Leitlinienautoren bemerken das Fehlen von krankheitsbeeinflussenden Therapieformen, derzeit ist nur eine symptomatische Therapie möglich. Auf der Website der OARSI können die Risiko-Nutzen-Bewertungen für jede einzelne Therapiemaßnahme eingesehen werden.