Ein einmaliges PSA-Screening kann die Mortalität beim Prostatakarzinom kaum senken. Ob es was bringt, das Screeningregime zu erweitern und die Patienten auch per MRT zu untersuchen, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Vor Kurzem haben wir über die Sinnhaftigkeit von Screeningmaßnahmen für Prostatakarzinome durch die alleine Bestimmung des PSA-Wertes berichtet. Der zweite Teil der im August 2024 erschienenen CAP-Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein einmaliges PSA-Screening kaum zur Reduzierung der karzinomspezifischen Mortalität beiträgt. Zwar entdeckten die Forscher vermehrt Low-grade-Karzinome – diese werden jedoch bei geringem Progressionspotential unter Active Surveillance geführt und können somit nicht von einer früheren Therapie profitieren. Die Autoren merken an, dass die Interventionsrisiken durch die Biopsien (Infektionen, Blutungen, etc.) den gewonnen Nutzen des Screenings minimieren. In einem Kommentar geht Goldstein et al. sogar davon aus, dass die durch Biopsien freigesetzten zirkulierenden Tumorzellen zu einem erhöhten Progressionsrisiko führen.
Effektive Screeningmaßnahmen sollen Karzinome im frühen Stadium detektieren, um eine frühzeitige Behandlung zu ermöglichen und einen Tumorprogress zu vermeiden. Ein hoher Anteil der Prostatakarzinome, die das PSA-Screening detektiert, werden als klinisch insignifikant eingestuft. Diese Karzinome wachsen langsam und haben ein geringes Risiko, während der restlichen Lebenszeit zu metastasieren. Das Wissen um die Diagnose Krebs kann in Übertherapie mit Nebenwirkungen enden und mehr psychosozialen Schaden anrichten, als es einen Nutzen bringt.
Die Einführung der multiparametrischen Prostata-MRTs reduziert potentiell die Überdiagnostik von insignifikanten Prostatakarzinomen. Bisher werden typischerweise systematische MRT-Sonofusionsbiopsien durchgeführt, wenn eine pathologische Läsion in der Bildgebung vorliegt. Ein anderes Screeningregime erprobt nun der Göteborg-II-Trial, dessen dazugehörige Studie kürzlich im New England Journal of Medicine erschien. Die Autoren Hugosson et al. untersuchen, ob zielgerichtete MRT-Biopsien das Potential haben, die Detektion von insignifikanten Prostatakarzinomen zu senken, ohne dabei therapiepflichtige Karzinome zu übersehen. Zielgerichtete Biopsien werden ausschließlich aus den in der MRT auffälligen Läsionen mit PIRADS-III-V-Befund entnommen, während bei den systematischen Biopsien Stanzen sowohl aus der peripheren Zone sowie aus der pathologischen Läsion der Prostata entnommen werden.
Die Datenerhebung erfolgte von 2015 bis 2022. 38.316 Männer zwischen 50 und 60 Jahren aus Göteborg und Umgebung erhielten eine Einladung zum PSA-Screening und anschließender MRT-Bildgebung, sofern der PSA-Wert über 3 ng/ml liegt. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen randomisiert. In der ersten Gruppe erhielten alle Männer mit PSA unabhängig vom MRT-Ergebnis eine systemische Biopsie. In der zweiten Gruppe wurde eine zielgerichtete Biopsie der Läsion nur bei Vorliegen eines PIRADS-III-V-Befundes in der MRT durchgeführt. Falls Teilnehmer aus der Gruppe einen PSA-Wert über 10 ng/ml aufzeigten, erhielten sie eine systemische Biopsie.
Männer, die im ersten Screening einen PSA-Wert unter 3 ng/ml zeigten, wurden eingeladen, in 2, 4 oder 8 Jahren eine erneute PSA-Kontrolle mit ggf. MRT durchführen zu lassen. In den Wiederholungsrunden wurde genauso verfahren wie in der ersten Screening-Runde. Im Median verlief das Follow-up für vier Jahre.
Drei Outcomes wurden definiert: Insignifikante Karzinome (ISUP 1), signifikante Karzinome und fortgeschrittene Karzinome. Die Autoren ermittelten die relativen Risiken (RR) der beiden Gruppen über den gesamten Screeningzeitraum sowie für die einzelnen Screeningintervalle. Die Analyse erfolgte nach dem Intention-to-treat-Prinzip.
In der ersten Gruppe hatten 6,9 % und in der zweiten Gruppe 6,8 % einen höheren PSA-Wert als 3 ng/ml in der ersten Screeningrunde. 2,7 % der Gruppe mit gezielten Biopsien zeigten einen PIRADS-III-V-Befund in der MRT und hatten somit eine Indikation zur gezielten Biopsie.
Insgesamt zeigten sich in der ersten Gruppe 2,4 % und in der zweiten Gruppe 1 % insignifikante Karzinome. Das Risiko, klinisch irrelevante Karzinome zu entdecken, konnte in der gezielten Biopsie um 57 % gesenkt werden (RR = 0,43 [95 % KI, 0,32–0,57; p<0,001]). 84 % der klinisch signifikanten Karzinome konnten in der gezielten Biopsie detektiert werden (RR= 0,84 [95 % KI, 0,66–1,07]). Die Autoren gaben an, dass insgesamt nur ein kleines Risiko bestand, nicht heilbare Karzinome erst in den späteren Screening-Runden zu erkennen.
Die Ergebnisse der Studie geben laut Hugosson et al. Anlass zur Erweiterung der Leitlinien in Zukunft. Das Screeningregime der zielgerichteten Biopsie bei erhöhtem PSA und Vorliegen einer PIRADS-III-V-Läsion in der MRT führt zur Reduktion von klinisch insignifikanten Prostatakarzinomen. Das Risiko, ein Hochrisiko-Karzinom erst in den späteren Screeningrunden oder im Intervall zu entdecken, zeigte sich gering.
Bisher ist nicht bekannt, wann Karzinome in der MRT während ihrer Entwicklungsphase sichtbar werden. Die Hauptsorge der Autoren war es, dass sich manche Karzinome mit Metastasierungspotential nicht als auffällige Läsion im frühen Screening abbilden und dann zu einem nicht heilbaren Stadium heranwachsen, bevor sie in der MRT sichtbar werden. Die Daten der Studie weisen insgesamt nicht daraufhin.
Den Verfassern der Studie sei bewusst, dass MRTs erhebliche Ressourcen brauchen, dass die Qualität von Zentrum zu Zentrum variiert und dass diese Ressourcen nicht überall verfügbar sind. Diese Nachteile werden durch die Senkung der Kosten für weniger Biopsien und damit verbundenen Senkung der Infektions- und Blutungskomplikationen ausgeglichen. Überdiagnostik führe zur Übertherapie und immensen psychoonkologischen Problemen beim Patienten.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Quellen:
Hugosson et al. Results after Four Years of Screening for Prostate Cancer with PSA and MRI. N Engl J Med, 2024. doi: 10.1056/NEJMoa2406050
Goldstein & Mascitelli. Comment and response: PSA Screening and Prostate Cancer Mortality. JAMA, 2024. doi: 10.1001/jama.2024.13806
Martin et al. CAP Trial Group. Prostate-specific antigen screening and 15-year prostate cancer mortality: a secondary analysis of the CAP randomized clinical trial. JAMA, 2024. doi: 10.1001/jama.2024.4011
Bildquelle: Sharosh Rajasekher, Unsplash