Der Wunsch, Verletzungen und Krankheiten durch die Verpflanzung gesunder Organe und Gewebe zu heilen ist uralt. Das Feld der Transplantationsmedizin existiert bereits seit Jahrhunderten, doch natürlich hat es sich in dieser Zeit stark verändert und weiterentwickelt.1 Folgen Sie uns auf eine Zeitreise durch die Geschichte der Transplantationsmedizin und werden Sie Zeuge einiger ihrer wichtigsten Meilensteine!
Die Anfänge finden sich im 19. Jahrhundert. Bei der ersten beschriebenen Transplantation handelte es sich um eine Xenotransplantation.1 Statt einer Transplantation zwischen zwei Menschen, wird hierbei ein Organ oder Gewebe von einem Tier in einen Menschen verpflanzt. Der amerikanische Arzt Richard Kissam transplantierte die Cornea eines Schweins in einen menschlichen Patienten. Doch der Erfolg dieser Operation blieb kurzfristig: Die Linse trübte sich bereits nach 14 Tagen.2 Die weiteren Meilensteine der kommenden Jahrhunderte bezogen sich hauptsächlich auf Transplantationen zwischen Menschen.
Nach der Entdeckung des Äthers als gängiges Betäubungsmittel in 1846 waren erstmals größere Operationen möglich.3 Daraufhin verpflanzte der Schweizer Chirurg Theodor Kocher schon 1883 zum ersten Mal Schilddrüsengewebe unter die Haut eines Patienten, dem zuvor die Schilddrüse entnommen wurde. Doch auch hier wurde das Transplant innerhalb kurzer Zeit abgestoßen.4
Die erste technisch erfolgreiche Nierentransplantation wurde 1902 durchgeführt, jedoch nicht an einem Menschen. Der österreichische Chirurg Emmerich Ullman demonstrierte sie vor der Wiener Gesellschaft für Chirurgie an einem Hund.3 Jahre später in 1933 gelang dem ukrainischen Arzt Yurii Voronoy die erste Nierentransplantation an einem Menschen. Er transplantierte einer 26-Jährigen Patientin eine postmortal gespendete Niere. Allerdings verstarb die Patientin bereits nach zwei Tagen.3
Zwar überlebten diese ersten Patient*innen die Operation oft nur kurze Zeit, doch konnten diese Eingriffe erfolgreich den Weg für weitere Durchbrüche in der Transplantation ebnen. Bis der Grund für die schnelle Abstoßung der transplantierten Organe gefunden wurde sollten jedoch noch einige Jahrzehnte vergehen.
Die erste längerfristig erfolgreiche Transplantation wurde 1954 von Dr. Joseph Murray durchgeführt. Er verpflanzte seinem Patienten die Niere von dessen eineiigen Zwilling. Im Gegensatz zu früheren Transplantationen überlebte der Empfänger noch weitere 8 Jahre.5 Er wiederholte seinen Erfolg 1956 bei einer zweiten Nierentransplantation bei eineiigen Zwillingen. In diesem Fall lebte die Empfängerin sogar noch weitere 55 Jahre mit ihrer Ersatzniere.4 Mit diesen Erfolgen in der Transplantation zwischen Zwillingen konnte Dr. Joseph Murray zeigen, dass Organtransplantationen zwischen genetisch identischen Individuen möglich sind, und Organkompatibilität ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Transplantation darstellt.
Heutzutage ist bekannt, dass das Immunsystem in der Organabstoßung eine entscheidende Rolle spielt. Aus diesem Grund müssen Patient*innen nach einer Transplantation lebenslang Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems, sogenannte Immunsuppressiva, zu sich nehmen, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern.6
Die ersten Entdeckungen in diesem Bereich stammen aus den 1960ern. Auch hier war Dr. Joseph Murray federführend. Zusammen mit den Biochemikern George Hitchings und Gertrude Ellions testete er verschiedene potenzielle Immunsuppressiva. Sie fanden den Wirkstoff Azathioprin und stellten 1962 seine Wirkung unter Beweis, als mit seiner Hilfe die erste postmortal gespendete Niere transplantiert wurde. Der Empfänger überlebte mit ihr noch weitere 8 Jahre. Somit waren nun Transplantationen auch zwischen genetisch nicht identischen Menschen möglich.3
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden noch weitere Immunsuppressiva entdeckt, wie z.B. Ciclosporin Anfang der 70er Jahre, gefolgt von Tacrolimus in 1987. Beide sind noch heute in der Transplantationsmedizin etablierte Wirkstoffe.4
In den 1960er stellte die Transplantationsmedizin Meilenstein um Meilenstein auf. So gelang 1963 die erste Lungentransplantation in den USA, gefolgt von den ersten Herz- und Lebertransplantationen 1967.4 Das Transplantatüberleben war in den genannten Fällen noch niedrig, denn der Grund für Abstoßungsreaktionen war noch nicht vollends bekannt. Doch dies sollte sich rasch ändern.
Der niederländische Arzt Prof. Jon van Rood entdeckte Mitte der 1960er Jahren die Rolle des Human Leucocyte Antigen (HLA)-Systems für den Erfolg der Organtransplantation: Je höher die Übereinstimmung der HLA-Typen zwischen Spender*in und Empfänger*in, desto besser sind die Chancen für ein Überleben von Spenderorgan und Empfänger*in.4,7 Um die Suche nach geeigneten Spender*innen zu vereinfachen, gründete er 1967 die Eurotransplant International Foundation, einen europäischen Verbund von Transplantationszentren mit gemeinsamer Warteliste und freiem Austausch der Spender*inneninformationen.7
Doch während die Chance auf eine erfolgreiche Transplantation zugenommen hatte, stand die Transplantationsmedizin noch vor einem entscheidenden Hindernis. Denn die Zahl der Menschen, die ein Spenderorgan benötigten, überstieg die der verfügbaren Organe. Wer koordiniert die Verteilung der Organe und wie verläuft diese gerecht ab? Zu diesem Zweck wurde 1984 die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) gegründet. Sie organisiert den gesamten Ablauf der Organspende und koordiniert bundesweit die postmortalen Organspenden.8 Zusätzlich trat in Deutschland am 1.12.1997 das Transplantationsgesetz in Kraft. Es legt fest, wie die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Gewebe abzulaufen hat.3
Während sich im 21. Jahrhundert die Operationstechniken stets verbesserten und Fortschritte in der Immuntherapie und den Organbewahrungsmethoden die Erfolgsrate der Transplantationen erhöhten und die Lebensqualität der Empfänger*innen verbesserten, bleibt der Organmangel weiterhin ein zentrales Problem.
Seit dem 18.03.2024 existiert in Deutschland das Organspende-Register. In diesem zentralen elektronischen Verzeichnis können Menschen ihre Entscheidung für oder gegen die Organspende festhalten. Krankenhäuser können diese Erklärung dann abrufen und so schneller entscheiden, ob eine Organspende möglich ist.3
Noch ist ungewiss, wie die Transplantationsmedizin in Zukunft mit dem Organmangel umgehen wird. Große Hoffnung wird weiterhin in eine Methode aus den Anfängen der Transplantationsmedizin gesteckt - die Xenotransplantation. Erst jüngst wurden in den 2020ern erstmals erfolgreich ein Herz bzw. eine Niere aus genetisch modifizierten Schweinen in Menschen transplantiert.9,10 Doch noch stellt sowohl die Immunologie als auch die Übertragung von Krankheitserregern von Tier zu Mensch eine große Hürde dar, ganz zu schweigen von ethischen Fragen, unter anderem bezüglich des Tierwohls.
Einen weiteren Hoffnungsträger stellen bioartifizelle, also im Labor gefertigte, Organe dar. Doch noch steht das Feld der bioartifiziellen Organe vor vielen Herausforderungen. Bislang sind die Herstellungsmethoden noch nicht fortgeschritten genug um hochkomplexe Organe wie Nieren oder Lebern im menschlichen Maßstab herzustellen.11 Ebenso fehlen Daten, die die Funktionsfähigkeit dieser über einen längeren Zeitraum belegen. Es bedarf noch weiterer Forschung bis bioartifizielle Organe eine Alternative zur Organspende darstellen.
Trotzdem können wir in Anbetracht der enormen Fortschritte in der Transplantationsmedizin über die letzten Jahrhunderte einer vielversprechenden Zukunft entgegensehen, in der die Organtransplantation hoffentlich noch sicherer, effektiver und zugänglicher werden wird. Hat Sie unsere kleine Zeitreise neugierig gemacht? Auf Transplant-Wissen finden Sie Wissenswertes, News und Tipps für Betroffene rund um das Thema Transplantationsmedizin. Schauen Sie vorbei!
Quellen
Bildquelle: iStock.com / SUNG YOON JO