Fisch ist gesund, vor allem aufgrund der enthaltenen Omega-3-Fettsäuren – oder? Welche Schadstoffe sich in ihm ablagern und warum die Überschreitung von Grenzwerten ernster genommen werden sollte.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Pick your Poison: Sushi, gebratener Lachs oder doch Thunfischsalat? Fisch ist nicht nur lecker, sondern auch noch gesund, schließlich ist er reich an Omega-3-Fettsäuren. Doch neben diesen findet sich immer mehr Unerwünschtes im Fisch. Sollten wir ihn überhaupt noch essen?
Fisch ist für viele Menschen ein fester Bestandteil ihrer Ernährung. In einigen Teilen der Welt ist der Verzehr von Fisch sogar in der Kultur des Landes verankert – wie etwa Sushi in Japan oder Matjes in den Niederlanden. Auch in Deutschland gibt es Traditionsgerichte mit Fisch, trotzdem ist der Pro-Kopf-Verbrauch von etwa 13,4 kg hierzulande im Vergleich mit dem EU-Durchschnitt (24,4 kg) recht gering. Ob uns das vielleicht den Kragen rettet?
Der Konsum von Fisch und Meeresfrüchten hat ein gutes Image – zumindest, solange man sich ausschließlich auf die gesundheitlichen Aspekte konzentriert und die Überfischung der Weltmeere mal außen vor lässt. Fisch ist nämlich reich an Proteinen und deckt das gesamte Spektrum an essenziellen Aminosäuren ab. Doch sein gutes Image verdankt der Fisch vor allem den mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, die in großen Mengen in ihm enthalten sind. Diese könnten das Risiko für gewisse Herzerkrankungen senken, haben einen möglichen positiven Effekt auf entzündliche Geschehen und Studien (hier und hier) deuten darauf hin, dass sie den Signalweg von oxidativem Stress regulieren.
Neben Omega-3 und Co finden sich aber auch unerwünschte Inhaltsstoffe im Thunfisch-Salat – und diese Zutatenliste liest sich eher wie der Bestellkatalog für ein Chemie-Labor.
Dass wild-gefangener Fisch mit Quecksilber belastet sein kann, ist keine Neuigkeit. Durch das Verbrennen von Kohle, Land- und Bergbau sowie anderen menschlichen Aktivitäten gelangt Quecksilber nämlich über Abwasser oder die Atmosphäre in die Weltmeere. Es lagert sich im Sediment und in Algen als Methylquecksilberverbindungen ab; Algen werden wiederum von größeren Organismen gefressen. Auf diesem Weg gelangen Quecksilber und auch andere Schwermetalle in die gesamte aquatische Nahrungskette und akkumuliert sich in Top-Prädatoren, wie etwa Thunfischen oder Lachsen. Trotzdem wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein Konsum von etwa 220 g Fisch pro Woche empfohlen. So schlimm kann die Belastung mit Schwermetallen also nicht sein, oder?
Das sieht die Nichtregierungsorganisation Bloom etwas anders. Sie veröffentlichte jetzt einen Bericht zur Belastung von Thunfischkonserven mit Quecksilber und schlägt Alarm. In ihrer Studie untersuchte Bloom fast 150 Konserven aus fünf europäischen Ländern, darunter auch Deutschland. Ihr Ergebnis: 100 % der Konserven enthielten das giftige Schwermetall, fast die Hälfte der Konserven enthielt es sogar in Konzentrationen von mehr als 0,3 mg/kg. Weiter prangert Bloom die von der EU festgesetzten Belastungsgrenzen an. Diese orientiere sich ihrer Meinung nach nämlich nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern sei vielmehr daran interessiert, dass so viel Fisch wie möglich verkauft werden könne.
Und in der Tat gelten für verschiedene Lebensmittel unterschiedliche Grenzwerte. So darf etwa Kabeljau, der zum Verzehr verkauft wird, maximal mit 0,3 mg/kg Quecksilber belastet sein, Thunfisch hingegen mit bis zu 1 mg/kg (Quelle). Und das obwohl ein Kommitee der Welt Gesundheitsorganisation (WHO) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) empfiehlt, nicht mehr als 1,6 µg/kg Methylquecksilber auf das Körpergewicht gerechnet über die Nahrung zu sich zu nehmen.
Rechnen wir das also einmal nach: Herr Müller wiegt 80 kg und hält sich an die Ernährungsvorgaben der DGE. Laut des Expertenkomitees der WHO und FAO sollte er auf sein Körpergewicht pro Woche nicht mehr als 128 µg Methylquecksilber durch seine Nahrung aufnehmen. Herr Müller hat aber eine Vorliebe für Thunfisch-Salat und geräucherten Aal und könnte dadurch unbewusst über 200 µg Methylquecksilber zu sich nehmen, da der Grenzwert für die beiden Fische bei 1.000 µg/kg des Fischgewichts liegt. Bloom fordert daher eine Anpassung der Grenzwerte für alle Fischsorten.
Wer jetzt auf Süßwasser-Fische umsteigen will, wird enttäuscht: Denn das Quecksilber, das in die Atmosphäre gelangt, macht vor Fischzuchten im Inland keinen Halt. Auch diese Fische können also schwermetallbelastet sein.
Doch nicht nur Schwermetalle sind ein Problem. Auch Parasiten, Erreger oder Kontaminationen mit anderen Schadstoffen gelangen früher oder später in unsere Süßwassersysteme. Sie werden nämlich durch Fische, die zum Ablaichen oder für die Fortpflanzung wandern, wie etwa Aale oder Lachse, vom Meer in Flüsse und Seen transportiert.
Doch die versprochene Zutatenliste endet natürlich nicht bei Schwermetallen. Neben Quecksilber, Cadmium und Arsen finden sich im Fisch nämlich noch viele andere Stoffe, auf die wir lieber verzichten sollten. Ganz hoch im Kurs sind da Dioxine und die PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen). Laut einer aktuellen Studie ist die Belastung von Fisch durch PFAS so hoch, dass bereits der Konsum von kleinen Mengen zu einer Überschreitung der EU-Grenzwerte für PFAS in der Nahrung führen könnte. Bis zu 22 µg/kg auf das Fisch-Nassgewicht gerechnet konnten die Wissenschaftler nachweisen.
Auch bei Dioxinen werden Grenzwerte überschritten. Laut der European Food Safety Authority (EFSA) sollten pro Woche nicht mehr als 2 Picogramm Dioxine oder Dioxin-ähnliche Substanzen pro Kg Körpergewicht aufgenommen werden. Auf Herrn Müller gerechnet wäre dies also ein Maximum von 160 Picogramm pro Woche. Aus Angst vor Schwermetallen ist er jetzt auf dänischen Hering umgestiegen. Doch dieser enthält laut eines Berichts bis zu 2,5 ng Dioxin pro kg Muskelfleisch. Bei einer wöchentlichen Ration von 220 g Fisch wären das also 550 Picogramm Dioxine – deutlich mehr als der empfohlene Wert der EFSA.
Was bleibt uns nun nach diesen unappetitlichen Neuigkeiten? Der regelmäßige Konsum von Fisch hat seine Schattenseiten. Wer nicht nachvollziehen kann, aus welchen Gebieten sein Fisch stammt, läuft Gefahr, regelmäßig hohe Konzentrationen von gesundheitsschädlichen Substanzen zu konsumieren. Wünschenswert wäre, dass die Politik neue Empfehlungen ausspricht und Grenzwerte festlegt, die den unbedenklichen Konsum von Fisch gewährleisten. Bis dahin bleibt es Ärzten überlassen, ihre Patienten über die möglichen Risiken aufzuklären.
Kurze Zusammenfassung für Eilige:
Gesundheitliche Vorteile vs. Schadstoffe:Fisch liefert Omega-3-Fettsäuren und Proteine, enthält aber oft Schwermetalle (Quecksilber) und chemische Rückstände (PFAS, Dioxine), die Grenzwerte schnell überschreiten können.
Umstrittene Grenzwerte:EU-Grenzwerte erlauben oft höhere Schadstoffbelastungen als wissenschaftlich empfohlen, besonders bei Thunfisch und Hering.
Das können Ärzte tun:Patienten über Risiken des Fischkonsums aufklären, zu weniger belasteten Alternativen raten und Grenzwertdiskussion kritisch verfolgen.
Bildquelle: Harris Vo, Unsplash