„Ihr Hund hat leider eine chronische Erkrankung“ – die Diagnose bekomme ich von der VMTA im überfüllten Wartebereich. Dann schickt sie mich mit magischen Wasser-Ampullen nach Hause. Ernsthaft?!
Mittwoch, 11.45 Uhr. Ich habe meine Mittagspause vorgezogen und stehe mit meinem Hund in einem Behandlungszimmer. Der Tierarzt betritt den Raum, mein Hund zieht sofort den Schwanz ein und stürmt zum Ausgang. Ich seufze und versuche mich nicht stressen zu lassen, weil ich ja weiß, dass sich das auf den Hund überträgt. Also hebe ich ihn gemeinsam mit der Tierarzthelferin auf den Behandlungstisch und erzähle über den Kopf des zappelnden und winselnden Hundes hinweg, was los ist: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kotveränderungen, seit einigen Wochen auch Zittern, manchmal mit Wimmern. „Dann untersuchen wir mal den Kot und in der Zwischenzeit geben wir was gegen Übelkeit und Durchfall“, sagt der Tierarzt und holt eine Spritze heraus.
Sobald er sich dem Hund nähert, wird das Zappeln noch schlimmer, ich kriege einen netten Kinnhaken und der Tierarzt braucht drei Anläufe, bevor er den Inhalt der Spritze vollständig in den Hund verfrachtet hat. Endlich darf mein Hund vom Tisch. „Den Rest macht dann die Helferin“, sagt der Arzt noch, während er uns schon den Rücken zuwendet.
Draußen am Tresen werden uns zwei Tüten mit losen Tabletten gegeben, die ich meinem Hund dreimal am Tag gegen seine Symptome geben soll. Während die VMTA redet, geht schon der nächste Patient an mir vorbei zum Behandlungsraum. Der Hund beschnuppert meinen sofort und rückt ihm unangenehm auf die Pelle. Mit einem Ohr höre ich der Pflegerin zu, während ich versuche, meinem Hund etwas Freiraum zu schaffen – er gehört eher zu der nervöseren Sorte.
Erst als ich zuhause bin, finde ich die Ruhe, genau zu gucken, was mir da eigentlich gegeben wurde. Ich tippe die Medikamentennamen in die Suchmaschine ein und traue meinen Augen kaum: Bei den Tabletten handelt es sich um Homöopathie. Habe ich gerade 30 Euro für Zuckertabletten ausgegeben? Und habe ich den Hund gerade mit drei Nadelstichen gequält, nur um ihm was völlig Wirkungsloses einflößen zu lassen? Ich weiß es nicht, denn bei dem Stress der Behandlung habe ich vergessen zu fragen, was in der Spritze ist und natürlich hatte der Tierarzt keine Zeit für eine ruhige Vor- oder Nachbesprechung.
Ich gebe die Zuckerpillen trotzdem, immerhin habe ich sie ja bezahlt und vielleicht bringt es ja doch was. Später merke ich: tut es nicht. Die Kotprobe ist auch negativ. Doch wird haben auch eine Blutprobe genommen. Und endlich haben wir ein Ergebnis: Am Telefon wird mir erzählt, dass der Hund eine Bauchspeicheldrüsenentzündung hat und ich vorbeikommen soll, um mir spezielles Futter und Medikamente abzuholen.
Ich komme also direkt nach der Arbeit vorbei – es ist Freitagnachmittag, die Praxis ist brechend voll. Endlich bin ich an der Reihe und die Helferin beginnt, eine lange Liste an Informationen herunterzurattern: Der Hund habe erhöhte Pankreaswerte und könne Fett nicht mehr richtig verdauen. Deshalb müsse er jetzt auf Fett verzichten, alles über 3 % Fettgehalt sei tabu (währenddessen schiebt sie mir das fettarme Hundefutter über den Tresen, das – wie ich zu Hause feststelle – 7 % Fettgehalt hat). Auf meine Frage, woran das liegen könnte, nennt sie mir eine Reihe von möglichen Ursachen, von Genetik über Autoimmunerkrankung zu persistierender Infektion nur um mit einem „aber das kann eh nur der Pathologe herausfinden“ zu enden. Ich bin völlig überfahren.
„Und was machen wir jetzt?“ frage ich. Futterumstellung und Medikamente, ist die Antwort.
„Und für wie lange?“
„Die Futterumstellung ist für immer. Einmal Pankreas, immer Pankreas.“
Ich schlucke. Nie wieder Leckerlis oder Kauknochen – nur noch Spezialfutter? Doch bevor ich das verarbeiten kann, beginnt sie, mir den Medikamentenplan zu erklären: Zwei Glasampullen, die in eine Spritze aufgezogen werden müssen. Die Hälfte der Spritze muss auf das Futter gegeben werden, das Ganze täglich für 10 Tage, dann zweitätig für 20 Tage, dann dreitägig für 30 Tage. Oh, und jedes Mal, wenn der Hund zu viel Stress habe, könne es wieder losgehen. Bei Durchfall oder Übelkeit solle ich einfach vorbeikommen, dann würde ich neue Ampullen bekommen.
Während sie so redet, füllt sich der Wartebereich immer weiter. Immer mehr Menschen und vor allem Tiere sammeln sich auf kleinstem Raum, sie alle auseinanderzuhalten wird immer schwieriger. Es ist stickig und riecht etwas streng. Ich möchte einfach nur raus. Ich bezahle, packe alles ein und gehe.
Als ich zu Hause bin, atme ich erstmal tief durch. Ich suche im Internet nach „Pankreatitis Hund“ und finde mehrere seriös wirkende Websites, die sehr wohl von einer Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Pankreatitis sprechen. Ich hatte mich schon gewundert, wie man eine chronische Manifestierung anhand eines einzelnen Laborwertes festmachen soll. Dann finde ich auch noch das spezielle Hundefutter – das man angeblich nur über Tierärzte kaufen kann – freiverkäuflich im Internet. Als nächstes gehe ich den kleinen Info-Zettel des Tierarztes zur Pankreatitis durch. Der Medikamentenplan ist nochmal ausführlich aufgeschrieben, allerdings finde ich an einer Stelle auch noch den Hinweis „Ultraschall zum Ausschluss eines Tumors“. Das hatte die Helferin nicht erwähnt – und es gibt auch keinen Folgetermin mit dem Tierarzt. Ist das also entgegen ihrer eigenen Empfehlung nicht geplant?
Schließlich werfe ich einen Blick auf die Medikamente und traue meinen Augen kaum. Denn seitlich auf der Box steht klein gedruckt: „Registriertes homöopathisches Arzneimittel, daher ohne Angabe einer therapeutischen Indikation.“ Wie bitte? Hat mir die Pflegerin gerade wirklich erzählt, dass mein Hund eine ernste, lebenslange Krankheit hat (was anscheinend nicht mal erwiesen ist) und mir gleichzeitig zur Behandlung nichts als überteuertes Wasser mitgegeben? Ich bin sprachlos. Das Erste, was ich Montagmorgen mache, ist, einen Termin bei einem neuen Tierarzt zu vereinbaren.
Ich bilde mir ein, gut einschätzen zu können, ob es meinem Hund gut geht. Was ich mir aber nicht einbilde, ist, qualifiziert zu sein, ihn richtig diagnostizieren und behandeln zu können. Dafür muss ich mich auf die Expertise des Tierarztes verlassen können. Umso mehr regt es mich auf, wenn das Vertrauen derart missbraucht wird. Ich finde es absolut inakzeptabel, homöopathische Medikamente – die ja per Definition weder erwiesene Wirkung noch Indikation haben – an Tierbesitzer zu verkaufen, ohne das transparent anzugeben. Ich hatte ja auch nicht explizit nach Homöopathie gefragt.
Ich weiß, dass es auch meine Aufgabe gewesen wäre, direkt nachzufragen, was das für Medikamente sind – was ich im Übrigen auch immer tue. In Zukunft werde ich aber die Antwort „das hilft gegen xy“ nicht mehr einfach hinnehmen, sondern spezifisch nachfragen, ob es sich um Homöopathie handelt (obwohl man meiner Meinung nach auch nicht sagen darf, dass es „hilft“, wenn es keinen Nachweis gibt). Ich finde aber auch, dass manche Tierärzte mehr Bewusstsein dafür haben sollten, wie stressig Untersuchungen und Behandlungen für uns Tierbesitzer sind. Wenn die Beratung nur stattfindet, während ich meinen zitternden, jammernden Hund auf dem Behandlungstisch festhalte, dann bin ich auch einfach nicht ganz in der Lage, ruhig und überlegt Nachfragen zu stellen. Vor den Terminen gehe ich immer die Liste mit den Symptomen hundertmal durch, damit ich sie dann runterrattern kann und nicht doch etwas Wichtiges vergesse.
Und die Ergebnisbesprechung komplett der Tierarzthelferin am Empfangstresen zu überlassen, ist ein komplettes Unding, finde ich. Nicht nur, dass sie anscheinend einiges an falschen Informationen weitergegeben hat (was man ihr ja auch nur bedingt vorwerfen kann, dafür wurde sie schließlich auch nicht ausgebildet) – es ist auch einfach kein Rahmen, in dem man Erkrankungen und Behandlungen bespricht. Ich hätte lieber auf einen richtigen Termin gewartet, um dann in Ruhe und alleine (ohne sieben Menschen und vier Hunde im Raum) mit dem Tierarzt reden zu können.
Übrigens: Als ich im Freundeskreis von meinen Erfahrungen berichte, haben fast alle eine eigene Geschichte, bei der sie vom Arzt etwas verschrieben bekommen haben, nur um später festzustellen, dass es sich um Homöopathie handelt. Es ist also kein rein veterinärmedizinisches Problem. Und alle hatten eine ähnliche Reaktion wie ich: Empörung und Vertrauensverlust.
Wenn ich vom Arzt keine Expertise, sondern ähnliche Empfehlungen wie von meiner esoterisch-angehauchten Tante bekomme, dann muss ich auch gar nicht erst hingehen. Meiner Meinung nach gehört es verboten, Medikamente ohne erwiesene Wirkung und Indikation an Patienten – ob Mensch oder Tier – herauszugeben, ohne das zu anzugeben.
Der Autor ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben.
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