Beim Einsatz von Fluorchinolon-Antibiotika hat wohl jeder Arzt Risiken wie Sehnenrupturen im Hinterkopf. Trotzdem werden sie noch zu unkritisch verschrieben. Jetzt wurden neue schwere Nebenwirkungen bekannt.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Levofloxacin, ein Vertreter der Fluorchinolone, ist ein zentraler Wirkstoff in der antibiotischen Therapie. Allerdings hat die europäische Pharmakovigilanz in den letzten Jahren zunehmend auf neue Nebenwirkungen hingewiesen und Sicherheitsbedenken geäußert, die eine kritische Neubewertung der Nutzung erforderlich machen.
Die neuesten Bedenken und die altbekannten möglichen Nebenwirkungen der Stoffklasse sind hier zusammengefasst – wie sinnvoll ist der alltägliche Einsatz von Fluorchinolonen?
Fluorchinolone sind eine Klasse synthetischer Antibiotika, die aus der Grundstruktur der Chinolone entwickelt wurden. Sie zeichnen sich durch ein breites antimikrobielles Spektrum aus und wirken bakterizid, indem sie die bakterielle DNA-Gyrase und Topoisomerase IV hemmen, was zu einer Störung der DNA-Replikation führt.
Eingesetzt werden sie üblicherweise zur Behandlung verschiedener bakterieller Infektionen, darunter:
Neben ihrer guten Wirksamkeit werden Fluorchinolone leider auch mit einer Reihe potenziell schwerwiegender Nebenwirkungen wie Sehnenbeschwerden, also dem Risiko eine Tendinitis oder eine Sehnenruptur zu erleiden, in Verbindung gebracht. Besonders häufig ist hiervon die Achillessehne betroffen. Auch periphere Neuropathien und zentrale Nebenwirkungen wie Schwindel und Verwirrtheit sind bekannt geworden.
Zusätzlich können auftreten:
Angesichts dieser Risiken haben Gesundheitsbehörden wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) immer wieder Empfehlungen zur restriktiveren Anwendung von Fluorchinolonen ausgesprochen. Sie sollten nur dann eingesetzt werden, wenn keine alternativen Therapieoptionen verfügbar sind oder wenn der Nutzen die potenziellen Risiken überwiegt.
Auch der Pharmakovigilanz-Ausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur (PRAC) hat die schwerwiegenden, potenziell dauerhaften Nebenwirkungen von Fluorchinolon-Antibiotika anerkannt und entsprechende Warnhinweise aktualisiert. In einer Pressemitteilung vom 5. Oktober 2018 empfahl der PRAC bereits Einschränkungen für die Anwendung von Fluorchinolon- und Chinolon-Antibiotika aufgrund von Berichten über schwerwiegende und potenziell langanhaltende Nebenwirkungen. Diese Empfehlungen wurden später vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bestätigt, was zur Aussetzung oder Einschränkung der Anwendung bestimmter Chinolon- und Fluorchinolon-Antibiotika führte.
Im Rahmen eines europäischen Bewertungsverfahrens für Sicherheitsberichte wurden die Produktinformationen speziell für Levofloxacin kürzlich um mehrere potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen erweitert.
Diese umfassen:
Die neuen Erkenntnisse zu Levofloxacin verdeutlichen erneut die Notwendigkeit, Fluorchinolone zurückhaltend einzusetzen. Der Rote-Hand-Brief von 2023 erinnert daran, dass diese Antibiotikagruppe nur dann verwendet werden sollte, wenn keine geeigneten Alternativen verfügbar sind. Besonders problematisch ist der Einsatz bei:
Erschreckenderweise scheint es keinesfalls so, als würden die teilweise lebensbedrohenden oder zu irreversiblen Schädigungen führenden Nebenwirkungen, sowie die massiven Warnungen zu einer Änderung des Verschreibungsverhaltens führen. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden im Jahr 2021 in Deutschland immer noch etwa zwölf Millionen definierte Tagesdosen (DDD) von Fluorchinolonen verordnet.
Die Problematik, die sich daraus ergibt, wurde auch schon von der Laienpresse aufgegriffen, da hier öffentliches Interesse besteht. Eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ergab, dass im Jahr 2018 etwa 3,3 Millionen Patienten in Deutschland mit Fluorchinolon-Antibiotika behandelt wurden. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Fluorchinolone trotz bekannter Risiken weiterhin häufig verordnet werden, obwohl empfohlen wird, ihren Einsatz auf Fälle zu beschränken, in denen keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind.
Levofloxacin ist ein wirksames Antibiotikum, doch die Liste der dokumentierten Nebenwirkungen wird immer länger. Ärztinnen und Ärzte müssen sich der neuen Sicherheitsdaten bewusst sein und bei der Verordnung von Levofloxacin eine noch strengere Risiko-Nutzen-Abwägung vornehmen. Insbesondere gefährdete Patientengruppen wie ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen sollten engmaschig überwacht werden, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden.
In der Apotheke ist es wichtig, die Patienten darüber aufzuklären, wie sie beim Auftreten von Nebenwirkungen reagieren sollten. Bei Anzeichen von Sehnenproblemen (z. B. Schmerzen, Schwellung, Entzündung), Nervenschäden (Kribbeln, Taubheit), einer beginnenden Depression oder Halluzinationen sollten die Patienten wissen, dass sie die Einnahme abbrechen und sofort den behandelnden Arzt kontaktieren müssen.
Indikationsstellung und Einsatz: Fluorchinolone, wie Levofloxacin, sind wirksame bakterizide Antibiotika mit breitem Spektrum. Sie werden bei schweren Infektionen wie Pneumonien, komplizierten Harnwegsinfektionen und Osteomyelitis eingesetzt, jedoch nur bei fehlenden Therapiealternativen empfohlen.
Nebenwirkungen und neue Sicherheitsdaten: Bekannte Risiken wie Sehnenrupturen, periphere Neuropathien und kardiovaskuläre Effekte werden durch neue Nebenwirkungen wie Knochenmarksversagen, Myoklonien und Manie ergänzt. Diese Nebenwirkungen machen eine restriktivere Verordnung erforderlich.
Handlungsbedarf und Verschreibungspraxis: Trotz strengerer Empfehlungen werden Fluorchinolone weiterhin häufig verschrieben, was auf eine unzureichende Risiko-Nutzen-Abwägung hinweist. Ärzte sollten gefährdete Patienten eng überwachen und zusammen mit Apotheken die Aufklärung über Warnsignale und Nebenwirkungen priorisieren.
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