Während der Schwangerschaft durchläuft auch das Gehirn des werdenden Vaters neuronale Anpassungen. Wie kann das sein – ist Schwangerschaft etwa ansteckend?
Während der Schwangerschaft einer Frau gehen tiefgreifende Veränderungen vor sich: Hormonspiegel verändern sich, Organe verlagern sich, um dem wachsenden Platzbedarf des Embryos gerecht zu werden, und das Herz pumpt mehr Blut als je zuvor. Diese Prozesse ermöglichen nicht nur das Wachstum des Embryos im Mutterleib und bereiten den Körper auf die Geburt vor. Sie bereiten auch auf das vor, was nach der Geburt kommt. Vor allem die hormonellen Veränderungen wirken sich auf das Gehirn aus, fördern so die Bindung zum Kind und bereiten auf die kommende Prioritätenverschiebung vor.
Männer sind da vermeintlich im Nachteil. Da bei ihnen kein Kind im Bauch heranwächst, finden auch keine tiefgreifenden Veränderungen statt, die auf künftige Aufgaben vorbereiten könnten. Doch auch bei frischgebackenen Vätern verändert sich das Gehirn. Neuronale Netzwerke, in denen Emotionen verarbeitet werden, sind sowohl bei Müttern als auch bei Vätern kleiner Kinder aktiver als bei kinderlosen Vergleichspersonen. Dabei spielt es allerdings eine Rolle, wie aktiv die Väter bei der Kinderbetreuung sind. Je intensiver der Kontakt zum Kind ist, desto mehr ähneln die neuronalen Veränderungen bei den Vätern denen der Mütter. Diese Anpassung des Gehirns an die neuen Aufgaben wird durch den Kontakt mit dem Kind ausgelöst.
Aber beginnen diese Veränderungen vielleicht schon früher? Die meisten Forschungen haben sich bisher auf das Gehirn von neuen Vätern konzentriert, aber einige Studien sind auch der Frage nachgegangen, ob sich das männliche Gehirn schon während der Schwangerschaft der Partnerin verändert.
Und tatsächlich finden die ersten Anpassungen schon vor der Geburt statt. Auch Männer werden also ein bisschen schwanger. Ein Übersichtsartikel in JAMA Psychiatry fasste kürzlich zusammen, was bisher bekannt ist. Während der Schwangerschaft der Partnerin sinkt der Testosteronspiegel beim Mann, im Gegenzug steigt die Konzentration von Östrogen und Prolaktin leicht an – ähnlich wie bei Vätern bereits geborerener Kinder, was bei ihnen mit einer intensiveren Reaktion auf den Anblick und die Interaktion mit dem Baby zusammenhängt. Mit fortschreitender Schwangerschaft werden bestimmte Hirnareale der Väter in spe aktiver, unter anderem die Amygdala als Teil des Emotionsregulationsnetzwerks. Hormonelle Veränderungen beeinflussen also nicht nur die mütterliche Neuroplastizität, auch das väterliche Gehirn erfährt bereits vor der Geburt Veränderungen.
Wie die Veränderungen im väterlichen Gehirn ausgelöst werden, ist noch unklar. Woher weiß das Gehirn, dass die Partnerin schwanger ist und dass es sich jetzt besser auf den Nachwuchs vorbereiten sollte, als so weiterzumachen wie bisher? Eine mögliche Erklärung ist eine Art Übertragung der schwangerschaftsbedingten Veränderungen auf den Mann. Die Veränderungen im Gehirn der schwangeren Frau führen zu einem veränderten Verhalten. Und bei zusammenlebenden Paaren wirkt sich das Verhalten der Frau natürlich auch auf den Partner aus. Das könnte so weit gehen, dass das Verhalten der Frau auch den Hormonhaushalt des Mannes und damit die Plastizität des Gehirns beeinflusst. Weitere Forschung auf dem Gebiet könnten dazu beitragen, die Ursachen für postpartale Depression bei Männern besser zu verstehen – denn auch Väter können daran erkranken.
Die Schwangerschaft ist zwar biologisch in erster Linie auf den Körper der Frau beschränkt, hinterlässt aber auch beim Mann ihre Spuren, vor allem im Gehirn, aber nicht nur dort. Auch der Bauch des werdenden Vaters kann wachsen, meist nicht so stark wie der der Schwangeren, aber zwei bis drei Kilo Gewichtszunahme sind auch beim werdenden Vater keine Seltenheit. Fest steht: Schwangerschaft ist Teamarbeit – auch auf neuronaler Ebene.
Quelle:
Bottemanne H, Joly L. How the Paternal Brain Is Wired by Pregnancy. JAMA Psychiatry. 2024 Nov 13. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2024.3592
Bildquelle: Getty Images, Unsplash